Antifa-AG der Uni
Hannover:
Der
Bereich um die Zeitschrift „Progetto Comunista“ (Kommunistisches Projekt) und
ihre Vorgängerin „Proposta“ (Vorschlag), der auf dem letzten Parteitag noch
rund 10% (vorher 17%) der Delegierten stellte, hat sich selbst zum offiziellen
linken Flügel des Partito della Rifondazione Comunista (PRC) erklärt. Nach
Bertinottis rüdem Linienschwenk Richtung absoluter Regierungsfähigkeit muss man
ihn wohl eher als den äußersten linken Flügel bezeichnen, da neben ihm auch die
Gruppe um die Zeitschrift „Falce Martello“ (Hammer und Sichel; 2% auf dem
letzten Parteitag) und der sehr traditionalistische Bereich um „l’Ernesto“ (ca.
30%) zur Linksopposition gegen die Parteiführung unter Fausto Bertinotti
zählen. Selbst die „ERRE“ (früher „Bandiera Rossa)“-Strömung, d.h. die
italienische Sektion der offiziellen 4.Internationale, die noch immer der
Parteimehrheit angehört und zahlreiche führende Funktionäre und Abgeordnete
stellt (wesentlich mehr als ihrem innerparteilichen Gewicht entspricht),
versucht sich neuerdings in einer recht ambivalenten Oppositionsrolle.
Die
„Progetto Comunista“-Gruppe ist linkstrotzkistischen Ursprungs und neben dem argentinischen
Partido Obrero (Arbeiterpartei – PO) die größte Mitgliedsorganisation der
International Trotzkist Opposition (ITO), die für die Gründung einer neuen,
revolutionären 4.Internationale eintritt. Die inhaltlichen Positionen von „Progetto
Comunista“ fasst das Editorial aus der Nr.5 vom Februar
2004 zusammen, das der führende Kopf der Gruppe, Marco Ferrando, verfasste.
Auch wenn der Parmalat-Skandal derzeit etwas aus den Schlagzeilen ist, hat es
kaum an Aktualität verloren. (Soweit es unsere Zeit zulässt, werden wir
demnächst die Übersetzung des Dokumentes nachreichen, das „Progetto Comunista“
nach den Europawahlen verfasste.)
Entweder mit den Arbeiterstreiks
oder mit den mit Parmalat befreundeten Bankiers
von Marco Ferrando
Der Herbst 2003 hat – von
den Kämpfen der Straßenbahn- und Busfahrer über Romano Prodis <politisches> Manifest bis hin zu den Ereignissen bei Parmalat –
einmal mehr die unterschiedlichen sozialen Seiten der Opposition gegen
Berlusconi geklärt. Einerseits jene der Arbeiter und ihrer Kämpfe, andererseits
diejenige der Großunternehmen, ihrer Programme und ihrer Geschäfte.
Und wieder einmal sind alle
politischen und gewerkschaftlichen Kräfte der Arbeiterbewegung (der PRC
eingeschlossen) zu einer grundlegenden Entscheidung aufgerufen: Entweder auf
dieser oder auf jener Seite zu stehen. Entweder die Möglichkeiten / Potentiale
einer sozialen Explosion bis zum Letzten zu entwickeln und zu vereinen oder die
politischen Operationen der Bourgeoisie zu unterstützen, die darauf
ausgerichtet sind, die Lunte auszutreten. Dazwischen kann man nicht stehen. Und
diese Entscheidung erfasst das gesamte politische Szenario, seine Gegenwart und
seine Zukunft.
Spontane Streiks: eine exemplarische
Tatsache, ein Potential der Revolte
Die Rebellion von Scanzano <gegen die massenhafte
Einlagerung von Atommüll nahe der erdbebengefährdeten Kleinstadt in der
süditalienischen Region Basilicata>,
die Revolte der Straßenbahn- und Busfahrer, der harte Kampf der
Alitalia-Beschäftigten (und die genauso harten Kämpfe der Metallarbeiter in der
Emilia Romagna) stellen in ihrer Gesamtheit ein wertvolles Signal dar. Mehr als
ein Jahr nachdem sich der Zyklus von Mobilisierungen, die unter der Hegemonie
von <ex-CGIL-Generalsekretär> Cofferati standen, erschöpft hat, manifestiert sich
ein neues Potential für den Aufschwung des Klassenkampfes auf einem Gebiet und
in Formen, die weitaus radikaler sind und deren bürokratische Kontrolle
objektiv geringer ist. Was verbindet so unterschiedliche Kampferfahrungen miteinander
? Der Bruch mit den Regeln, die
Ablehnung der alten bürokratischen Tradition der rituellen und symbolischen
Kalenderstreiks sowie der Einsatz der Massenkraft als zentraler Hebel der
Auseinandersetzung. Und mehr noch: In allen diesen Fällen hat gerade die <grundlegende> Veränderung der Kampfformen – wenn auch auf
unterschiedliche Weise – erste Ergebnisse erzielt und einen Ansteckungsfaktor
dargestellt. Unter den Straßenbahn- und Busfahrern hieß es: „Machen wir es
wie in Scanzano !“ und unter den Alitalia-Beschäftigten hieß es: „Machen
wir es wie die Straßenbahn- und Busfahrer !“ Im Kleinen ist das eine
wertvolle Lektion, die die Massenpsychologie und das Gedächtnis der Klasse
beeinflussen kann. In letzter Konsequenz ist dies das Potential für die
Auslösung einer sozialen Revolte in Italien.
Pol der Freiheiten und
Olivenbaum-Bündnis angesichts der Streiks
Dass dies das Potential für
eine Wende in sich trägt, verdeutlicht der gesamte Kommentar der italienischen
Bourgeoisie. Alle Kräfte der herrschenden Klasse und ihre Presse fragen sich
besorgt, wie die Gefahr eines „Domino-Effektes“ abgewendet werden kann.
Die Regierung Berlusconi,
der die Revolte der Region Basilicata eine schallende Niederlage beigebracht
hat, versucht die neuen Kämpfe einzudämmen, indem sie z.T. auf die „gewerkschaftliche
Vermittlung“ vertraut und z.T. zur repressiven Drohung mit „Sanktionen“
greift. Die Waffe der Repression ist allerdings eine zweischneidige, weil sie
Gefahr läuft, die Auseinandersetzung zu radikalisieren. Und die
gewerkschaftliche Vermittlung ist bereits zur Zielscheibe der stattfindenden
Kämpfe geworden, wie man bei den Beschäftigten im Personennahverkehr gesehen
hat. Die Wahrheit ist, dass sich die Regierung, was den sozialen Konsens
anbelangt, in großen Schwierigkeiten befindet und nach der Krise des „Paktes
für Italien“ <dem im
Sommer 2002 nur von den kleineren und rechteren Gewerkschaftsbünden CISL und
UIL unterzeichneten Gegenstück zum deutschen „Bündnis für Arbeit“> ohne einen stabilen sozialpartnerschaftlichen und
Gesamtrahmen dasteht, auf den sie sich stützen kann.
Die liberale Mitte des
Olivenbaum-Bündnisses profitiert ihrerseits von Berlusconis Schwierigkeiten, um
der Karte des Regierungswechsels in den Augen der Bourgeoisie zu neuem Glanz zu
verhelfen.
Woher rühren „die
gravierenden und illegitimen, wilden Kämpfe“, wie sie <der ehemalige mitte-linke
Arbeitsminister> Tiziano Treu
(wörtlich) genannt hat ? Woher rühren
die „populistischen und anarchoiden Vorstöße“, wie die <dem Linksdemokraten
(DS)-Parteipräsidenten und ex-Ministerpräsidenten> Massimo D’Alema nahe stehende Tageszeitung „Il
Riformista“ am 24.Dezember rezitierte ?
„Von Berlusconis Willen, die Rolle und den Einfluss der
Gewerkschaftsbünde zu marginalisieren, die unersetzliche Garanten des sozialen
Friedens sind“, erklärt D’Alema. Von der Unfähigkeit der Regierung zur „Sozialpartnerschaft“
sagen unisono alle Führer der Mitte des Olivenbaum-Bündnisses. Und es ist kein
Zufall, dass gerade der strategische Vorschlag der Sozialpartnerschaft der
Opfer („flexible Beschäftigung“, neue „strukturelle Eingriffe in die
Sozialversicherung“, Neulancierung der „Liberalisierungen und
Privatisierungen“) im Mittelpunkt des Programmatischen Manifestes von
Romano Prodi steht. In Kontinuität – wie der Autor selbst im Begleitbrief zum
Manifest erklärt – „mit der Regierungszeit des Olivenbaum-Bündnisses“ <von Mai 1996 bis April 2001>.
