Antifa-AG der Uni Hannover:

 

Am Mittwoch, den 26.Juli 2006 fand in Rom eine internationale Libanon-Konferenz statt, deren „vordringliches Ziel“, laut dem mitte-linken italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi, der als Gastgeber fungierte, eine „Waffenruhe“ und die „Entschärfung der humanitären Krise in dem Land“ sein sollte. Tatsächlich handelte es sich um ein Stelldichein der wichtigsten imperialistischen Mächte USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Kanada und Deutschland plus Russland als neokapitalistischem Juniorpartner (allesamt G 8), Spanien sowie der imperialistischen Statthalter in der Region, d.h. Ägypten, der Türkei und den beiden Feudalregimen Jordanien und Saudi-Arabien (immerhin das islamistisch-fundamentalistischste und „mittelalterlichste“ Regime dort). Aber natürlich durften auch Vertreter der Europäischen Union, der UNO und der Weltbank nicht fehlen. Aus dem Libanon hatte man den pro-westlichen Ministerpräsidenten Siniora sowie den Großkapitalisten Saad Hariri (politischer und ökonomischer Erbe des im Februar 2005 von Unbekannten ermordeten „libanesischen Berlusconi“ Rafiq al-Hariri) von der Hariri Incorporated hinzu gebeten. Neben dem rechtsradikalen Falangistenführer Samir Geagea und dem aus dem linken Lager übergelaufenen Drusenführer Walid Jumblatt sind das die beiden wichtigsten pro-imperialistischen Protagonisten im Zedernland.

 

Das Ergebnis dieser „Friedenskonferenz“ war das genaue Gegenteil all der salbungsvollen Reden und einlullenden Ankündigungen. Sie brachte nicht nur keinen „Frieden“, sondern stellte – laut der bis dato alles andere als Israel-kritischen „Süddeutschen Zeitung“ vom 28.7.2006 – „Israel“ einen „Freibrief für Libanon-Offensive“ aus. Israels (Selbst-)Justizminister Haim Ramon fasste das Ergebnis im zionistischen Militärrundfunk treffend so zusammen: „Gestern in Rom haben wir faktisch die Erlaubnis erhalten, unsere Operationen so lange fortzusetzen, bis die Hisbollah nicht mehr im Südlibanon präsent und entwaffnet ist.“ (SZ 28.7.2006)

 

Daran änderte selbst der gezielte Mord an vier UNO-Beobachtern im Südlibanon durch die israelische Luftwaffe nichts. Die finnische Regierung (derzeit EU-Ratspräsidentin) bestellte wegen der Ermordung ihres Offiziers nicht einmal den israelischen Botschafter zum Protest ein. Neben dem Abschlachten von bisher rund 750 Libanesen (Stand: 30.7.2006) sind die neokolonialen „Zivilgesellschaften“ offenbar auch bereit diesen Preis für den von Condoleezza Rice geforderten „Neuen Mittleren Osten“ zu zahlen. Und auch die israelischen Luftangriffe auf Hilfskonvois gehen munter weiter, wie die ARD-Tageschau am 28.7.2006 auf ihrer Website meldet (http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5753526_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html).

Für Prodi, D’Alema, Bertinotti & Konsorten, also für die Helden der italienischen Mitte-„Linken“ ist diese Friedhofskonferenz neben der Weiterfinanzierung des Kolonialtruppeneinsatzes in Afghanistan, die am Tag darauf mit Hilfe der „Vertrauensfrage“ durch den Senat gepeitscht wurde, schon der zweite große Blutfleck auf den ach so weißen Westen. Und das in nicht einmal drei Monaten Regierungszeit! Da wird es langsam Zeit sich Schlachterkittel überzuziehen. Wär’ doch schade um die schönen Brioni-Anzüge

 

Mit den imperialistischen Zielen im Libanon und der Frage, was die neu gewählte Mitte-Links-Regierung (samt der gegenüber Widerstandsbewegungen so gern auf „Gewaltfreiheit“ pochenden Führung von Rifondazione Comunista) da eigentlich tut, beschäftigt sich der folgende Hintergrundartikel der unabhängigen linken Tageszeitung „il manifesto vom 25.7.2006.

 

Analyse:

 

Eine Friedenstruppe oder eine für die „Drecksarbeit“?

 

Gipfeltreffen in Rom. Die Gefahr besteht in der Entsendung von Soldaten zur Verteidigung der von Israel allein beschlossenen, einseitigen Grenzziehung (d.h. der militärischen Besetzungen).

 

STEFANO CHIARINI

 

Der brutale Angriff auf den Gaza-Streifen, die harte Repression in der West Bank und die neue Zerstörungsinvasion im Libanon beweisen – in ihrer Tragik – das Scheitern der israelischen Politik der „einseitigen Rückzüge“ und der Ablehnung von Verhandlungen mit der Gegenseite, die zu einem Tausch „Frieden gegen Territorien“ führt, durch Tel Aviv. Die zentralen Punkte dieser mit Nachdruck von der Bush-Administration und einem Großteil der EU unterstützten Politik waren: das Ende des Verhandlungsprozesses, die Nicht-Anerkennung der legitimen Vertreter des palästinensischen Volkes, die Gleichsetzung des Widerstandes mit Terrorismus, die Verhinderung der Gründung eines echten palästinensischen Staates, indem Israel einen Großteil der West Bank mitsamt Ost-Jerusalem annektierte und die Palästinenser in, von einer Mauer umgebenen „Indianerreservaten“ konzentrierte sowie die Destabilisierung des syrischen Regimes, die Einsetzung einer mit den USA verbündeten Regierung in Beirut und die Aufrechterhaltung der Kontrolle der Shebaa-Höfe (libanesische Enklaven an den Abhängen des Berges Hermon) und vor allem des syrischen Golan. Alles andere als eine Reaktion auf die Gefangennahme der Soldaten!

 

Diese Strategie der Ablehnung des internationalen Rechts (p.s. die Unrechtmäßigkeit der Aneignung von Territorien mit Hilfe von Gewalt) und die Durchsetzung der eigenen Eroberungen mit Hilfe von Waffengewalt und der einseitigen Festlegung „zeitweiliger Grenzen“ verletzt die Bestrebungen und die legitimen Rechte des palästinensischen Volkes, des Libanon und Syriens und man muss sich nicht wundern, dass das von denjenigen abgelehnt wird, die den Preis dafür zahlen sollen und dass dies nicht zu einem Ende der militärischen Operationen des palästinensischen und des libanesischen Widerstandes geführt hat. Angesichts dieser Ablehnung hat die israelische Regierung im Einklang mit den USA versucht, jedwede Opposition gegen ihre Annexionspläne zu liquidieren und ein Problem von solcher Tragweite mit Waffengewalt zu lösen. Diese tragische Illusion wurde nicht nur von den Vereinigten Staaten genährt, sondern auch von Europa und zum Teil auch von der UNO, die Tel Avivs einseitige Rückzüge abgefeiert haben als wären es Schritte hin zum Frieden und die die legitime palästinensische Regierung nicht anerkannten. Während sie <gleichzeitig> im Libanon den Versuch unterstützten, die Entwaffnung des palästinensischen und des libanesischen Widerstandes durchzusetzen, indem sie diese von einem israelischen Rückzug aus den besetzten Gebieten abkoppelten. Um einen derartigen Prozess zu realisieren, setzten EU und USA alles auf die sunnitisch-saudische Komponente (die Hariri Inc. mit dem Ministerpräsidenten Fouad Siniora), auf die israel-freundliche christliche Ultrarechte und den Drusenführer Walid Jumblatt.

 

Diese Operation scheiterte an der Stärke der Hisbollah im Land und im Parlament, an der Ablehnung des schiitischen Bevölkerungsteils zu Vorhaben wie zu den Zeiten der christlich-sunnitischen Achse zurückzukehren, die sie immer von der Macht ausgeschlossen hatte, und am Bündnis des christlich-maronitischen Ex-Generals Michel Aoun, des Verfechters eines nicht-konfessionellen Nationalismus, mit der Hisbollah (die 40% der Bevölkerung repräsentiert) sowie mit bedeutenden sunnitischen und drusischen Kreisen. An diesem Punkt gaben die USA Israel grünes Licht für die Zerschlagung des Widerstandes und dafür das Land in einen neuen Konflikt zu stürzen, aus dem eine kollaborationistische Regierung hervorgehen sollte, die zum Verzicht auf die Rückgabe der von Israel besetzten Gebiete und zur Mitarbeit an der Destabilisierung Syriens bereit ist.

 

Der politisch-militärische Teil der Nachkriegsoperation (nach der Besetzung und Zerstörung des Südlibanons durch Israel) könnte durch eine Art von NATO-EU-USA & Saudi-Mandat verwirklicht werden und durch die Entsendung einer militärischen Streitmacht, die die „Drecksarbeit“ der Zerschlagung des Widerstandes für Tel Aviv erledigen soll. Das Endziel bestände darin zu einem Separatfrieden zwischen Israel und dem Libanon zu gelangen, um so die Besetzung der West Bank und des Golan (sowie der Shebaa-Höfe) zu konsolidieren und sowohl die Palästinenser als auch Damaskus zu isolieren.

 

So muss man sich nicht wundern, dass der von der italienischen Regierung gemachte Vorschlag einer „Friedenstruppe“ (einer schlechten Kopie des US-Planes von 1996) zur Verteidigung der israelischen Grenze, zur Durchsetzung der Entwaffnung der Hisbollah und zur Besiegelung der Grenzen gegenüber Damaskus in Washington und Tel Aviv positiv aufgenommen wurde. Die morgen in Rom stattfindende Konferenz, auf der die Forderungen des libanesischen und des palästinensischen Widerstandes nach einem israelischen Rückzug aus den besetzten Gebieten und einem Gefangenenaustausch keine Berücksichtigung finden (ja nicht einmal die syrischen bezüglich des Golan) präsentiert sich als ein neues Kapitel jener, bereits in den vergangenen Monaten gescheiterten, „unilateralen“ Politik, die darin besteht den angeblich Besiegten die amerikanischen und israelischen Diktate aufzuzwingen.

 

Warum sollten der palästinensische und der libanesische Widerstand – genau wie Syrien – die Ergebnisse von Verhandlungen respektieren, in die sie nicht einbezogen wurden?  Wie ist es möglich, ein bewaffnetes Kontingent, dass die Aufgabe hätte, die Hisbollah zu bekämpfen, als „Friedenstruppe“ zu bezeichnen?  Wie kann eine Mitte-Links-Regierung unsere Soldaten in den Tod schicken, um die israelische Besetzung des Golan, der Shebaa-Höfe und Cisjordaniens zu verteidigen und dann auch noch von Frieden reden?

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover