Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Wie bereits an anderer Stelle gesagt, findet in der italienischen Linken seit dem Scheitern des Referendums zur Ausweitung des Kündigungsschutzes und dem allgemeinen Abflauen der außerparlamentarischen Bewegungen eine sehr intensive Diskussion über die politische und soziale Lage (nicht nur in Italien) statt. Im Rahmen unserer kleinen Reihe von Übersetzungen der interessantesten Beiträge aus dieser – durchaus kontroversen – Debatte hier die Thesen der Gruppe um die Zeitschrift “Falce Martello” (Hammer und Sichel). Diese Gruppe entstand Anfang der 80er Jahre, zählt zur an Ted Grant orientierten Strömung (der ehemaligen CWI-Minderheit) des Trotzkismus, ist Teil des linken Flügels von Rifondazione Comunista und sehr stark im größten italienischen Gewerkschaftsbund CGIL aktiv. Die folgenden Thesen erschienen in “Falce Martello” Nr. 168 vom 3.7.2003.


Der Unternehmeroffensive widerstehen, um die zukünftigen Kämpfe vorzubereiten


Die neue politische und soziale Phase kann man in groben Zügen wie folgt charakterisieren:


1.) Ein Rückfluß der großen Mobilisierungen, die in Europa und der Welt in den letzten drei Jahren stattgefunden haben. Das alte Jahrtausend ist mit der Demonstration in Seattle <1999> zuende gegangen, die die Antiglobalisierungsbewegung ins Leben gerufen hat. Das neue begann mit dem revolutionären Versuch der ekuadorianischen Massen, der aufgrund des Fehlens einer Führung scheiterte. Diese neue Situation, die Lateinamerika erschüttert hat und zum Wiederaufleben der Massenbewegungen in Europa führte, scheint heute eine vorübergehende Atempause einzulegen.


2.) Der Tag des Falles von Bagdad kennzeichnet einen Wendepunkt in den internationalen Beziehungen. Es ist dem Imperialismus leichter als angenommen gelungen in den Irak einzumarschieren und indem er dies tat, hat er die Situation im Mittleren Osten (wenn auch nur teilweise) stabilisiert. Auf diesen Grundlagen gelingt es den USA neue diplomatische Verhandlungen zwischen Israel und der Palästinesischen Autonomiebehörde (ANP) zu eröffnen, die zu nichts anderem als zu neuen Desastern für das palästinensische Völk führen können. Im Irak beginnt eine Widerstandsbewegung, aber die Besatzer sitzen vorläufig fest im Sattel.


3.) Eine wirtschaftliche Situation, die rezessiv bleibt. Trotz der Anstrengungen Bush’s die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen (Bereitstellung von Finanzmitteln, Steuerreduzierungen, Rüstungsausgaben, expansive Geldpolitik etc.) geben die USA keine Anzeichen, daß sie aus der Krise herauskommen. Die Situation in Europa ist ebenfalls schlecht. Die Massenentlassungen, die von da herrühren, sind ein Abschreckungsmittel und ein ständiges Erpressungsinstrument gegen die Werktätigen (lavoratori), die bereit sind zu kämpfen.


4.) Die USA, die mit der Wirtschaftskrise und dem exponentiellen Wachstum des Staatsdefizites (von Kalifornien bis Oregon) sowie der Verschuldung der Unternehmen und der Familien (bei denen es mittlerweile seit drei Jahren eine negative Sparquote gibt) kämpfen, versuchen die Krise auf Europa abzuwälzen, indem sie den Dollar abwerten (um über 30% in einem Jahr) und ihr politisch-militärisches Gewicht in der neokolonialen Politik ausnutzen, und in den internationalen Wirtschaftsgremien laute Töne anschlagen. Das europäische Schicksal ist klar das, sich dem amerikanischen Druck zu beugen und sich mit einer untergeordneten Rolle abzufinden. Es wird Aufwallungen von Deutschland und Frankreich geben, wie man sie beim diplomatischen Ballett am Sitz der UNO vor Beginn des Irak-Krieges erlebt hat, aber im allgemeinen wird es die Arbeiterklasse sein, auf die die europäischen Mächte die Last ihres politischen und ökonomischen Niederganges abwälzen werden.