Olivenbaum-Mitte und Gewerkschaftsapparate
arbeiten daran die Lunte auszutreten
Aber gerade um die eigene
Botschaft des Wechsels in den Augen der starken Machtzentren glaubwürdig zu
machen, braucht die liberale Mitte ihrerseits die „glaubwürdigen“
Gewerkschaftsapparate als Kontrolleure der Streiks. Was tun, wenn diese Streiks
den Gewerkschaftsapparat übergehen oder seinen Beschlüssen frontal
entgegentreten ? Hier liegt die wahre
Schwierigkeit des Olivenbaum-Bündnisses, aber auch der Grund für seine tiefe
Feindseligkeit gegen jede reale Radikalisierung der sozialen Auseinandersetzung.
Es handelt sich dabei nicht nur um die natürliche Klassenfeindschaft eines
bürgerlichen politischen Personals gegen die Argumente und die Kämpfe einer
anderen Klasse. Es handelt sich auch um eine ganz präzise politische Sorge.
Prodi und D’Alema wissen ganz genau, dass jede soziale Explosion von unten das
Terrain der Umsetzung des bürgerlich-liberalen Regierungswechsels in Unordnung
bringen würde; dass jeder Sturz Berlusconis durch einen „nicht steuerbaren“
Massenkampf die Grundlagen der künftigen Sozialpartnerschaft schwächen, die
Kräfteverhältnisse zwischen den Klassen verändern und die Gefahr beinhalten
würde, jenes geschickt geknüpfte Gewebe von Beziehungen zum Großkapital
(Großunternehmen und Großbanken Nord- und Mittelitaliens, hohe EU-Technokratie
und die wichtigsten Verlagshäuser), auf das Prodi und D’Alema ihre gesamte
Politik aufbauen, verschleißen würde.
Deshalb verurteilt die Mitte
des Olivenbaum-Bündnisses die harten Kämpfe, fordert CGIL und CISL auf, einen
Damm dagegen zu bilden und widersetzt sich jeder Urabstimmung über die
umstrittenen, von den Gewerkschaften abgeschlossenen Abkommen.
„Von der sozialen
Auseinandersetzung profitiert nur Berlusconi (zum Vorteil der gesamten
Bourgeoisie). Das Wesentliche ist die Steuerbarkeit des Konfliktes (zum Vorteil
unserer zukünftigen bürgerlichen Regierung).“ Das ist die natürliche, klassenmäßige Positionierung
der Mitte des Olivenbaumes angesichts der Gefahr einer Verallgemeinerung der
Kämpfe. Mit einer paradoxen Kehrseite: Sie schützt Berlusconi da facto vor der
einzigen Kraft, die in der Lage ist, ihn in eine Krise zu stürzen, d.h. vor der
Kraft der Arbeiterbewegung. Und sie schenken ihm so, im Augenblick seiner größten
Schwierigkeiten einen unverhofften Überlebensraum und sogar Spielraum für eine
mögliche (und zu befürchtende) Rückkehr zu alter Stärke.
Für einen lang andauernden
Generalstreik, der die Regierung Berlusconi verjagt
Hier besteht also ganz und
gar die Notwendigkeit eines Richtungswechsels der Arbeiterbewegung und zu
diesem Zweck eines grundsätzlichen Kampfes der Kommunisten und der
Klassenavantgarde insgesamt.
Während alle Kräfte der
italienischen Bourgeoisie daran arbeiten, eine soziale Explosion abzuwenden,
ist für die Arbeiterbewegung das genaue Gegenteil erforderlich: die eigenen
Kräfte in der Aktion zu vereinen, die Plattform für eine allgemeine
Mobilisierung festzulegen und eine Kraftprobe mit der Unternehmerschaft und der
Regierung mit dem ausdrücklichen Ziel einzugehen, diese zu verjagen.
Die Tageslosung der
allgemeinen Auseinandersetzung und des lang andauernden Streiks ist mehr denn
je die Antwort auf dieses Erfordernis. Die Revolte von Scanzano und die Kämpfe
der Straßenbahn- und Busfahrer haben alle ideologischen Einwände dagegen
lächerlich gemacht. Der lang andauernde Kampf ist möglich, kann für Solidarität
sorgen und kann erfolgreich sein. Nun geht es darum diese Lektion zu
verallgemeinern. In jeden Teilkampf die Perspektive dieses allgemeinen Ausweges
hineinzutragen. Auf diesem Gebiet alle politischen und gewerkschaftlichen
Vertretungen der Arbeiterbewegung herauszufordern, sie vor den Augen ihrer
Basis öffentlich zur Übernahme der Verantwortung aufzurufen.
Das Finanzkapital ist eine
kriminelle Vereinigung. „Sie sollen alle abhauen !“ Für eine Arbeiterregierung
!
Zugleich muss in die Kämpfe
aber das Erfordernis einer politischen Klassenperspektive, einer
gesellschaftlichen und Machtalternative hineingetragen werden.
Was ist der Fall Parmalat,
wenn nicht der Offenbarungseid des italienischen Kapitalismus ? Große Industriekonzerne, die Gesamtheit der
Großbanken, die Gesamtheit der sogenannten Aufsichtsbehörden (von Consob bis
zur Banca d’Italia), die 20 Jahre lang von den Werktätigen Opfer, Strenge, „Respektierung
der Gesetze“ (angefangen bei den Anti-Streik-Gesetzen) verlangt und ihnen
aufgezwungen haben, haben nicht nur einen Raub, sondern auch einem Betrug
erlebt. Das einzige Gesetz, das sie anerkennen und anerkannt haben, ist das
Profitgesetz, das in jeder bürgerlichen Gesellschaft jedes andere Gesetz
ignoriert.
Sie konnten dies dank der
Gesamtheit der politischen Vertretungen und der Deckung durch die
Institutionen, die sie genießen. Nicht nur und nicht so sehr durch den parvenu
(Emporkömmling) Berlusconi, der aus Eigeninteresse die Straffreiheit für
Bilanzfälschung durchgesetzt hat, sondern vor allem durch jenen politischen Bereich,
den das Olivenbaum-Bündnis darstellt, das Italien 10 Jahre lang regiert hat <wenn man die kurzlebigen
Regierungen vor und nach Berlusconi mitrechnet, die im wesentlichen durch die
Mitte-Linke gestützt wurden>. Der aus
den großen Familien, ihren Geschäften, ihren Firmenübernahmen und ihren
weltweiten Abenteuern 10 Jahre lang ein Heiligtum und einen geschützten Bereich
gemacht hat. Wird man sagen dürfen, dass <Parmalat.-Chef>
Callisto Tanzi `96 einer der großen Wähler <d.h. Geldgeber>
von Prodi war ? Dass <EZB-Direktoriumsmitglied> Padoa Schioppa und Spaventa in den goldenen Jahren
der Parmalat-Betrügereien Präsidenten der Consob waren ? Dass der <damalige>
Außenhandelsminister <und
heutige Linksdemokraten (DS)-Generalsekretär> Fassino in den Jahren des berüchtigten <argentinischen Ex-Präsidenten> De la Rua Verwalter und Vertreter der
Parmalat-Interessen in Argentinien war ?
Die Arbeiter können und
müssen „Basta !“ sagen.
Die Leitungsklassen des
Landes, ihre Sprecher jeder Couleur und jeder Statur müssen gehen. Es ist an
der Zeit zu sagen: „Sie sollen alle abhauen !“
Nur die Arbeiterklasse kann
die italienische Wirtschaft und Gesellschaft auf ganz neuen Grundlagen neu
begründen, indem sie mit dem Kapitalismus und seinen Gesetzen Schluss macht.
Nur eine Arbeiterregierung, die auf ihrer Stärke beruht, kann die Welt der Arbeit,
die Konsumenten und die kleinen Sparer von der kriminellen Vereinigung
Finanzkapital befreien.
Die Alternative ist entweder
diese oder keine.
Der Kampf um die Klassenautonomie –
in der CGIL und in den Kämpfen
Gerade die Verknüpfung der
Verallgemeinerung der Kämpfe mit der politischen Klassenalternative bringt
erneut das entscheidende Problem der Autonomie der Arbeiterbewegung ins Spiel.
Und weist auf die Politik ihrer gegenwärtigen Führungen hin.
Man kann nicht im Namen der
Werktätigen, der Bewegung und des Kampfes sprechen und sich gleichzeitig mit
ihren Klassenfeinden und den Paladinen des sozialen Friedens verbünden. Man
kann nicht formal die „Alternative“ und „die Kritik des Kapitalismus“
auf seine Fahnen schreiben und dann die Bildung eines Regierungsblockes mit den
gehobenen Salons der Olivenbaum-Bankiers anstreben, die Freunde von Parmalat
sind.
Wir bekräftigen es: Entweder
hier oder dort !
Deshalb steht der Kampf für
den Bruch der Arbeiterbewegung mit der bürgerlich-liberalen Mitte in der CGIL,
im PRC und in jeder Kampfdynamik, mehr denn je auf der Tagesordnung.
Progetto Comunista engagiert
sich mit allen seien Energien in diesem Kampf.
14.1.2004
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover