Antifa-AG der Uni Hannover:

 

Hauptbeschäftigung der italienischen Mitte-Links-Union, der neben dem christdemokratischen und liberalen Parteien- und Personen-Bündnis Margerite, den aus der 1990 aufgelösten italienischen KP (PCI) hervorgegangenen Linksdemokraten (DS), den Grünen, einem kleinen Nachfolgeverein des 1995 aufgelösten PSI (SDI) und der Gruppierung des durch die Ermittlungen im Parteien-Schmiergeldskandal „Tangentopoli“ ab 1992 berühmt gewordenen ehemaligen Staatsanwalt Antonio Di Pietro („Italien der Werte“), auch Rifondazione Comunista und ihre Rechtsabspaltung aus dem Oktober 1998 – PdCI – angehören, ist gegenwärtig nicht der Kampf gegen die schwer angeschlagene Regierung Berlusconi, sondern die Veranstaltung von Vorwahlen nach US-Vorbild zur Kür eines Spitzenkandidaten für die im April 2006 anstehenden Parlamentswahlen. Ohne dass bisher auch nur der Versuch unternommen worden wäre, sich auf ein gemeinsames Programm zu verständigen. Am Sonntag, den 16.Oktober 2005 werden die Anhänger der Mitte-Linken zwischen 6 Kandidaten wählen können. Es sind dies, sortiert nach Wahlchancen: Romano Prodi, Fausto Bertinotti (Rifondazione), Clemente Mastella (rechter Christdemokrat, UDEUR), Antonio Di Pietro (Italia dei Valori), Alfonso Pecoraro Scanio (Grüne), Ivan Scalfarotto (Personalchef der Citigroup, parteipolitisch unabhängig) sowie Simona Panzino (ex-Disobbedienti). Stimmberechtigt sind alle interessierten Italiener, die spätestens am 13.Mai 2006 18 Jahre alt sind sowie ausländische Arbeiter und Studenten, die seit mindestens 3 Jahren in Italien leben und sich bis zum 12.Oktober in die Wahllisten eingetragen haben. In einem erheblichen Kraftaufwand, der einer besseren Sache würdig gewesen wäre, wurden 9.798 Wahllokale organisiert (die meisten davon – 1.278 - in der norditalienischen Region Lombardei bzw. in der Provinz Rom – 532). Geöffnet sind sie am Sonntag, den 16.Oktober 2005, von 8 bis 22 Uhr. Um teilnehmen zu können, ist nicht nur die Vorlage eines Personalausweises erforderlich, sondern muss auch eine Unterstützungsunterschrift für das Projekt der Mitte-Links-Union geleistet und 1 Euro Unkostenbeitrag bezahlt werden. Die Internetseite dieses Spektakels, bei dem Prodi von vornherein als Sieger feststeht und ihm auf diese Weise eine inhaltliche Blankovollmacht ausgestellt wird, ist: www.unioneweb.it

Dieser klägliche Rest der viel beschworenen „partizipativen Demokratie“, die Verstrickung bedeutender Exponenten der Mitte-Linken in die Ränkespiele um die Übernahme der beiden Banken BNL und Banca Antonveneta sowie das subalterne Verhalten der Führung von Rifondazione Comunista (PRC) wird vom linken Parteiflügel scharf kritisiert. Um diese Kritik auch im deutschsprachigen Raum bekannt zu machen, im folgenden Interviews mit den führenden Vertretern der drei wichtigsten Teile des heterogenen linken PRC-Flügels. Als erstes hier das Interview der linken Tageszeitung „il manifesto“ mit Claudio Grassi von der eher traditionalistischen Strömung „Essere Comunisti“ (Kommunisten sein) um die Zeitung „l’Ernesto“, die 25% der 95.000 PRC-Mitglieder repräsentiert. Es erschien am 14.8.2005.

 

PRC-Minderheit:

 

„Moralische und Klassenfrage“

 

Für Claudio Grassi sind vorgezogene Neuwahlen grundlegend.

 

ANDREA COLOMBO

 

Claudio Grassi, Führer der größten Minderheitsströmung des PRC <Partei der Kommunistischen Neu(be)gründung>, stimmt, was die Dringlichkeit der Forderung nach vorgezogenen Neuwahlen anbelangt, vollkommen mit <“il manifesto“-Mitbegründer und Verwaltungsratsdirektor> Valentino Parlato überein: „Das ist ein grundlegendes Erfordernis, da die Regierung nicht nur nicht mehr in der Lage ist auf die gravierenden Probleme des Landes zu reagieren, sondern sie nur noch verschlimmern kann.“

 

Und was meint die Minderheit von Rifondazione zu den Vorwahlen?

