Gewerkschaftsforum Hannover:

 

Der arme Tony Blair hat es zum Ende seiner Amtszeit, in der er so viel für die neoliberale Umstrukturierung der Gesellschaft und „die aktive Gestaltungsfähigkeit“ des „Freien Westens“ in der Weltpolitik getan hat, wirklich nicht leicht. Nicht nur, dass ihm sein designierter Nachfolger und Schatzkanzler Gordon Brown im Nacken sitzt und ihn ständig mit allerlei Nadelstichen zum vorzeitigen Rücktritt drängen will, nein auch die Aufrührer und Terroristen im Irak, die einfach nicht einsehen wollen, dass ein neues westliches Kolonialmandat über ihr Land das Beste für sie ist, machen ihm schwer zu schaffen. In Nordirland stört der rechtsradikale Protestanten-Prediger Ian Paisley mit seiner DUP die Friedensidylle, obwohl IRA- und Sinn Féin-Führung doch zum Schlucken fast jeder Kröte bereit sind. In England und Wales machen Tories und Liberaldemokraten New Labour erhebliche Teile seiner Wählerschaft abspenstig. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, wiegeln unbelehrbare, ewig gestrige Gewerkschaftsführer – allen jahrelangen Befriedungsbemühungen und Vereidigungen aufs Co-Management zum Trotz – die britische Working Class immer wieder zum Klassenkampf auf. Neuerdings ist gar vom Generalstreik der staatlich Bediensteten die Rede. Undank ist der Welten Lohn!

 

Orsola Casagrande fasst in der linken italienischen Tageszeitung „il manifesto vom 3.1.2007 die schockierenden Nachrichten aus dem Öffentlichen Dienst Ihrer Majestät zusammen:

 

Kapital & Arbeit:

 

Generalstreik gegen Tony Blair

 

Englands Staatsbedienstete fordern das Ende des Outsourcings  und der Entlassungen. Seit 20 Jahren haben sie die Arbeit nicht mehr niedergelegt.

 

Orsola Casagrande

 

Die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes drohen mit einem Generalstreik, dem ersten seit 20 Jahren und die Regierung reagiert, indem sie den Boykott des Protestes organisiert. Ab heute müssen sich 280.000 Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes zum Vorschlag eines Aktionstages äußern, der bis Ende Januar stattfinden soll. Die Gewerkschaft PCS hat nämlich angekündigt, dass nach zwei Jahren fruchtloser Verhandlungen der Augenblick gekommen ist, die Beschäftigten zu einer eintägigen Arbeitsniederlegung aufzurufen. Zur Unterstützung der Verhandlungen über Lohnerhöhungen, aber auch und vor allem aufgrund der Leichtigkeit, mit der der Staat dabei ist Zehntausende Beschäftigte zu entlassen und der Entscheidung immer mehr Dienstleistungen auszugliedern.

 

Die Regierung hat wissen lassen, dass sie beabsichtigt, sich für einen Boykott des Streiks einzusetzen oder ihn zumindest unwirksam zu machen. Da vor allem die Behörden, die sich mit Steuern, Gebühren, der Ausgabe von Lizenzen und Führerscheinen beschäftigen sowie die Arbeitsämter streiken werden, denkt die Regierung daran, sich an die Beitragszahler zu wenden, damit diese ihre Steuerschuld möglichst schnell per Post begleichen. Die Gewerkschaften organisieren nämlich eine Aktionsform, die es der Regierung unmöglich macht bis Ende Januar alle Steuern und Gebühren zu kassieren. Die Unions denken an eine landesweite Arbeitsniederlegung mit der entsprechenden Schließung aller Finanzämter des Landes. Für die Regierung wäre das ein sehr harter Schlag.

 

Der energische Generalsekretär der PCS, Mark Serwotka, sagt, dass, „wenn es gelingt die Behörden, Museen und Kfz-Zulassungsstellen einen Tag lang zu schließen, dies für den Staat verspätete Einnahmen in Höhe von etwa 10 Milliarden Pfund Sterling bedeuten würde. Wir wollen“ – sagt Serwotka weiter – „unsere Ablehnung der von der Labour-Regierung verfolgten Politik der Privatisierung wichtiger Dienstleistungen auf die Titelseiten bringen.“ Darüber hinaus ist es für die Gewerkschaft inakzeptabel, dass der Schatzkanzler und zukünftige Premierminister Gordon Brown ausdrücklich erklärt hat, dass die Zahl der beim Staat Beschäftigten in den kommenden drei Jahren um weitere 84.000 Leute reduziert werden soll. Insgesamt beträgt die Zahl der öffentlich Bediensteten ca. 600.000. Die Hälfte davon wird auf der gewerkschaftlichen Ebene von der PCS vertreten. Die an der massenhaften Befolgung des landesweiten Streiks keinen Zweifel hat. Es wird das erste Mal seit den finsteren Jahren der Lady Thatcher sein. Auch deshalb ist die Regierung Blair so darum bemüht, einen Protest zu entschärfen, der andere Sektoren ‚anstecken’ könnte.

 

Nach Ansicht der Gewerkschaft waren die Antworten der Regierung bislang unzureichend. In einem an den Sekretär der PCS adressierten Brief schrieb der Staatssekretär Gus O’Donnell, dass „die Regierung das Mögliche tut und weiterhin tun wird, um Entlassungen zu vermeiden. Leider“ – fährt der Brief fort – „kann sie in dieser Hinsicht nichts garantieren.“ Noch deutlicher wurde der Staatssekretär Pat McFadden, der bekräftigte, dass „die öffentliche Meinung sich vielleicht nicht vollständig darüber im Klaren ist, welche <Vorzugs-> Behandlung die staatlich Bediensteten in punkto Entlohnung, Urlaub, Krankenversorgung und Pension erfahren. Es gibt keinen Grund für diesen Streik.“ Die Unions verweisen diese Äußerungen an den Absender zurück und bezeichnen sie als für eine Regierung, die „sich Labour-Regierung nennt und praktisch von den Arbeitern und ihren gewerkschaftlichen Organisationen gegründet wurde“, als inakzeptabel, wie die Labour-Linke hervorhob, die den Proteststreik der PCS hingegen sofort unterstützt hat.

 

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Gewerkschaftsforum Hannover