Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Nicht nur in Italien, Spanien und Großbritannien gibt es in den
letzten Monaten bemerkenswerte gewerkschaftliche Kampfaktionen zur Abwehr
von Angriffen der jeweiligen Regierungen auf die verbliebenen sozialen Errungenschaften
und zur Verbesserung des Lohnniveaus und der Arbeitsbedingungen, auch Griechenland
steht hier nicht zurück, wie der folgende Korrespondentenbericht der
linken italienischen Tageszeitung “il manifesto” vom 19.6.2002
zeigt.
Streik: Griechenland legt
die Arbeit nieder
Die sozialistische Partei (PASOK) wegen der Rentenreform
unter Druck.
Man kalkuliert, daß die Deckung von 65% auf 45% des letzten Gehaltes
sinken könnte.
Die Gewerkschaften spalten sich und isolieren die regierungsfreundliche
Gewerkschaft.
Gegensätzliche Stimmen auch in der Regierungsmehrheit.
Pavlos Nerantzis - Athen
Der Ministerpräsident Kostas Simitis hat gute Gründe, um wütend
zu sein. Kurz vor den Sommerferien und den Kommunalwahlen im kommenden Oktober
muß er nicht nur mit dem negativen Klima rechnen, das auf der PASOK
lastet und mit dem in ihrer Leitungsgruppe ausgebrochenen Sturm, sondern
auch mit einer Kette von Streiks sowohl im öffentlichen wie im privaten
Sektor, die Zeichen einer allgemeinen Unzufriedenheit ist. Im Mittelpunkt
der Aufmerksamkeit steht die Rentenreform und das Einfrieren der Löhne
in dem Augenblick, in dem Griechenland - laut Eurostat - zusammen mit Irland,
Holland, Spanien und Portugal die stärkste Preiserhöhung auf Jahresbasis
registriert (3,7%). Gestern wurde das ganze Land durch den von der GSEE
(der Allgemeinen Konföderation der Arbeiter) und von ADEDY (dem
Gewerkschaftsbund der im öffentlichen Sektor aktiv ist) proklamierten
Generalstreik lahmgelegt und zwar zeitgleich mit der Diskussion des Gesetzentwurfes
über die Rentenreform im Parlament. Alle Transportmittel standen still,
die Fabriken und die öffentlichen Betriebe waren geschlossen, während
Krankenhäuser, Elektrizitätswerke, Wasserwerke sowie Telekommunikationseinrichtungen
nur mit einer Notbesetzung arbeiteten.
Nach einer Verhandlungsperiode zwischen den betroffenen Parteien hat der
Arbeitsminister, Dimitris Reppas, einen Gesetzentwurf vorgelegt, der
von den Gewerkschaftern der PASKE (der gewerkschaftlichen Struktur
der Regierungspartei) im Prinzip akzeptiert worden war. Dagegen waren hingegen
die der konservativen Partei Nea Demokratia (Neue Demokratie) und
die der Linken, d.h. der griechischen Kommunistischen Partei KKE und
dem <rechts von dieser angesiedelten und kleineren Linksbündnis>
Synaspismos, angehörenden Gewerkschafter. Die Entscheidung für
den Generalstreik ist somit im privaten Sektor von der gewerkschaftlichen
Minderheit getroffen worden, während sich im öffentlichen Sektor
auch die zur PASOK gehörenden Gewerkschafter für
die Mobilisierung ausgesprochen haben.
Laut der Reform bleibt das Alter von 65 Jahren als maximale Grenze, um in
Rente zu gehen und auch das Rentenniveau wird für diejenigen, die die
Arbeitswelt bis 2007 verlassen, nicht angetastet. Das neue Sozialfürsorgesystem
sieht außerdem die Vereinigung der Körperschaften für die
verschiedenen Berufsgruppen vor (die Mehrheit dieser Körperschaften
hat, aufgrund der säumigen Zahlungen des Staates, einen großen
Fehlbetrag angehäuft). Allerdings sieht es nicht die soziale Fürsorge
für alle Bürger vor. Die Anwendung der Reform beginnt nach 2007.
Ab dann werden die Renten für einen Zeitraum von 20 Jahren um fast 1%
pro Jahr sinken.
Der öffentliche Sektor ist jener, der von den neuen Maßnahmen
am stärksten betroffen ist. Man kalkuliert, daß die Rente eines
Staatsangestellten, die mit heute 65% seines letzten Gehaltes verglichen
mit dem europäischen Durchschnitt bereits niedrig ist, nach der Anwendung
des Gesetzes bei 45% landen wird. Gegen den Gesetzentwurf haben sich Konservative
und Kommunisten ausgesprochen, während 33 sozialistische Abgeordnete
Veränderungen fordern, die für die Rechte der Werktätigen
(vor allem der Frauen) als essentiell betrachtet werden.
Bis morgen früh werden auch die Linien-Fährschiffe nach Italien
nicht verkehren, was derzeit enorme Lastwagenschlangen in den Häfen
von Patrasso und Igoumenita hervorruft. Der für die Handelsmarine
zuständige Minister hat versprochen, “die gerechtfertigten Forderungen”
der in dem Sektor Beschäftigten zu erfüllen. Allerdings bleibt
der Wirtschaftsminister, Nikos Christodulakis, bei seiner Ablehnung
und erklärt, daß “sie die Tür vor der Nase zugeschlagen haben”.
Das Tamtam des Kampfes hat sich auch auf die Athener übertragen. Tausende
Studenten haben bereits, aufgrund des Streikes des Universitätspersonals,
der seit 5 Wochen andauert, die Examen eingebüßt. 9 der 11 Universitäten
im ganzen Land sind geschlossen, weil die Professoren Lohnerhöhungen
fordern. Die Antwort des neuen Wirtschafts-“Zaren” war auch in diesem Fall
kategorisch: Die Verhandlungen können im kommenden Jahr beginnen und
jedes Abkommen - wie immer es auch aussieht - könnte nicht vor 2004
in Kraft gesetzt werden. Die Gewerkschaft der Universitätsbeschäftigten
besteht jedoch darauf und fordert ein Treffen mit dem Ministerpräsidenten
(auch der ist Universitätsprofessor) --in der Hoffnung, daß die
“Kraftprobe” <dann> endet.
Vorbemerkung, Übersetzung und Anmerkungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover