Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Zum
„Abbruch“ bzw. der „Aussetzung“ (je nach Lesart) der Lohntarifverhandlungen im
italienischen Metallsektor brachte die linke Tageszeitung „il manifesto“ am 17.12.2005 den folgenden
Kommentar. Inzwischen wurde bekannt, dass die Verhandlungen am 28.Dezember 2005
fortgesetzt werden sollen.
KOMMENTAR:
Sie wollen alles und das
sofort
LORIS CAMPETTI
Falls irgendjemand meint,
dass der Klassenkampf mittlerweile nur noch eine Erinnerung aus dem
20.Jahrhundert sei, täte er gut daran, einen Blick auf die laufenden
Verhandlungen zur Erneuerung des Tarifvertrages der Metallarbeiter zu werfen.
Von Verhandlungen zu sprechen, ist ein Euphemismus <eine Beschönigung>. Wie kann man mit jemandem verhandeln, der alles
will? Es sind nicht die maximalistischen Arbeiter des 20.Jahrhunderts, die
alles wollen und das sofort als vielmehr die Metallunternehmer des neuen
Jahrtausends. Sie hätten über den Lohn verhandeln sollen, da das, was hier
stattfindet, der institutionelle Termin für die Erneuerung des
Lohntarifvertrages mit zweijähriger Laufzeit ist. Stattdessen maßen sie sich
an, im Austausch für ein paar Euros (sehr viel weniger als die, die sie
schuldig sind) das gesamte Kommando über die Arbeitskraft zu übernehmen. Die
Metallunternehmer wollen die volle Flexibilisierung einführen, die
Samstagsarbeit durchsetzen (außer dass sie dann alle eine Woche lang zu Hause
lassen, wenn der Gott Markt es verlangt), ohne mit den
Gewerkschaftsorganisationen auch nur darüber zu verhandeln. Samstagsarbeit
haben sie bereits, aber das genügt ihnen nicht. Sie können zusätzliche <Samstagsarbeit> aushandeln, aber das reicht ihnen immer noch nicht.
Sie wollen das Prinzip durchsetzen und sich von der Gewerkschaft befreien. Die
Sache ist, sagt die <Metallindustriellenvereinigung> Federmeccanica, dass die
Verhandlungen mit den RSU’en <den „Einheitlichen
Gewerkschaftlichen Vertretungen“, einer Mischung aus Betriebsrat und organisationsübergreifenden Vertrauensleutekörper mit
undemokratischem Wahlrecht> „endlos“
seien. Besser wir einigen uns vorher darüber und sparen Zeit. Denn Zeit ist
Geld.
Das Gegenteil der
Vorstellung von Demokratie, die die Metallarbeiter in den letzten Monaten mit
der Abstimmung über die gemeinsame Plattform und die Verpflichtung bekräftigt
haben, dass die Tarifverträge mit der Gegenseite nur dann gültig sind, wenn sie
von den direkt Betroffenen gegengezeichnet werden – pro Kopf eine Stimme. Das
haben sie vor zwei Wochen in Rom <bei der zentralen Demonstration> zu 150.000 <real: 10-12.000>
bekräftigt und bekräftigen es täglich durch die Streiks für die Erneuerung
eines vor einem Jahr abgelaufenen Tarifvertrages und das dem so ist, ist gewiss
nicht ihre Schuld.
Die Aussetzung der Verhandlungen
war unvermeidlich: Kann man mit jemandem verhandeln, der im Austausch für den
Skalp des Gegenübers 70 Euro statt der geforderten 130 Euro bietet? Schade,
dass die Dynamik der Verhandlungen eine Bereitschaft der <christdemokratischen
Metallergewerkschaft> FIM hat
erkennen lassen, über die Modalitäten der Arbeitszeit (die Samstage) zu
verhandeln und sogar die Einheit mit FIOM und UILM zu zerbrechen, indem sie den
Verhandlungstisch verlässt <und Separat-„Verhandlungen“ führen wollte>. Gestern haben die Metallarbeiter der CISL
glücklicherweise klargestellt, dass ihr Bruch gegenüber den padroni
und deren extremistischer Unnachgiebigkeit stattfindet und nicht gegenüber den
anderen Gewerkschaften, mit denen sie sich am Montag <den 19.12.2005> treffen werden, um die Möglichkeit auszuloten, zu einer
einheitlichen Position zu gelangen (in Sachen Lohn hoffentlich, da die
Flexibilisierung bei dieser Erneuerung des finanziellen Teils des
Tarifvertrages nicht Gegenstand der Diskussion ist). Und wenn sie zu dieser
Übereinstimmung finden, wird ihnen nichts anderes übrig bleiben als die Agenda
für eine neue Welle von Streiks festzulegen.
Die Metallunternehmer sind
gespalten. Die Großunternehmen der Branche möchten zu einer schnellen
Erneuerung des Tarifvertrages kommen. Die kleinen und mittleren applaudieren
dem extremistischeren Flügel der Federmeccanica und
der Confindustria. Die, natürlich an das Mandat der
Arbeiter und somit an die tarifpolitische Plattform gebundene,
Gewerkschaftseinheit könnte der Schlüssel sein, der in der Lage ist den
Extremismus der Unternehmerseite auszuhebeln und den Blaumännern das
unrechtmäßig erworbene Gut zurückzugeben. Mit (mehr oder weniger) 1.000 Euro <netto> im Monat, soweit es prekäre Beschäftigung und cassa
integrazione <d.h. Kurzarbeit Null mit staatlicher
Arbeitslosenhilfe> zulassen, schlägt
man sich nicht durch. Auf dem Spiel steht vor allem ein Stück italienischer
Demokratie.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover