Gewerkschaftsforum Hannover:
Aufgrund der Tatsache, dass die Schweiz aus mehreren Sprachgruppen
besteht, verfügen die Schweizer Gewerkschaftsbünde über eine „Doppelspitze“.
Die erst im Oktober 2004 aus einer Fusion des SMUV, der GBI, der VHTL und
kleinen Dienstleistungsgewerkschaft actions entstandene Unia (mit
200.000 Mitgliedern hinter dem SGB zweitgrößte und relativ gesehen die
kämpferischste Gewerkschaftszentrale der Schweiz) hielt Anfang Dezember 2006 in
Bern ihre Delegiertenversammlung ab und wählte für den ausscheidenden Vasco
Pedrina (einen ehemaligen Trotzkisten) Andreas Rieger zum neuen Co-Vorsitzenden.
Die wichtigsten Ergebnisse der Delegiertenversammlung fasste die „Neue
Zürcher Zeitung“ (www.nzz.ch) in
dem folgenden Artikel vom 2.12.2006 zusammen. Ein ausführliches
Interview der Unia-Zeitung „Work“ mit Vasco Pedrina , das eine Art Resümee
seiner Arbeit und seiner gewerkschaftspolitischen Vorstellungen darstellt,
findet sich online unter http://www.workzeitung.ch/tiki-read_article.php?articleId=419
Andreas
Rieger wird neuer Co-Präsident der Gewerkschaft Unia. Die Delegierten wählten
den 54-Jährigen am Samstag in Bern zum Nachfolger von Vasco Pedrina. Rieger
kündigte neue Kampagnen an - und attackierte gleich die Migros.
(sda) Die
Delegiertenversammlung wählte Rieger mit 107 von 111 möglichen Stimmen, wie die
Gewerkschaft Unia mitteilte. Gemeinsam mit Renzo Ambrosetti wird er zukünftig
die Unia leiten. Er nimmt den Platz von Vasco Pedrina ein, der im August seinen
Rücktritt auf Ende Jahr bekannt gegeben hatte.
Pedrina wurde
an der Delegiertenversammlung für seine Verdienste um die Gewerkschaftsbewegung
geehrt. Wie kaum ein anderer habe er die Gewerkschaften in den vergangenen 15
Jahren geprägt, heisst es im Communiqué. Er bleibt der Unia als Ausbildner
erhalten.
Andreas
Rieger setzte sich in seiner Antrittsrede für eine mobilisierungsstarke,
intelligente, junge und vermehrt weibliche Unia ein. Die Gewerkschaft der
Zukunft müsse nahe bei den Menschen und gleichzeitig international vernetzt
sein, sagte er. Angesichts der wachsenden Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft
brauche es eine starke Unia. Vielen Arbeitgebern fehle der nötige Respekt
gegenüber den Angestellten. Davon zeugten die Weigerungen, die Beschäftigten an
der guten Wirtschaftslage zu beteiligen und die Bestrebungen, die Arbeitsverhältnisse
unsicherer und schlechter auszugestalten.
Die
Delegierten beschlossen, im nächsten Jahr mit einer Kampagne gegen diese
«Respektlosigkeit» zu kämpfen. Wie Rieger in einem Interview mit der
«SonntagsZeitung» erklärte, stehen im Zentrum der Kampagne die Temporärarbeit,
Tieflöhne und die Arbeit auf Abruf. Die Temporärarbeit sei ein zunehmendes
Problem, sagte Rieger. Sie werde vielfach benützt, um gesamtarbeitsvertragliche
Regelungen zu unterlaufen. Bei den Tieflöhnen fordere die Unia einen
Mindestlohn von 20 Franken pro Stunde.
Auch Arbeit
auf Abruf sei in vielen Fällen illegal. Arbeitnehmer hätten das Recht, 14 Tage
im Voraus zu wissen, an welchem Tag sie arbeiten müssten. «Wenn man die Leute
zu Hause warten lässt oder sie nach Hause schickt, muss dies entschädigt
werden.» Ein grosses Thema sei Arbeit auf Abruf zum Beispiel bei der
Migros. «Wir sind überzeugt: Einzelne Verträge der Migros sind illegal», sagte
er. Die Migros widersprach umgehend: Der Vorwurf Riegers sei völlig unhaltbar
und reine Polemik, heisst es in einer Stellungnahme in der «SonntagsZeitung».
Rieger kann
für sein neues Amt aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen. Er ist seit 25
Jahren gewerkschaftspolitisch aktiv und bekleidete in verschiedenen
Gewerkschaften Führungspositionen. Seine Karriere startete er 1981 als
Präsident der Gruppe Privatkliniken der Zürcher Sektion des Verbands des
Personals öffentlicher Dienste VPOD.
1991
wurde er Präsidial- und Bildungssekretär der Gewerkschaft Bau und Industrie
(GBI). Ab dem Jahr 2000 amtete er als Geschäftsleitungsmitglied der GBI. Er ist
einer der Wegbereiter des Zusammenschlusses zur Grossgewerkschaft Unia. Rieger
war auch verantwortlich für einige der wichtigsten gewerkschaftlichen
Kampagnen. Dazu gehörte die Forderung nach dem Mindestlohn von 3000 Franken für
alle Beschäftigten.
Vorbemerkung:
Gewerkschaftsforum Hannover