Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Der folgende sehr interessante Hintergrundartikel aus der linken italienischen
Tageszeitung “il manifesto” vom 20.7.2001 beleuchtet die sozialen
und politischen Auseinandersetzungen, die es zwischen der alten und der neuen
Generation der traditionell entschieden linken und kämpferischen Hafenarbeiter
Genuas (der sog. “camalli”) gibt - Auseinandersetzungen, die sich politisch
anläßlich der für den 30. Juni angedrohten Demonstration
der neonazistischen Forza Nuova und der Anti-G8-Proteste in Genua stark
zugespitzt haben:
Die Rebellion des jungen
camallo
Die neuen Hafenarbeiter auf der piazza gegen die
G8.
Und auch gegen die Ansicht der “Alten”.
Loris Campetti - Korrespondent in Genua
“Die Computer-Konsole <der linken Hafenarbeiter-Compagnia Genuas> hatte
ausgesagt: Weder mit der G8 noch mit den Tute Bianche und den Anti-Globalisierern
gegen die G8. Meine Genossen und ich, wir denken nicht so und deshalb sind
wir hier.” Matteo ist 23 Jahre alt und von Beruf camallo, genauer gesagt
“allgemeiner Hafenarbeiter” in der Einheits-Gesellschaft. <Die Compagnia
unica ist die Genossenschaft der tief in der kommunistischen Tradition Italiens
verwurzelten camalli Genuas> Wir haben ihn vor der Freitreppe der Kirche
in Cargnano gefunden, indem wir den Überresten eines mit “No global-Hafenarbeiter”
unterschriebenen Flugblattes gefolgt sind, das erklärt: Wir sind “Arbeiter
und keine Diener, die gegen die 8 Herren der Welt auf der Straße sind”.
Der Hafen ist seiner Natur nach der globalisierte Ort par excellance. Warum
seid Ihr “dagegen” ? “Wir sind das lebende Beispiel der totalen Flexibilität,
der Globalisierung - dieser kapitalistischen Globalisierung - zur Disposition
gestellt”, antwortet ein anderer junger camallo. Luca (33 Jahre alt): “Als
vielfältig einsetzbarer Arbeiter hantiere ich mit den Waren an Bord
und bei der Verladung. Wir kennen die Globalisierung und müssen jeden
Tag des Jahres mit ihr rechnen. Unsere Arbeit ist mit der Umwandlung der
Compagnia in ein Unternehmen eine mittelalterliche Arbeit geworden, eine
Arbeit auf Abruf. Wir stehen 24 Stunden am Tag in 4 Schichten zur Verfügung.
Wenn der Abruf erfolgt, werden wir bezahlt - wenn nicht, dann nicht. Die
Arbeit ist nicht gleichmäßig verteilt. Es gibt Mitglieder, die
auch 50 - 60 Schichten im Monat machen und die jüngsten Mitglieder kommen
auf keine 20. Ich habe im letzten Monat 21 Tage gearbeitet und um auf 2,2
Millionen Lire <Monatslohn = 1 124,80 Euro> zu kommen, mußte
ich zwei Urlaubstage draufgeben.”
Matteo, der jünger als Luca ist, fühlt sich als wäre er Leiharbeiter,
Arbeiter der 2. Kategorie: “Im vergangenen Monat habe ich gerademal 16 oder
17 Schichten gearbeitet und in der Lohntüte habe ich nur 1,4 Millionen
Lire <715,80 Euro> gefunden. Meiner Meinung nach begünstigt die
Macht diejenigen, die ihr die Zustimmung garantieren und wir haben keinerlei
Garantie, wenn wir nicht zur Arbeit abgerufen werden.”
Harte Wut und viel Wut. Aber wie ist das bei der CULMV, der mythischen Compagnia
unica (Einheitsgesellschaft) von Paride Batini möglich ? Seid Ihr da
nicht ein bißchen voreingenommen ? Und dann, gibt es keine interne
Gewerkschaft ? Die beiden Jugendlichen werden sauwütend und erklären
mir, daß sie mit dem verbunden geblieben sind, was die Compagnia war,
bevor sie zu einem Unternehmen wurde und sich dem Markt und der Globalisierung
unterwarf. Und die Arbeitsunfälle nehmen zu (3 - 400 auf 1 000 Arbeiter
in einem Jahr und 4 Tote in drei Jahren) und Arbeitssicherheit lebe wohl
! “Was meinen Sie dazu, daß - trotz der Versprechungen am 300.Juni,
in Erinnerung an die Geschehnisse von 1960, gegen <die NPD-Schwesterpartei>
Forza Nuova auf die Straße zu gehen - nur wir Jungen zusammen mit den
centri sociali auf der Demonstration gewesen sind ?” Und die Gewerkschaft
? “Sicher gibt es die. Das sind die Kinder der Leitungsklasse. Wir werden
von niemandem repräsentiert”, antwortet Matteo. Und Luca: “Die Gewerkschaft
ist in der Hand derjenigen von Lotta Comunista und den Linksdemokraten (DS),
all denen, die Arm in Arm mit den Vorstandsleuten gehen. Wir sind ungefähr
50, die sich regelmäßig sehen, soweit es die Schichten erlauben.
Wir nennen uns Collettivo portuale antifascista (Antifaschistisches Hafenarbeiter-Kollektiv).
Sicher, wir spüren die Notwendigkeit uns zusammenzuschließen,
uns zu organisieren. Wir haben nichts gegen die Gewerkschaften, aber wir
sind hier, um zu demonstrieren, um das Gewicht der Arbeitswelt spürbar
zu machen, weil wir jeden Tag des Jahres gegen die Globalisierung und die
G8 sind.”
Mit wem werdet Ihr im Demonstrationszug zusammen marschieren ? “Gute Frage.
Vielleicht mit der Koordination der RSU-Delegierten oder vielleicht auch
nicht. Wir werden sehen.” Die Demonstration der Migranten startet und ein
Transparent zieht vorbei, das unseren Freunden jeden Zweifel nimmt, mit wem
zusammen sie marschieren sollen: “Compagnia portuali Venezia” (Hafenarbeiter-Gesellschaft
Venedig) und dahinter eine ansehnliche Schar von camalli, die sich im Nordosten
<Italiens> vielleicht anders nennen, aber auf dieselbe Weise global
sind.
Vorspann, Übersetzung und Anmerkungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover