Antifa-AG der Uni Hannover:
In der hiesigen
Linken herrschte und herrscht zuweilen Rätselraten über den Schlingerkurs
Frankreichs in Bezug auf den internationalen „Schutztruppeneinsatz“ unter UN-Flagge im Libanon. Ebenso war
manchem der Unterschied zwischen einem französisch und einem italienisch
geführten Militärkontingent dort nicht klar. Ohne diesen neuerlichen (versuchten)
Kolonialtruppeneinsatz in irgendeiner Weise schön zu reden, lässt sich jedoch
feststellen, dass die ab- und zunehmende Bereitschaft der Pariser Regierung zum
Engagement im Zederstaat zum einen mit der Frage verbunden war, ob es sich um
ein „robustes“ (sprich: eindeutig
aggressives und blutiges) Mandat handelt oder ob die „Schutztruppen“ und ihre Entsender sich
eher aufs Lavieren & Taktieren verlegen und nicht in jedem Fall aufs
Bajonett setzen. Zum anderen spielte hier die sehr geringe „Begeisterung“ der allermeisten Libanesen (aufgrund der frz.
Kolonialvergangenheit) eine nicht geringe Rolle. Und drittens ist bei der „Führungsmacht“ Italien jedem klar, dass
die militärischen Kapazitäten Italiens und die politischen Möglichkeiten der
Regierung Prodi-D’Alema in Sachen Gewaltanwendung
sehr viel begrenzter sind. Dennoch ist die weitere Entwicklung im Libanon
längst nicht klar, wie u.a. der andauernde Streit über
die Vorgehensweise unter den führenden Leuten in Paris zeigt. Der von uns hier
dokumentierte entsprechende Bericht von Rainer Rupp erschien
im „Neuen
Deutschland“ vom 21.9.2006
(siehe die ND-Website http://www.nd-online.de/).
Die erfolgreiche
Massenkundgebung der Hisbollah am Freitag, den 22.September, an der (laut der „FAZ“-Website vom selben Tag; siehe http://www.faz.net/s/Rub9854F8E42EB34E39AC7626E80CC96509/Doc~E11E51335DF554E05BD45CCE786B738B3~ATpl~Ecommon~Scontent.html)
– bei einer Gesamtbevölkerung von rund vier Millionen Menschen – „hunderttausende Anhänger“ teilnahmen!) dürfte
den Eifer von Chirac & Co. etwas gebremst haben. Die Stunde der Wahrheit
wird nach Chiracs eigenen Worten allerdings erst in einigen Monaten kommen. Einem
Bericht der großen linksliberalen italienischen Tageszeitung „la Repubblica“
vom 11.9.2006 zufolge sagte Chirac beim Europa-Asien-Gipfel in Helsinki im
Gespräch mit dem spanischen Ministerpräsidenten Zapatero,
ohne zu wissen, dass die Mikrophone nicht alle abgeschaltet waren: „Meines Erachtens wird es zwei oder drei
Monate lang keine Probleme geben, weil die Hisbollah ein bisschen geschwächt
ist. Aber in drei, vier oder fünf Monaten könnte es gefährlich werden. Was die
Zukunft angeht, bin ich ein bisschen besorgt.“ Chirac habe dann
hervorgehoben, dass „viel vom Verlauf der
Verhandlungen mit dem Iran über sein Atomprogramm abhängen wird“.
Vergessen
werden sollte hierzulande auch nicht, dass nicht nur Italien (3.500 Soldaten),
Frankreich (2.000) und Spanien (1.100) an diesem Militäreinsatz beteiligt sind,
sondern auch die BRD (2.400 Mann) und dass – ganz im Sinne der größtmöglichen Geschlossenheit
der „deutsch-französischen Achse“ – die
Merkel-Müntefering-Regierung bereits einen „robusten“
Marineeinsatz vor der libanesischen Küste angekündigt hat, der bei der Hisbollah,
der libanesischen KP, der größten christlichen Partei FPM von Michel Aoun und selbst dem pro-westlichen Ministerpräsidenten Siniora auf ebenso wenig Gegenliebe gestoßen ist wie
Jacques Chiracs Pläne.
Franzosen im UNIFIL-Dilemma
Entwaffnung der Hisbollah
wird zur Gretchenfrage der Waffenstillstandstruppen in Libanon
Von
Rainer Rupp
Während
die französische Verteidigungsministerin Michele Alliot-Marie
zu Wochenbeginn ihre Truppen in Südlibanon besuchte, forderte Staatspräsident Jacques
Chirac in einem Interview mit Radio Europe-1 erneut die Entwaffnung der
Hisbollah durch die UNO-Waffenstillstandstruppen in Libanon (UNIFIL). Zur
gleichen Zeit erklärte dagegen der Kommandeur der UNIFIL, der französische Generalmajor
Alain Pelligrini, dass »es nicht die Aufgabe der UNIFIL« sei, »die Hisbollah zu entwaffnen«. Vielmehr sei das »eine rein libanesische Angelegenheit«.
Damit vollzog General Pelligrini
eine 180-Grad-Wende, denn noch letzten Donnerstag hatte er die gewaltsame
Entwaffnung der Hisbollah durch die UNIFIL angedroht, »wenn das die libanesische Armee nicht tut, … egal welche Folgen das
für die libanesische Regierung haben könnte«. Mit der letzten Bemerkung
spielte Pelligrini darauf an, dass
Hisbollah zwei Minister in der zersplitterten libanesischen Regierung von Fouad Siniora
stellt und diese auseinander brechen würde, wenn die Siniora-Fraktion
offen UNIFIL-Operationen gegen die Hisbollah unterstützen würde.
Als Warnung für Siniora hatte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah in der vorigen Woche
erklärt, dass niemand seine Organisation »daran
hindern könnte, ihr angestammtes Gebiet in Südlibanon
zu verteidigen«. Danach erklärte der Hisbollah-Chef in Südlibanon, Nabil Qaouk, dass
seine Organisation keine Probleme mit UNIFIL habe, solange diese Libanon gegen
israelische Angriffe verteidige. Andere Hisbollah-Mitglieder wie der
Bürgermeister des südlibanesischen Hisbollah-Dorfs Baraasheet,
Mohammed Ismail, wurden noch
deutlicher. Ismail drohte den Franzosen »noch
höhere Verluste als den Israelis« an, »falls
das französische Bataillon das zu Ende zu bringen versucht, was Israel nicht
geschafft hat.« Das ruft in Paris den
Hisbollah-Selbstmordanschlag in Beirut vom 23. Oktober 1983 in Erinnerung, bei
dem 58 französische Soldaten starben und der den Rückzug der Franzosen aus
Libanon einleitete.
Seit Beginn des jüngsten Waffenstillstandes mit Israel haben sich die
Beziehungen zwischen Hisbollah und der USA-freundlichen Siniora-Regierung
kontinuierlich verschlechtert. Vergangene Woche hat Hisbollah-Chef Nasrallah, der zur
Zeit in Libanon immer noch auf einer Popularitätswoge schwimmt, zu einer
Kabinettsumbildung oder Neuwahlen aufgerufen. Unterstützt wird er dabei von
seinem Verbündeten, dem Führer der Christlichen Oppositionspartei, Michael Aoun,
der ebenfalls ein scharfer Kritiker der anti-syrischen Politik Sinioras ist. Je nachdem, wie mächtig die
Massendemonstration ausfällt, zu der Nasrallah
für Freitag alle Libanesen nach Beirut gerufen hat, um den »Sieg über Israel« zu feiern, könnte sich der Hisbollah-Chef in
seiner Politik bekräftigt fühlen.
Vorbemerkung
und Hervorhebungen: Antifa-AG der Uni
Hannover