Antifa-AG
der Uni Hannover:
„Neue Linke gestärkt. Schwerer Schlag
gegen US-dominierten Freihandel in Lateinamerika: Staatschefs von Kuba, Venezuela
und Bolivien unterzeichneten einen ‚Handelsvertrag der Völker’.“
So lauteten die Titelschlagzeilen der „junge Welt“ vom 2.Mai 2006. Die
linke italienische Tageszeitung „il manifesto“
beschäftigte sich bereits am 30.4.2006 in einem Kommentar
mit diesem Ereignis und beleuchtet auch einige Punkte, die in der „jW“ unerwähnt blieben.
Fidel, Evo
und Chavez – die „Alternativen“
MAURIZIO MATEUZZI
Gerechten und solidarischen
Handel in großem Maßstab könnte man es nennen. Wirtschaftsabkommen, die keine
Löwen sind und der Würde der Menschen und der Länder Rechnung tragen. Aber
nicht nur das, weil es bei dem Mini-Dreier-Gipfel von Fidel Castro, Hugo Chavez und Evo Morales gestern in
Havanna einen deutlichen politischen Aspekt gab, der auf der einen Seite sehr
gut gefällt und auf der anderen als sehr beunruhigend wahrgenommen wird.
Gestern hat der Bolivianer Evo in der kubanischen Hauptstadt einen neuen Schritt in
Richtung einer Art von Integration unternommen, die eine Alternative zur
klassischen (und neoliberalen) Integration der Vereinigten Staaten und eines
Gutteils der übrigen lateinamerikanischen Staaten darstellen, auch wenn diese
eine moderate Wende nach links vollziehen. Als Evo am
Freitagabend in Havanna eintraf, erwarteten ihn Fidel und Chavez,
die er „die Kommandanten der lateinamerikanischen Befreiung“ nennt, bereits
und sprach er vom Treffen „dreier Generationen und dreier Revolutionen“.
Gestern unterzeichnete Morales den Beitritt Boliviens zur ALBA, der von Chavez lancierten und von Castro übernommenen „Bolivarianischen Alternative für die Amerikas“ und „solidaristischen“ Alternative zur ALCA, dem von
Washington angestrebten Freihandelsabkommen der Amerikas, das das
unauslöschliche Markenzeichen einer neoliberalen und neokolonialistischen Logik
trägt.
Dann unterzeichneten Castro,
Chavez und Morales den „Tratado
de comercio de los pueblos“
(TCP) <Handelsvertrag
des Volkes>, die offenkundige
Alternative zu den Handelsverträgen Made in USA, die Washington,
angesichts der Tatsache, dass der Weg zur ALCA durch das schroffe Nein
Brasiliens und Argentiniens versperrt ist, den einzelnen Ländern aufzwingt. Dem
Chile des damaligen sozialistischen Präsidenten Lagos vor ein paar Jahren, Uribes Kolumbien und Toledos Peru in diesem Jahr. (Und
darüber hinaus den fragilen Ländern Mittelamerikas, denen ebenfalls in diesem
Jahr en bloc der CAFTA aufgedrückt
wurde.) Gerade Uribes und Toledos Unterzeichnung des
Freihandelsvertrages mit den USA war der Grund, der Cavez
vor einigen Tagen dazu veranlasste, den Rückzug Venezuelas aus der CAN (der Comunidad andina de naciones – der Andengemeinschaft) anzukündigen, die
auch Bolivien und Ecuador umfasst.
Mit der Idee eines
Handelsabkommens „der Völker“ hofft Evo darauf
die Bombe des Freihandelsvertrages zu entschärfen, die die Amerikaner Bolivien
zunächst (als im Palacio Quemado in La Paz noch nicht der Indio- und
Kokabauern-Präsident saß) vorgeschlagen hatten bzw. aufdrücken wollten und der
Gefahr läuft, auch ihm in dem Augenblick in den Händen zu explodieren, in dem
nicht nur die weiße bolivianische Oligarchie ihn will, sondern auch Teile des
Volksbündnisses, das im Dezember für den Movimiento
al socialismo <Bewegung zum Sozialismus – MAS> gestimmt hat.
Mit dem Handelsvertrag des
Volkes, der sich perfekt in den Geist der ALBA einfügt, wird Evo nicht nur mit unterzeichneten Blättern Papier und guten
Absichten nach La Paz zurückkehren. Chavez hat sich nämlich (zusammen mit
Castro) dazu verpflichtet, die gesamte bolivianische Soja-Produktion „zu
gerechten Preisen“ aufzukaufen, die aufgrund des Beitritts Kolumbiens zum
Freihandelsvertrag unvermeidlich den durch sehr viel preiswertere (wenn auch
genmanipulierte) Gringo-Soja überschwemmten
kolumbianischen Markt verloren hätte. Dasselbe gilt für die (legalen)
Kokablätter und für das Obst. Chavez hat sich auch
dazu verpflichtet die bolivianischen Klein- und Mikro-Unternehmen zu
finanzieren, während Kuba (genauso wie gegenüber Venezuela im Austausch für
90.000 Barrel Öl pro Tag) sein anerkanntes „Kapital“ auf Gebieten wie
der Bildung und der Medizin einsetzen wird.
Die bolivianische (und die
venezolanische) Opposition tat die „alternativen“ Abkommen von Havanna
als „einen sozialistischen Pakt“ ab. Übertrieben und wutentbrannt wie
immer. Um festzustellen, ob sie funktionieren, wird man allerdings abwarten
müssen. Sicher ist, dass es mit Chavez’ Erdöl im Tank
ein ermutigender Anfang ist.
Vorbemerkung, Übersetzung und
Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG
der Uni Hannover