Antifa-AG
der Uni Hannover:
Wie weit wird das überwiegend aus
EU-Truppen bestehende UNO-Militärkontingent im Libanon bei seinem Versuch der
imperialistischen Neuordnung der Region gehen? Der Libanon-Korrespondent der
linken italienischen Tageszeitung „il manifesto“,
Stefano Chiarini, fasst in einem Artikel vom 3.10.2006
den gegenwärtigen Erkenntnisstand zu dieser Frage zusammen.
Libanon:
Geheime Einsatzregeln: UNIFIL bereit das Feuer zu eröffnen?
„Nein zur Entwaffnung!“ Naim Kassem (die Nummer 2 der
Hisbollah): „Der Widerstand wird solange fortgesetzt, wie es keinen
vollständigen Rückzug Israels gibt.“ Schießerei in Beirut zwischen Anhängern
von Hariri und schiitischen Amal-Milizionären.
Stefano Chiarini
Der fehlende vollständige
israelische Abzug aus dem Südlibanon, wo die Armee Tel Avivs noch immer den Ort
Ghajar und die Shebaa-Farmen
kontrolliert, gibt der Hisbollah „das Recht gegen die Besatzung vorzugehen“.
Diese Ansicht vertrat gestern die Nummer 2 der schiitischen Bewegung, Scheich Naim Kassem, wenige
Stunden nach dem Rückzug der israelischen Truppen aus einem Dutzend
libanesischer Ortschaften hinter der Grenze, nicht aber aus den beiden
strategischen Gebieten, dort wo die Grenzen Israels, Syriens und des Libanon
aufeinander treffen. „Wir sind der Auffassung“ – fuhr der
Hisbollah-Vertreter in einem Interview für die progressive Tageszeitung „As Safir“ fort, das eine erste Kritik an den Vereinten
Nationen enthält – „dass die internationale Gemeinschaft für die Fortdauer
der israelischen Besatzung verantwortlich ist.“
Widerhall fand das beim „gemäßigten“
Führer der schiitische „Amal“-Bewegung, dem Verbündeten und Konkurrenten der
Hisbollah und gegenwärtigen Parlamentspräsidenten, Nabih
Berri. Ihm zufolge „bleibt unser Widerstand
solange total wie Israel weiterhin Stellungen auf libanesischem Boden
unterhält“. Die harte Stellungnahme der beiden Bewegungen des schiitischen
Widerstandes entspringt einerseits der fortdauernden israelischen Besetzung von
Teilen des libanesischen Territoriums, die strategisch sehr wichtig sind, wie
dem Dorf Ghajar mit den nahe gelegenen Quellen von Wazzani und Hasbani, und habe
andererseits auch mit den Indiskretionen der französischen Nachrichtenagentur „AFP“
zu tun, der zufolge die UNIFIL-Truppen in Wahrheit zwei „Einsatzregeln“
hätten: eine offizielle und eine vertrauliche. Laut der ersten würde man sich
auf die Unterstützung der libanesischen Armee beschränken, während sie gemäß
der zweiten auch die Macht hätte, mögliche Militärs der Hisbollah festzunehmen,
„verdächtige“ Fahrzeuge anzuhalten und das Feuer auf jeden zu eröffnen,
der in der Region bewaffnet angetroffen wird. Mit anderen Worten, die
UNIFIL-Truppen hätten die Möglichkeit, „über die Selbstverteidigung hinaus
Gewalt anzuwenden, um dafür zu sorgen, dass das Operationsgebiet der UNO (südlich
des Litani-Flusses; Anm.d.Red.) nicht für feindselige Aktivitäten irgendeiner Art
benutzt wird“.
Der Kommandeur des
französischen Kontingents <Generalmajor Alain Pelligrini>
behauptete, diesbezüglich
befragt, dass „es nicht darum geht die
Hisbollah zu entwaffnen oder nach ihren Waffen zu suchen, sondern darum ihr die
Bewegungsfreiheit zu nehmen“. Allgemeiner gesagt, wenn die libanesische
Armee nicht eingreifen sollte, verfügten die UNIFIL-Truppen über umfangreiche
Interventionsbefugnisse: „Wenn wir zum Beispiel auf bewaffnete Milizionäre
stoßen sollten“ – behauptete ein UNIFIL-Offizier – „und diese
sich ergeben, dann würden wir sie der libanesischen Armee überstellen. Falls
sie aber Widerstand leisten sollten, können wir das Feuer eröffnen.“ Das
alles auf der Basis der Resolution 1701, der zufolge es in der Zone südlich des
Litani-Flusses keine Präsenz des libanesischen
Widerstandes geben soll. Das seien die Zusicherungen gewesen, die die
israelischen Befehlsstäbe vergangenen Samstag davon überzeugt hätten, ihre
Männer aus einem Dutzend Ortschaften auf libanesischem Territorium abzuziehen,
gleichzeitig aber im libanesischen Teil von Ghajar an
den Hängen des Golan, das durch die „blaue Linie“, d.h. die von der UNO
zwischen den beiden Ländern festgelegten Grenze, in der Mitte geteilt ist, zu
bleiben und mit neuen Angriffen im Südlibanon zu drohen.
Der Oberkommandierende der
libanesischen Armee, General Michel Sleiman,
forderte gestern seine Männer auf, „bereit zu sein auf jede israelische
Aggression oder Verletzung“ der Waffenruhe „zu antworten“.
Unterdessen verschärfen die internationalen Einmischungen zur Entwaffnung der
Hisbollah den internen Konflikt im Libanon immer mehr. Gestern habe es einen
neuen bewaffneten Zusammenstoß gegeben. Dieses Mal in Cornish
al-Mazra’ah, nahe der Abdel-Nasser-Moschee, zwischen
etwa hundert (sunnitischen) Anhängern der Hariri Incorporation, d.h. der
Konzernpartei „Al Mustaqbal“, und einer Gruppe
schiitischer Amal-Milizionäre. In der
Auseinandersetzung, die mehr als eine halbe Stunde dauerte, habe es einen Toten
und ca. 20 Verletzte gegeben.
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügung
in eckigen Klammern:
Antifa-AG
der Uni Hannover