Antifa-AG
der Uni Hannover:
Eine interessante und erstaunliche Entwicklung ist seit
geraumer Zeit in der (mehr oder weniger) “linken” und “linksradikalen”
Szene sowie den Resten der sozialen Bewegungen zu beobachten: Je offener und
aggressiver die herrschende Klasse ihre Interessen durchsetzt, je mehr der
Neoliberalismus triumphiert und die imperialistischen Staaten außenpolitisch zu
Krieg, Kanonenbootpolitik und Kolonialismus zurückkehren und daraus auch verbal
keinen Hehl machen, umso zahnloser, braver und spießbürgerlicher wird die “Linke”
und die Mehrheit der noch vorhandenen Bewegungsreste. Nicht nur, dass Begriffe
und strategische Ansätze wie Antizionismus, Antiimperialismus und neuerdings
auch der Antikolonialismus tabuisiert oder (man höre und staune!) als der
Realität widersprechend verworfen werden und z.B. der angeblich “linksradikale”
Verbund “Interventionistische Linke” bei der
Mobilisierung gegen den G8-Gipfel im Juni 2007 in Heiligendamm nur noch die
Auswüchse des Kapitalismus bekämpfen und eine “solidarische Globalisierung
von unten” erreichen will. Dialektisches Denken wird von vielen inzwischen komplett
abgelehnt.
Das “weit verbreitete Denken in Gegensätzen” ist der
neue Feind. “Dieses Schwarz-Weiß-Denken beinhaltet stets eine Aufwertung des
einen Pols durch Abwertung des anderen Pols.” (Die materialistische
Erkenntnistheorie mit ihrem “naturwissenschaftlich gestützten
Wahrheitsanspruch” wird im übrigen gleich mit
entsorgt.) Das neue Ziel dieser, zu allen gesellschaftlichen Widersprüchen
“äquidistanten”, Zeitgenoss(inne)n ist “ein
wirklich solidarisches Miteinander”, dass die “im gegenwärtigen
Kapitalismus” bedauerlicherweise herrschende “profitorientierte
Ausbeutung” und gelegentliche “soziale Notlagen” überwindet. Die
viel beschworene “Emanzipation” entpuppt sich bei näherem Hinsehen als
die x’te Neuauflage sozialliberaler Politik, denn “für
eine emanzipatorische Politik läge die Aufgabe darin (...) gleiche
Ausgangsbedingungen zur Gewährleistung eines gleichen Zugangs zu Ressourcen
zu schaffen.” Non-Profit-Ausbeutung
und kapitalistische Chancengleichheit bei der Konkurrenz der Ich-AG’s als neue Utopie. Wen würde das nicht glücklich
machen?
(Alle kursiven Zitate im vorangegangenen Absatz stammen aus
dem Aufruf “Für ein feministisches Come-Back”
zur Demonstration am 2.9.2006 in Hannover, die beiden Hervorhebungen von uns;
siehe: www.ladyfest-hannover.de)
Auch wenn es den Sozialpartner(inne)n aller Couleur
missfällt, so folgt die Entwicklung der real-existierenden
Klassengesellschaft ihren Blütenträumen doch nicht und bleibt “polarisiert”.
(Und nicht bloß in “öffentliches und privates Leben”, wie die Autorinnen
des obigen Aufrufs meinen!) Beleg dafür ist u.a. die
zunehmende Repression des bürgerlichen Staates selbst in ganz normalen
Tarifauseinandersetzungen. Das jüngste Beispiel dafür kommt aus der Schweiz, wo
die ehemals heilige Sozialpartnerschaft zunehmend der Vergangenheit angehört.
Dies erfuhr nun auch die staunende Führung des Gewerkschaftsbundes Unia (und die des konkurrierenden SGB), die wegen einer
Streikaktion während der Bautarifrunde im November 2002 vom Bezirksgericht
Baden zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, wie die “Neue
Zürcher Zeitung” (www.nzz.ch) vom 24.8.2006 berichtet.
Die Unia-Führung
ist vom Bezirksgericht Baden wegen der Baregg-Blockade
vom 4. November 2002 zu bedingten Gefängnisstrafen von 14 Tagen und Bussen
verurteilt worden. Die Gewerkschaft bezeichnete die am Mittwoch veröffentlichten
Urteile gegen Vasco Pedrina, Hansueli Scheidegger,
Rita Schiavi und Michael von Felten
als inakzeptabel.
(ap) Das Badener
Bezirksgericht beurteile die Streikaktion als «nicht verhältnismässig»
und stehe damit im Widerspruch zu den Entscheiden verschiedener anderer
Gerichte, die in gleich gelagerten Fällen Freisprüche ausgesprochen hätten,
teilte die Gewerkschaft mit. Dies sei eine Einschränkung des verfassungsmässig garantierten Streikrechts. Immerhin habe
der Badener Bezirksrichter das Strafmass von ehemals 20 auf 14 Tage Gefängnis
bedingt reduziert und auch das Verfahren gegen 14 weitere Unia-Sekretäre
eingestellt. Dies sei ein wichtiger Teilerfolg. Die Verurteilten wollen nun in
Absprache mit Unia-Gremien über einen Weiterzug des
Urteils entscheiden.
Unia-Co-Präsident Pedrina hatte am
(gestrigen) Dienstag vor Gericht nochmals betont, dass die Aktion wegen des
flagranten Vertragsbruchs des Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV) im
Zusammenhang mit der Frühpensionierung unausweichlich geworden sei. Der Streik
sei insgesamt legitim und notwendig gewesen und habe bereits acht Tage später
zur Einigung mit den Baumeistern über die ursprünglich vereinbarten Eckwerte
geführt. Pedrina wurde vor Gericht vom Präsidenten
des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), SP-Nationalrat Paul Rechtsteiner verteidigt.
Der SGB sprach am Mittwoch von einer «falschen
und schwer verständlichen Wertung» des Gerichts. Es habe das verfassungsmässige Recht auf Streik relativiert und
verantwortungsbewusste Streikführer kriminalisiert. Was bei einem Sieg der Fussballnation in Kauf genommen werde - die Blockade des
Verkehrs während Stunden durch begeisterte Fans - solle bei einem von der
Verfassung geschützten Streik unverhältnismässig und
eine kriminelle Handlung sein, wunderte sich der SGB.
Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) begrüsste dagegen das Urteil gegen die Gewerkschafter. Das
Gericht habe damit der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer und dem öffentlichen
Gut «Ruhe und Ordnung» höhere Bedeutung als dem «Recht auf Streik zur Unzeit
auf irgendeinem Platz oder Strassenstück»
beigemessen. Die Gewerkschafter hätten mit dem damaligen Streik die vertraglich
vereinbarte Friedenspflicht klar verletzt. Es sei zu hoffen, dass die
Gewerkschaften nun künftig auf offensichtlich widerrechtliche Streikmassnahmen verzichteten.
Anmerkung:
“SP-Nationalrat” = Abgeordneter im Schweizer Bundesparlament für die
Sozialdemokratische Partei.
Vorbemerkung und Anmerkung:
Antifa-AG der Uni Hannover