5.) Eine Reihe von Teilniederlagen, die in jüngster Zeit auf der Ebene des gewerkschaftlichen und Lohnkampfes produziert wurden. Man denke an den Rückzug der Mobilisierungen in Frankreich, an den Verzicht der IG Metall den Kampf um die 35 Stunden-Woche in Ostdeutschland fortzusetzen und an die schwierige Situation, in der sich die <größte, kämpferischste und zur CGIL gehörende Metallarbeitergewerkschaft> FIOM in Italien bei dem Versuch befindet, dem Separatabkommen <der kleineren und rechteren Branchengewerkschaften FIM-CISL und UILM> beim nationalen Tarifvertrag entgegenzutreten.


Die Werktätigen werden nach einer Periode, in der sie mit einer Abfolge von Generalstreiks und Massendemonstrationen die Straßen halb Europas füllten, kurzfristig in der Defensive sein.


Die großen Mobilisierungen haben nicht zu nennenswerten Erfolgen geführt. Die herrschende Klasse hat sich mit einer massenhaften Friedensbewegung auseinandersetzen müssen, aber dennoch Krieg geführt. Dasselbe läßt sich für die anderen – mehr oder weniger partiellen – Mobilisierungen sagen, die sich ausgehend von den elementarsten Bedürfnissen entwickelten.


Wo die Widersprüche so tiefgreifend waren, daß sie eine Auflösung der herrschenden Blöcke hervorriefen (man denke an Argentinien oder an Venezuela) hat sich der Kampf um Teilerfolge in Richtung des Bruches mit dem System entwickelt als Demonstration <der Tatsache>, daß der Kapitalismus in dieser Phase <nur> geringe reformistische Spielräume aufweist. Angesichts der Wirkung mächtiger Volksmobilisierungen ist das System nicht in der Lage die Angriffswelle abzudämpfen und die Auseinandersetzung spitzt sich sofort bis zu den extremsten Konsequenzen zu.


Das Zusammentreffen von Wirtschaftskrise, Rückfluß der Mobilisierungen und Überborden der öffentlichen und privaten Verschuldung wird die herrschende Klasse in Europa unvermeidlich dazu drängen, wieder in den Krieg zu ziehen.


Die Offensive, die in Deutschland und Österreich auf dem Gebiet der Renten gestartet wurde, wird sich wie ein Ölfleck ausbreiten und die EU wird wieder einmal die Entschuldigung sein, um die Bedingungen der Arbeiter anzugreifen und das Recht auf ein würdiges Dasein im Alter in Frage zu stellen.


Italien wird im Mittelpunkt dieses Angriffes stehen. Sie werden uns auffordern mehr zu arbeiten. Dies wird darüberhinaus, daß es eine allgemeine Verschlechterung der Lebensqualität hervorruft, für die junge Generation eine immer unsicherere Zukunft bedeuten.


Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und die Einführung von atypischen und Zeitverträgen hat formell die Anzahl der Beschäftigten erhöht. Diese Tatsache verdeckt allerdings eine Realität der wilden Prekarisierung, die kaum ihres Gleichen kennt.


Die italienische Regierung schlägt die Einführung des Gesetzes 30 vor, das aus instrumentellen Gründen <nach dem 2002 von den neuen Roten Brigaden erschossenen Arbeitsrechtsprofessor und Regierungsberater> Biagi-Gesetz genannt wird und das die Einführung neuer, höllischer Mechanismen (Arbeit auf Abruf, paarweise Arbeit, projektbezogene Arbeit, Abschaffung der öffentlichen Arbeitsvermittlung etc.) mit sich bringt, die darauf abzielen, jede kollektive Tarifverhandlung zu zerstören und sie in ein individuelles Verhältnis zwischen Unternehmen und Beschäftigten zu verwandeln.


In der Zwischenzeit fallen die Löhne sogar laut den Zahlen, des <staatlichen> Istituto Centrale di Statistica (ISTAT). Etwas, das alles sagt, da laut den Erhebungen dieser Herren die jährliche Inflation nach der Einführung des Euro in Italien nicht höher als 2,5 bis 2,7% gewesen sei !


