Gewerkschaftsforum Hannover:
Die Vereinigung der beiden linken,
italienischen Basisgewerkschaften Sin.COBAS (Berufsgruppen
übergreifende Gewerkschaft der Basiskomitees – der „offiziellen“ IV.
Internationale nahe stehend) und SULT (Vereinigte Gewerkschaft der
Transportarbeiter) zum Sindacato dei lavoratori intercategoriale (berufsgruppenübergreifende Gewerkschaft
der Werktätigen – SdL) am 14.Januar 2007 sorgte
in der linken Öffentlichkeit naturgemäß für einiges Aufsehen. Die von Rifondazione Comunista (PRC)
herausgegebene Tageszeitung „Liberazione“
brachte am 16.1.2007 ein Interview mit dem nationalen Koordinator
des SdL, Fabrizio Tomaselli
(49), in dem dieser die Ausrichtung, Einschätzungen und Ziele der neuen
Gewerkschaft erläutert. Wobei die Größe der SdL etwas
übertrieben wird. Unseren Informationen zufolge verfügt sie real über knapp
25.000 und nicht über „mehr als 60.000 Mitglieder“. Dennoch wird sie
damit zur stärksten Basisgewerkschaft in Italien. Mit den großen,
sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsbünden CGIL, CISL und UIL, die laut
eigenen Angaben knapp 13 Millionen Mitglieder haben (wovon jedoch die Hälfte
Rentner sind und die Zahl, dank diverser Tricks, insgesamt um ca. eine
Millionen überhöht ist), kann sie allerdings auf der quantitativen und
Apparatebene nicht im Geringsten konkurrieren.
Interview mit Fabrizio Tomaselli, dem nationalen Koordinator der Gewerkschaft, die
aus der Vereinigung von Sin.COBAS und SULT
hervorgegangen ist. „Prodi? Die Arbeiter erwarten
mehr?“
Die ersten Ziele der SdL
intercategoriale:
Kampf gegen die Prekarität
und Wiederherstellung der scala mobile
Roberto Farneti
In der
zersplitterten Welt der Basisgewerkschaften gibt es welche, die die Karte der
Einheit ausspielen, um den Versuch zu nehmen mehr Gewicht zu bekommen. Hinter
der Gründung der SdL intercategoriale
(wobei das SdL für „Gewerkschaft der Werktätigen“
steht) verbirgt sich die mutige Entscheidung zweier historischer Organisationen
der Basisgewerkschaftsbewegung – Sin.COBAS und SULT –
sich aufzulösen, um eine neue Organisation ins Leben zu rufen, die bereits
heute mehr als 60.000 Mitglieder zählt, mit bedeutenden Vertretungen in der
Industrie, im Öffentlichen Dienst und im Transportsektor. Der erste Kongress,
der vergangenen Sonntag in Rom zu Ende ging, wählte Fabrizio Tomaselli (49 Jahre) zum nationalen Koordinator.
„Gewerkschaft
der Werktätigen“ ist ein Name, der verpflichtet.
„Das ist
eine ganz natürliche Art, um einen simplen Gedanken auszudrücken: Die
Gewerkschaft ist per Definition die Organisation der Werktätigen. Der Name kam
von selbst.“
Wie
positioniert sich SdL in der vielfältigen Welt der
Basisgewerkschaften?
„Die
gegenwärtigen Basisgewerkschaften sind von zweierlei Art. Es gibt
Organisationen, die die Gewerkschaft als ein politisches Instrument betrachten
und diejenigen, die – wie die CUB – den Versuch unternommen haben, einen Gewerkschaftsbund
aufzubauen. Wir hingegen sind dabei eine Gewerkschaft zu schaffen, die
Gewerkschaftsarbeit macht, allerdings mit einer organisatorischen Struktur,
einheitlichen und berufsgruppenübergreifenden Typs. Wir sind nämlich der
Ansicht, dass die Antwort auf eine Unternehmerschaft,
die die Welt der Arbeit spaltet, darin besteht, in die entgegen gesetzte
Richtung zu marschieren, d.h. die Organisation und die Kämpfe der Werktätigen
wieder zu vereinen. SdL wird den Erfahrungen der
gesamten Welt der Arbeit offen stehen und seine Charakteristika in Bezug auf
die wirklichen, konkreten Probleme entwickeln, wie die automatische Anpassung
der Löhne an die Lebenshaltungskosten und die Rechte, angefangen beim
Streikrecht und bei der gewerkschaftlichen Vertretung <d.h. insbesondere der Änderung des
undemokratischen RSU-Wahlrechts>. Außerdem haben wir die Absicht
gegen die Privatisierungen und für die Erhaltung des öffentlichen Eigentums in
der Wirtschaft zu kämpfen. In diesem Sinne sind die Unterstützung des
Volksentscheids über die erneute Überführung des Wassers in öffentliches
Eigentum und die Kämpfe gegen den Lanzilotta-Gesetzentwurf
<über die Privatisierung öffentlicher
Unternehmen> grundlegend.
Was die Renten anbelangt, besteht die einzig mögliche Reform in der
Verteidigung der öffentlichen Daseinsvorsorge und in der Erhöhung der Rentenbeträge,
angefangen bei den niedrigsten Renten. Die Abfindung (TFR) ist realer Lohn der
Werktätigen und sollte nicht zur Finanzierung der Unternehmen oder zur
Förderung der Börse verwendet werden. Allenfalls sollte sie ausbezahlt werden.“
Und das
Verhältnis zu CGIL, CISL und UIL?
„Unsere
Kritik an ihnen ist klar und das sowohl die Inhalte und Methoden wie die Mittel
des gewerkschaftlichen Handelns betreffend. Dies schließt jedoch nicht aus,
dass in spezifischen Phasen oder in Bezug auf bestimmte Arbeitskämpfe eine
sachbezogene Auseinandersetzung begonnen werden kann, mit dem Ziel die
Interessen der Werktätigen bestmöglich zu schützen.“
Welches
sind die unmittelbaren Ziele?
„Neben
einer notwendigen internen Organisation mit dem Ziel eines Wachstums werden wir
die Kampagnen weiterführen, die wir als einzelne Organisationen in punkto Prekarität und Lohn bereits betrieben haben. Und in den
kommenden Tagen werden wir sowohl im Öffentlichen Dienst als auch in den
Privatunternehmen neue Initiativen entwickeln.“
Wie
sieht Eure Einschätzung der Regierung aus? Gibt es eine Diskontinuität zur
vorangegangenen?
„Auf der
allgemeinen Ebene ist klar, dass die Regierung Berlusconi und die Regierung Prodi nicht gleichgesetzt werden können. Es ist jedoch
ebenfalls offensichtlich, dass es bei den für die Welt der Arbeit grundlegenden
Themen sehr viele Aspekte von Kontinuität mit der vergangenen Regierung gibt.
Wir haben konkrete Maßnahmen gegen die Prekarität
erwartet und haben fast nicht zu sehen bekommen. Wir haben eine ganz andere
Einkommenspolitik erwartet wie die von Berlusconi und das ist nur zu einem
geringen Teil passiert. Wir haben ein Gesetz über die gewerkschaftliche
Vertretung erwartet, haben diesbezüglich aber keinerlei Rückmeldungen erhalten.
Eines ist sicher: Die Erwartungen der Werktätigen an diese Regierung waren mit
Sicherheit höher als die bislang erreichten Resultate. Auf unserem Kongress
haben die Minister Ferrero <Rifondazione Comunista;
Soziales> und Pecora Scanio <Grüne; Umwelt> gesagt, dass diese Regierung für die Forderungen der
Werktätigen und für ihre Kämpfe durchlässig ist. Eine Behauptung, die wir uns
nicht entgehen lassen, auch wenn wir in spezifischen Fällen (wie Alitalia) die
Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass die Regierung das Gespräch verweigert und
sich somit für die Forderungen der Arbeitenden und ihrer Repräsentanten undurchlässig
macht. Aus diesen Gründen bleibt es bei dem Streik am kommenden Freitag.“
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Gewerkschaftsforum Hannover