Antifa-AG der Uni Hannover:
Hier nun der 3.Teil unserer kleinen
Reihe „Die radikale Linke in der Schweiz“, wiederum in Form eines Artikels aus
der linksliberalen Wochenzeitung „WoZ“ vom 18.8.2005. Er
schildert aus Anlass des Referendums über die Personenfreizügigkeit am
25.September 2005 und der am 9.Oktober 2005 anstehenden Kantonalwahlen die
Entwicklung links der Sozialdemokratischen Partei in Genf in den letzten
Jahren. Dabei wird auch deutlich, dass mit dem Niedergang und dem Zerfall des
linken Bündnisses Alliance de Gauche zugleich der Aufstieg radikalerer
linker Kräfte, wie der Partei der Arbeit (PdA – Genfer Sektion: http://www.pdt-ge.org/) und dem Mouvement
pour le Socialisme (MPS - http://www.labreche.ch/),
verbunden ist, denn im nachfolgenden Artikel bleibt unerwähnt, dass die Partei Solidarités
(http://www.solidarites-ge.ch/)
nicht mehr in erster Linie bewegungs-, sondern auf die Zusammenarbeit mit der
Sozialdemokratie orientiert ist. Dem passt sie ihre praktische Politik an, auch
wenn die Präsentation noch eine andere ist. Bei den Genfer Kantonalwahlen
besteht die (neue) Alliance de Gauche (Liste 4) nun aus PdA und der
SP-Linksabspaltung „Unabhängige“, während Solidarités eigenständig (Liste 8)
antritt.
WAHLEN
IM KANTON GENF: Ein
Teil der Linken hofft, von den WählerInnen für ihr Nein zur Ausdehnung der
Personenfreizügigkeit belohnt zu werden.
Ein dramatischer Seitensprung
Von Helen Brügger
Genfs Linke steht Kopf: Die
Kommunisten der Partei der Arbeit (PdA) und die Trotzkisten des Mouvement pour
le Socialisme (MPS) machen gemeinsame Sache mit der <teilweise konservativen,
teilweise rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei> SVP gegen die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit
(vgl. oben stehenden Artikel). Dabei werden sie von den Unabhängigen, einer
Linksabspaltung der SP, unterstützt. „Wir haben die gleichen Parolen, aber
nicht die gleiche Begründung wie die SVP“, sagt PdA-Präsident Hans Bräm: „Wir
sagen Nein, weil die flankierenden Maßnahmen nicht genügen.“ Es sei nicht das
erste und nicht das letzte Mal, dass Links- und Rechtsaußenparteien die
gleichen Parolen fassten. Genf sei mit seiner hohen Arbeitslosenzahl und seinem
hohen Anteil an GrenzgängerInnen ein Sonderfall: „Wir betreiben keinen
nationalen Protektionismus, wir schützen die ganze Region Genf vor
Arbeitslosigkeit und Sozialdumping – auch jene, die aus Frankreich hierher
arbeiten kommen.“ Die Genfer PdA fürchtet nicht einmal den Konflikt mit der PdA
Schweiz, die die Ja-Parole ausgibt.
Der Seitensprung von PdA
Genf, Unabhängigen und MPS wäre weniger dramatisch, wenn nicht 14 Tage später,
am 9.Oktober, kantonale Gesamterneuerungswahlen anstünden. Für die SP handelt
es sich bei der Haltung der Neinsager um puren Populismus, und die Grünen
sprechen von Handlangerdiensten für die SVP; alle fürchten, die Kampagne der
drei linken Formationen treibe die WählerInnen ins Lager der SVP. Bisher konnte
sich die Linke Hoffnung auf eine Mehrheit im Kantonsparlament und vielleicht
sogar in der Regierung machen: Sie brachte mehrere Referenden gegen die soziale
Abbaupolitik der Rechtsregierung durch und sieht darin ein Zeichen für einen
möglichen Linksrutsch.
Doch dieser Traum ist wohl
geplatzt. Denn die linken Neinsager treten bei den Wahlen alleine an. Das
Bündnis der Parteien links der SP, die Alliance de Gauche (AdG),
ist in voller Auflösung. Die AdG ist eine Besonderheit Genfs: ein Bündnis
zwischen Solidarités, die die Reste der Nach-68-er-Linken sowie neue soziale
Bewegungen zusammenfasst, der PdA, die während Jahrzehnten die Arbeiterviertel
fest in der Hand hielt, und den Linkssozialisten um den populären Mieteranwalt
Christian Grobet, den Unabhängigen. Ihre Glanzzeit waren die 90er Jahre, als
die Genfer SP ihre WählerInnen in der politischen Mitte suchte und die AdG
gegen die von der SP mitgetragene Abbaupolitik auftreten konnte.
Diese schönen Zeiten sind
vorbei: Auf der einen Seite stehen nun die PdA und die Unabhängigen, auf der
andern Solidarités. Die AdG-Mitgliederparteien konnten sich nicht auf eine
gemeinsame Liste einigen, selbst auf die Gefahr hin, dass nun beide
Gruppierungen das Quorum von 7 Prozent verfehlen könnten. In diesem Fall wären
tausende von linken Stimmen verloren und könnte sogar die erhoffte Mehrheit
bachab gehen. Dabei erreichte die Genfer Linksallianz zu ihren besten Zeiten
gegen 20% der Stimmen. Als Ursache für die Spaltung werden taktische
Differenzen angegeben: PdA und Unabhängige wollten zahlenmäßig begrenzte
Listen, um die Wiederwahl ihrer KandidatInnen zu sichern, Solidarités setzte
auf eine große, für VertreterInnen von Bewegungen geöffnete Liste. Doch
dahinter steht das tiefere Zerwürfnis um die Frage der Personenfreizügigkeit.
Solidarités hat sich nach heftigen Auseinandersetzungen zu einem Ja
durchgerungen, weil das Abkommen neue Rechte für ausländische Arbeitskräfte
bringe und die ungenügenden flankierenden Maßnahmen nur gemeinsam bekämpft
werden könnten.
Vorbemerkung und Einfügung in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover
Das Online-Angebot der
Wochenzeitung „WoZ“ findet sich im Internet unter: www.woz.ch