 

„Ich stimme mit dem überein, was Giuseppe Chiarante in ‚il manifesto’ dazu geschrieben hat. Sie sind ein Zugeständnis an die Personalisierung der Politik und eine Stärkung des Mehrheitswahlrechts. Ich denke, dass es ein Fehler war, jetzt da sich das Mehrheitswahlrecht offen in der Krise befindet, keine Offensive der radikalen Linken für die Wahlreform zu starten.“

 

Nun wird es die Vorwahlen aber in jedem Fall geben…

 

„Es wird sie geben, weil Prodi sie um jeden Preis wollte. Und es ist selbstverständlich, dass – je mehr Stimmen Bertinotti bekommt, der der repräsentativste Kandidat der radikalen Linken ist (wenn auch nicht der einzige) diese Linke bei der Festlegung des Programms der Union umso mehr Gewicht haben wird.“

 

Apropos, an welchem Punkt befindet sich das fragliche, geisterhafte Programm?

 

„Dieses Kapitel ist der wirklich dunkle Punkt, nicht nur was Rifondazione, sondern was die gesamte alternative Linke anbelangt. Ich finde, dass zwei Fehler gemacht worden sind. Zuallererst hat die radikale Linke nicht frühzeitig gefordert, dass die programmatische Diskussion eröffnet wurde. Sie war nicht in der Lage Initiativen zu starten, um ein gemeinsames Programm auszuarbeiten, das sicherlich nicht von der gesamten Union übernommen worden wäre, den Anliegen der radikalen Linken aber Nachdruck verliehen hätte. Zweitens, obwohl wir das Programm nicht mit der ganzen Mitte-Linken diskutiert und keinen eigenen Programmentwurf verfasst haben, haben wir unsere Regierungsbeteiligung <nach einem derzeit zu erwartenden Sieg der Mitte-Links-Union im April 2006> dennoch als sicher erklärt. Und ich frage mich, was werden wir in einer Mitte-Links-Regierung tun, wenn diese sich nicht einige unserer grundlegenden Forderungen zu eigen macht?“

 

Hast Du den Eindruck, dass die aktuelle politische Debatte zu der Annahme berechtigt, dass zumindest einige dieser Anliegen von der gesamten Union übernommen werden?

 

„Bei den beiden letzten wichtigen Parlamentsdebatten (derjenigen über die Außenpolitik und der über die Anti-Terror-Gesetze) hat sich die Union gespalten. Daher bin ich – so wie die Dinge stehen – bezüglich der Tatsache, dass es im Programm andere Elemente geben wird als in der Politik der Mitte-Linken in den 90er Jahren (den Jahren der Regierung) überhaupt nicht ruhig. Deshalb wären sofortige politische Initiativen dringend notwendig.“

 

Das heißt konkret?

 

„Konkret würde ich sagen, dass man bereits im September die ganze alternative Linke versammeln und dabei auch von einigen Orten profitieren sollte, die es bereits gibt, wie die <vom Professor, Ex-Operaisten und Ex-Linksdemokraten Asor Rosa zusammen mit „il manifesto“ im Januar 2005 initiierte> Konsultationskammer, um ein gemeinsames programmatisches Profil vorzubereiten.“

 

Meinst Du nicht, dass die Vorwahlen ein nützliches Moment sein könnten, auch um der Basis bezüglich der programmatischen Inhalte Stimme zu verleihen?

 

„Man sollte den Versuch dazu unternehmen. Ich wiederhole, dass mir die Vorwahlen nicht gefallen, aber ab dem Moment, wo es sie gibt, muss man versuchen, sie zu nutzen, auch um die programmatische Diskussion einzuleiten. Der Beginn des Vorwahlkampfes der verschiedenen Kandidaten erschien mir allerdings etwas trostlos.“

 

Was meinst Du zu der u.a. auch von Bertinotti ins Spiel gebrachten moralischen Frage und zum Vorschlag eines ethischen Kodexes für die Union?

 

„Das moralische Problem existiert <durch die Verquickung führender Linksdemokraten mit bestimmten Kapitalgruppen und Investoren>, aber ich würde hinzufügen, dass das auch eine Klassenfrage ist. Dass über den Verkauf von Aktien steuerfrei Millionen Euro verdient wurden, ist ein Skandal. Genauso wie es ein Skandal ist, dass der Tarifvertrag der Metallarbeiter nicht erneuert wird. Deshalb ist der ethische Kodex voll in Ordnung. Wir müssen von der <Mitte-Links-> Union aber auch fordern, dass die soziale Ungleichheit reduziert wird. Zum Beispiel indem die Besteuerung der Profite zumindest in demselben Maße wie die der Arbeit ins Programm aufgenommen wird.“

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover