Die Uni-Antifa AG und die StudentInnen,

oder warum man auch als angehende AkademikerIn nicht denken braucht, sondern Schwafeln und Nachplappern reicht.

Am 09.07.2003 hat die Fachschaftsräte-Vollversammlung (FSR-VV) auf Antrag der Fachschaft Sowi der Uni-Antifa AG die politische und finanzielle Unterstützung entzogen. Das bedeutet:

Die Uni-Antifa AG ist aus der Uni rausgeworfen worden.

Für uns bleibt als Fazit dieser Entscheidung der FSR-VV, dass den VertreterInnen der verfassten StudentInnenschaft an der Universität Hannover derzeit die Legitimation fehlt, antifaschistische Arbeit von Gruppen aus der radikalen Linken zu unterstützen. Wir werden daher in keinen Bündnissen mehr mit VertreterInnen der StudentInnenschaft der Universität Hannover zusammen arbeiten.

Vorab erst mal ein wenig Formales: Die FSR-VV ist an der Universität Hannover aufgrund eines basisdemokratischen Anspruches der StudentInnen das höchste Entscheidungsgremium der StudentInnenschaft. Der ASTA hat sich verpflichtet, Aufgaben und Anforderungen, die ihm die FSR-VV überträgt, umzusetzen. Die FSR-VV besteht aus der Gesamtheit der Mitglieder der Fachschaftsräte, ist also kein Delegiertentreffen sondern ein Plenum. Je nach eigenem Selbstverständnis der Fachschaftsräte können hier alle gewählten VertreterInnen eines Fachschaftsrates oder auch alle politisch aktiven Mitglieder einer Fachschaft (Gesamtheit aller StudentInnen an einem Fachbereich) teilnehmen.

Wer ist denn nun die Fachschaft Sowi, dass sie im höchsten derzeit an der Universität Hannover existierenden Organ der studentischen Selbstverwaltung einen Antrag stellen kann, der die langjährige antifaschistische Arbeit an der Uni Hannover abrupt beendet und gleichzeitig zum Rausschmiss einer der letzten Gruppen der radikalen Linken aus der Uni Hannover führt? In der Fachschaft Sowi existiert formell ein gewählter Fachschaftsrat. Die Fachschaftsarbeit erfolgt jedoch auf einem offenen Treffen, in dem alle engagierten StudentInnen einschließlich der gewählten VertreterInnen ihre Arbeit koordinieren. Der Einfachheit halber wollen wir im weiteren dieses Treffen als FSR Sowi bezeichnen. Dieser FSR Sowi vertritt die Fachschaft Sowi nach außen und scheint Antragsrecht für die gesamte Fachschaft Sowi zu haben (jedenfalls ist der Antrag zum Rausschmiss der Uni-Antifa AG mit Fachschaft Sowi unterzeichnet). Da stellt sich natürlich die Frage nach der politischen Legitimation eines solchen, für die antifaschistische Arbeit der StudentInnen der Universität Hannover wesentlichen Antrages. Unsere Wissens ist dieser Antrag im Namen der Fachschaft Sowi einzig das Produkt des Willens des FSR Sowi. Eine Einbeziehung der StudentInnen am Fachbereich Sowi erfolgte nicht. Auf einer kurz vor der Antragstellung stattgefundenen Vollversammlung am Fachbereich wurde dieser Antrag nicht thematisiert, anscheinend war dieses Thema für den FSR Sowi unwichtig. Ohne den Beschluss einer Vollversammlung am Fachbereich und im weiteren auf einer Uni-Vollversammlung ist u. E. eine so weitreichende Entscheidung (die Beendigung der antifaschistischen Arbeit an der Universität Hannover) jedoch ohne Legitimation.

Kommen wir nun zum Antrag selbst. Der Antrag strotzt vor Allgemeinplätzen und inhaltlichen Verdrehungen. Insbesondere die aufgeführten Zitate sind bei näherer Betrachtung diese Bezeichnung nicht wert. Dies ist eigentlich um so verwunderlicher, da es an Universitäten gelehrt wird, dass durch Zitate der Wesensgehalt eines zitierten Textes der LeserIn verständlich gemacht wird.

Der Antrag gliedert sich in zwei Teile, einen eher formalen, dort a) benannten und einen inhaltlichen Teil b). Im Nachfolgenden werden einige Punkte des Antrages aufgegriffen und kommentiert. Der vollständige Text des Antrages sollte über den FSR Sowi oder den ASTA zu beziehen oder unter : wwww.stud.uni-hannover.de/gruppen/fs-sowi/ fsrvv.htm einzusehen sein.

Antragspunkt a) lautet:

  1. „Haushaltsgelder müssen jedes Jahr nach Beratung neu zur Disposition gestellt werden. Es gibt kein alteingesessenes Recht auf Finanzierung.

  2. Die bisherige Praxis, mit zwei kleinen SB-Stellen die FSR-VV bei politischen Entscheidungen zu umgehen, ist weder legitim noch basisdemokratisch.

  3. Die Wahrnehmung des politischen Mandats muss öffentlich erfüllt werden. Das Argument der Uni-AntiFa sich durch zwei kleine SB-Stellen einem äußeren (rechten) Druck entziehen zu können ist nicht stichhaltig.“

Primär werden also monetäre Gesichtspunkte aufgeführt. Hierbei muss sich die StudentInnenschaft natürlich fragen, ob es in der derzeitigen gesellschaftlichen Lage notwendig ist, Haushaltsgelder für antifaschistische Aktivitäten auszugeben. Unseres Erachtens ist dies notwendig, die FSR-VV scheint dies jedoch anders zu sehen.

Weiterhin ist uns keine Gruppe bekannt, die an der Universität Hannover „öffentlicher“ über ihre politische Arbeit berichtet, sowohl in der Internet-Präsenz als auch durch die Öffentlichkeit ihrer Gruppentreffen. www.kickme.to/antifa-uni-hannover

Da der ASTA rein rechtlich leider kein „allgemeinpolitisches Mandat“ besitzt, beraubt die FSR-VV mit ihrem Beschluss dem ASTA die geringen Möglichkeiten, kontinuierliche Arbeit auch zu allgemeinpolitischen Fragestellungen leisten zu können. Die Forderung nach öffentlicher Wahrnehmung des politischen Mandats verkennt daher die herrschende rechtliche Situation. Sie reduziert die Handlungsfähigkeit der Gremien der studentischen Selbstverwaltung auf originär universitäre Bereiche; aber warum sollen sich StudentInnen auch zu gesamtgesellschaftlichen Fragestellungen äußern?

Insgesamt ist der formale Teil der Begründung dahingehend zu werten, dass die AntragstellerInnen SachbearbeiterInnen als „Dienstleister“ betrachten, die auf Anweisung der „Vorgesetzten“ - in diesem Fall FSRVV und ASTA - Zuarbeiten zu leisten haben.

In Teil b) beginnt dann die sogenannte inhaltliche Auseinandersetzung mit den Aussagen der Uni-Antifa AG. Diese Auseinandersetzung kann jedoch auch mit viel Wohlwollen nicht mehr als das Ergebnis einer schlampigen Interpretation der Texte der Uni-Antifa AG betrachtet werden. Vielmehr geht es darum, durch die Darstellung der Uni-Antifa AG als Antisemiten eine Stimmung zu erzeugen, die eine inhaltliche Auseinandersetzung mit deren Positionen verhindert.

Gleich unter 1. behauptet der Fachschaftsrat Sowi, „Der Vergleich der palästinensischen Gebiete mit dem Warschauer Ghetto auf der Internetseite der Uni AntiFa vom 24.04.02 [...] stellt die Gleichung Israel ist Nazi-Deutschland auf. Damit wird die deutsche Geschichte relativiert, die Verbrechen der Nationalsozialisten verharmlost und Nachkommen der damaligen Opfergruppe mit den Tätern gleichgesetzt.“ Abgesehen davon, dass hier über eine Moralisierung in der Formulierung eine politische Auseinandersetzung verhindert wird (es werden eben, wie es sprachlich richtig wäre, in dem Antrag nicht Israelis sondern die „Nachkommen der damaligen Opfergruppe“ mit den Tätern verglichen), steht das in dem von der Fachschaft Sowi zitierten Text nicht. Der dem Antrag beiliegende Text endet mit den Worten „An den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, appellierte Teppich, er möge „ungeachtet Ihrer wie meiner Ablehnung individuellen Terrors Verständnis dafür aufbringen, dass gleich den verzweifelten Aufständischen im Warschauer Ghetto sich in die Enge getriebenen Palästinenser zu Selbstmordattentaten entschließen.“ Hieraus ist nur mit viel bösem Willen der Schluss zu ziehen: Israel = Nazideutschland. Teppich vergleicht die individuelle Befindlichkeit von Opfern, nicht die Motive und Handlungen von „Tätern“. Aus den ähnlichen Empfindungen von Opfern die Übereinstimmung der „Täter“ abzuleiten, verhindert gerade die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Arten von Repression und verdeckt die zwingend notwendige Unterscheidung zwischen den Handlungen Israels und denen der Nazis.

Unter 2. geht es so weiter. Die Behauptung „Für die Uni-AntiFa hat Zionismus nichts mit Judenverfolgung zu tun ..“ steht in dem als Beleg angeführten Text an keiner Stelle. Selbstverständlich hat Zionismus mit Judenverfolgung zu tun, dies wird von der Uni-Antifa AG auch nicht bestritten. Judenverfolgung ist aber keine Erfindung der Nazis sondern war über Jahrhunderte Praxis in fast allen „christlichen“ Staaten. Konsequenterweise gab es auch schon vor 1933 Zionismus als Ideologie und eine jüdische Einwanderung nach Palästina.

Der Beleg für die unter 3. aufgestellte Behauptung „Mit dem von ihnen verteilten Zettel „Lehrjahre Jitzhak Shamirs“ erwecken sie den Eindruck, als sei Zionismus eine Ideologie von Nazi-Kollaborateure...“ fehlt dem Antrag leider völlig. Die uns vorliegende Ausgabe dieses Zettels belegt diese Behauptung der Fachschaft Sowi erneut nicht. Der „Zettel“ macht jedoch klar, dass es führende politisch Verantwortliche im Staat Israel gab, die sich trotz Kenntnis der Ziele der Nazis eine Zusammenarbeit mit ihnen zur Erreichung ihrer eigenen politischen Ziele vorstellen konnten. Der Fachschaft Sowi scheint in Unkenntnis darüber zu sein, dass es zwischen einer Ideologie und den Methoden ihrer vorgeblichen Umsetzung durchaus Unterschiede geben kann.

Zu 5. möchten wir klarstellen, dass es der Uni-Antifa AG hätte auffallen müssen, das die Karikatur mit dem „Schweizer Käse“ antisemitische Stereotype enthält, die eine Veröffentlichung absolut verbieten. Die Distanzierung hätte dabei wesentlich deutlicher erfolgen müssen. Die Aussage, dass der Staat Israel die palästinensischen Gebiete zu „Homelands“ degradiert, halten wir jedoch für vollkommen berechtigt.

Der Erfolg des Argumentes „Antisemiten“ zeigte sich dann in der FSR-VV. Ohne inhaltliche Diskussion stimmte die FSR-VV dem Antrag der Fachschaft Sowi zu und beendete die Arbeit der einzigen an der Universität Hannover arbeitenden antifaschistischen Gruppe. Auch der ASTA, der nach eigenen Aussagen um die Konsequenzen für die antifaschistische Arbeit an der Universität wusste, unterließ es, als Veranstaltungsleiter auf der FSR-VV eine Position einzunehmen.

Schon die der FSR-VV vorangegangene Diskussion um das Flugblatt der Uni-Antifa AG belegt die mangelnde Bereitschaft der StudentInnen, sich mit den Positionen der Uni-Antifa AG inhaltlich auseinander zu setzen. Sogenannte Antideutsche verhindern eine politische Auseinandersetzung über die Unterdrückung der PalästinenserInnen, in dem sie Israel z.

B. als „Nachkommen der damaligen Opfergruppe“ per se von jedem Fehlverhalten freisprechen und im Gegenzug jegliche Kritik an der Politik der israelischen Regierung als antisemitisch denunzieren. Und die StudentInnen ziehen dabei mit. Ohne sie zu hinterfragen, wird die Behauptung „Antisemiten“ aufgenommen und - ganz im Sinne der moralischen Unfehlbarkeit - als Argument zur Beseitigung unbequemer politischer Gruppen verwendet.

Antideutsche und die, die ihre Parolen nachplappern, können keine Bündnispartner für die radikale Linke sein. Für uns sind sie es auf jeden Fall nicht!

Hannover, Dezember 2003, Antifa 3000