Die Bourgeoisie bereitet sich darauf vor die eiserne Faust einzusetzen und die ständigen Provokationen des Innenministers Pisanu, der die Existenz von Zellen der Roten Brigaden in den Arbeitsstätten verkündet, dienen dazu das Klima für die Kriminalisierung jedes Herdes von Arbeiterwiderstand vorzubereiten.


Die Kampagne zur Diskreditierung der Alitalia-Beschäftigten, die sich aus Protest gegen die vom Unternehmen angekündigten Kürzungspläne krank gemeldet haben, ist symptomatisch für das Klima, das derzeit um die sozialen Kämpfe herum erzeugt wird. Was uns niemand sagt, ist, daß diese Beschäftigten nichts anderes tun konnten, wenn sie protestieren wollten, da Streiken im Transportsektor (aufgrund des Gesetzes 146/1990 und nachfolgender Maßnahmen) praktisch unmöglich geworden ist.


Der Druck nimmt zu. Die Propagandakampagne wird sich machtvoller Mittel bedienen, um die Werktätigen bei einer Opposition, die auf politischer und gewerkschaftlicher Ebene immer schwächer wird, in eine Ecke zu drängen. <Ex-CGIL-Generalsekretär> Cofferati hat eine enorme Reduzierung von Illusionen bewirkt und die <nun> von Epifani geführte CGIL, die noch das Ja beim Referendum unterstützte, beugt sich nun wieder und hat einen “Pakt für die Konkurrenzfähigkeit” mit der Confindustria unterschrieben, ohne intern große Reaktionen damit hervorzurufen.


In puncto Renten ruft die CGIL zu einem zweistündigen Streik auf. In Sachen Tarifvertrag der Metallarbeiter fuchtelt die FIOM herum und weiß nichts Besseres vorzuschlagen als eine “Zergliederung” des Kampfes (d.h. der Pilotkämpfe auf Unternehmensebene beim Einsatz für einen nationalen Tarifvertrag). Um eine Vorstellung von der Schwäche der Front zu bekommen, muß man nur daran denken, daß in der gesamten Provinz Mailand die Zahl der involvierten Unternehmen 20 betragen würde – von insgesamt 1 200, in denen die Gewerkschaft vertreten ist !


Die Regierung ist nicht stark, wie man auch an den Ergebnissen der Kommunalwahlen gesehen hat und sie weist tiefgreifende Spaltungen auf. In einem Kontext wie diesem spitzen sich die Widersprüche allerdings nicht zu.


Im gegnerischen Lager stabilisiert sich die Situation der Linksdemokraten (DS) und die von ihrem Generalsekretär Fassino geführte Mehrheit <ca. 75% der Partei> macht sich Cofferatis “Verrat” und die unvermeidliche Krise der internen Linken <ca. 25%> zunutze.


Rifondazione Comunista (PRC), die weder in puncto Parteimitgliedschaft noch bei den Wahlen von den Bewegungen <die sie massiv unterstützte> profitiert hat, zieht aus all dem nicht die richtigen Schlußfolgerungen und bewegt sich noch stärker auf der bewegungsorientierten Linie, die die Partei unfähig macht, auf den lebendigen Körper der Arbeiterbewegung Einfluß zu nehmen.


In dieser Situation ist es unvermeidbar, daß ein Teil der Avantgarde der Bewegung zu negativen Schlußfolgerungen gelangen kann. Im PRC gibt es bereits diejenigen, die theoretisieren, daß die “Resultatskrise” die Frucht der “Destrukturierung der kapitalistischen Globalisierung” sei.


Die einer derartigen Situation innewohnende Gefahr ist, daß angesichts der Niederlagen versucht wird, Alibis und “objektive Gründe” zu finden.


Die Verantwortung ist hingegen subjektiver Natur und die tragen die Führungen der Arbeiterbewegung, wie das Beispiel Sergio Cofferati zeigt. Es ist vollkommen offensichtlich, daß der “Chinese” <Cofferatis Spitzname wegen seiner Gesichtszüge> die Auseinandersetzung von Anfang an mit rituellen und voll ausgekosteten Mobilisierungen, die nicht in die Fabriken überschwappen, in sozialpartnerschaftlichen Bahnen halten wollte. Jedes mögliche Hindernis wurde errichtet, um zu verhindern, daß Formen von Selbstorganisation von unten entstehen und der Kampf einen offensiven Charakter annimmt.


Das alles verweist uns auf die Aufgaben, die die Aktivisten in der kommenden Phase haben werden. Es handelt sich um eine (wie wir hoffen kurze) Periode des Widerstandes gegen den starken Druck, den Regierung und Confindustria auf die Arbeiterklasse ausüben, um den anschließenden Neuaufschwung vorzubereiten. Die ewigen Angriffe auf den Lebensstandard, an der Prekarisierungsfront und in Sachen Rechte werden unvermeidlich neue soziale Explosionen hervorrufen.


Das Fehlen einer glaubwürdigen politischen und gewerkschaftlichen Führung ist kein absolutes Hindernis für die Wiederbelebung der sozialen Kämpfe. Die Mobilisierungen, die in der weiter zurückliegenden Vergangenheit Einfluß ausübten und die einen neuen Zyklus im Klassenkampf eingeleitet haben (man denke an den Heißen Herbst 1969) fanden häufig trotz fehlender glaubwürdiger Bezugspunkte auf der Linken statt. Die Kommunistische Partei Italiens (PCI) und die CGIL waren vor ’68 in den Fabriken am tiefsten Punkt ihrer Autorität angelangt. Ähnliche Situationen waren in den großen revolutionären Prozessen zu beobachten, die der Kontinent in den 70er Jahren durchlebte.


Der Heiße Herbst 1969 endete mit einem Sieg (mit der Unterzeichnung dutzender extrem weitgehender Tarifverträge und dem Erreichen des Arbeiterstatutes), weil die vor der Revolution erschrockene Bourgeoisie sehr froh war, <nur> Zugeständnisse zu machen. Heute befinden wir uns allerdings nicht an der Spitze eines wirtschaftlichen Booms, sondern in einer Phase langandauernder Stagnation und daher muß der Kampf weiter voranschreiten und den Bruch mit dem System auf die Tagesordnung setzen, um Resultate zu erzielen.


In einer Reihe von Ländern haben die Massen - wenn auch erst in einer Anfangsform - versucht sich den Weg zu einer Machtalternative zu bahnen (man denke an die Bewegung der besetzten Fabriken in Argentinien, die unter Arbeiterkontrolle produzierten). Das Fehlen einer Führung hat allerdings dafür gesorgt, daß diese Experimente / Erfahrungen in einem embryonalen Zustand blieben.


Die Forderungskämpfe in Lateinamrika haben in den letzten Jahren fast immer einen revolutionären und Aufstandscharakter angenommen (von der Revolte in Chiapas bis zum Argentinazo <der Argentinisierung> und den verschiedenen Aufständen, die in Bolivien, Peru, Venezuela, Uruguay etc. stattfanden). Dies verdeutlicht die Akutheit der Krise des kapitalistischen Systems und bis zu welchem Punkt es notwendig ist, einen anderen Ansatz in der Durchführung der Arbeitskämpfe zu haben, wenn man bei den Arbeitermobilisierungen der kommenden Jahre Einfluß ausüben will.


Ein gewerkschaftlicher Kampf kann in dieser Phase nur dann zum Erfolg geführt werden, wenn die Delegierten, die ihn leiten, über die notwendige Vorbereitung verfügen, um ihn zu generalisieren und mit einer politischen Gesamtperspektive zu verbinden.


Nur mit Hilfe einer Organisation, die ihre Militanten koordiniert, damit sie eine wirkungsvolle Fraktionsarbeit in den Gewerkschaften leisten und gleichzeitig die Arbeitskämpfe leiten, indem sie auf politischer und organisatorischer Ebene ihre Autonomie bewahren, ist es möglich zu verhindern, daß die Gewerkschaftsbürokratien den Mobilisierungen einen eingeschränkten Charakter geben und sie damit in die Niederlage führen.


Wenn der Arbeitskampf der Metallarbeiter etwas lehrt, dann daß es auch für eine Gewerkschaft mit großen Traditionen, wie die FIOM, nicht ausreicht den eigenen Forderungskatalog zu radikalisieren und die Unterstützung der Mehrheit der Beschäftigten zu haben, um erfolgreich zu sein. Dafür ist es notwendig sehr viel kühnere Kampfformen anzuwenden, die die Gegenseite hart treffen.


Wenn die Unternehmerschaft die Tarifabkommen nicht respektiert, ist es nicht nachzuvollziehen, warum die Gewerkschaft sich an die Anti-Streik-Normen halten soll, die in den letzten Jahren unterzeichnet wurden (Vorankündigungsfrist, Einfrieren etc.).


Die Streiks müssen die Produktionsorganisation berücksichtigen, um sie an ihrem schwächsten Punkt zu treffen. Die Leitung muß gleichzeitg demokratisch und zentralisiert sein (unter der Kontrolle der RSU'en <siehe Erläuterungen am Schluß !>) und die Umsetzung flexibel, um sich dem konkreten Kontext anzupassen.


Mit einer derartigen Strategie und mit unvorhergesehenen Streiks, die die Produktionsspitzen ohne Unterschied und auf differenzierte Weise treffen, könnte man den padrone in die Knie zwingen. Das ist der einzige Weg.


Bislang hat die Führung der FIOM gezeigt, daß sie nicht auf der Höhe einer solch kühnen Führung des Kampfes ist und in dem Maße, in dem man keine Fortschritte macht, weicht man unvermeidlich zurück und stärkt jene rechten Tendenzen, die in den letzten Monaten vorgeschlagen haben, die Linie zu "mäßigen".


In einem Artikel vom 1.Juli 2003 hebt das Organ des Unternehmerverbandes Confindustria, "Il Sole - 24 Ore", zufrieden die jüngsten Niederlagen der europäischen Gewerkschaftsbewegung hervor: Das Referendum in Italien gescheitert, die FIOM in Schwierigkeiten, die Front in Frankreich gespalten, der Streik für die 35 Stunden-Woche in Ostdeutschland abgebrochen. Schuld daran sind - dem Artikel zufolge - selbstverständlich die "extremistischen Forderungen, die sich außerhalb jedes wirtschaftlichen Kontextes bewegen" und die Gewerkschaft, die eine "konservative Bastion gegen die Veränderung" ist. Während dies allerdings nur Propaganda ist, sind die folgenden Behauptungen nicht bloß Worte: "Und nun - angesichts des europäischen Rahmens - steht die Gewerkschaft vor einer ernsthaften und unwiderstehlichen Rentenreform. (...) Der konservative Flügel der Gewerkschaft hat den neuen Charakter der Unternehmerbewegung in Europa unterschätzt (...) <d.h.> die im übrigen obligatorische Entscheidung, für die Innovation einzutreten und die Brücken zu antiken Praktiken schlechter Zusammenarbeit <mit den Gewerkschaften>, die unsere Gesellschaft versumpfen ließen, abzubrechen."


Die Unternehmer wissen, daß wir einen Augenblick der Schwäche durchmachen. Sie wissen, daß sie auf einen zur Kollaboration bereiten Gewerkschaftssektor zählen können (die "moderneren Teile der Gewerkschaft, von der französischen CFDT bis zu den deutschen Chemiearbeitern (...), den moderneren Standpunkt von CISL und UIL") und sie sagen klar und deutlich, daß sie den Angriff intensivieren wollen.


Wir sind also in einen komplizierten Prozeß eingetreten. Es wird Niederlagen geben und die Werktätigen werden für die Ängstlichkeit ihrer Führer bezahlen. Früher oder später wird aber eine neue soziale Explosion die von der Gewerkschaftsbürokratie errichteten Dämme brechen lassen.


Ein neuer Heißer Herbst wird nicht auf sich warten lassen und wir bewußten Kommunisten werden von heute an dafür kämpfen, jene Opposition in der Gewerkschaft und im PRC aufzubauen, die in der Lage ist die Führungsaufgaben der künftigen Mobilisierungen zu übernehmen.


In den Phasen des Rückflusses und der Krise der Massenbewegung ist es lebenswichtig die Anstrengungen darauf zu konzentrieren, daß die Avantgardebereiche neue Ideen aufnehmen können und Gemeinplätze ebenso zur Diskussion stellen wie festgefügte Vorurteile. In einem derartigen Kontext ist es möglich neue Arbeiter den Ideen des Marxismus anzunähern. Diese Kräfte können (auch wenn sie begrenzt sind) in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen und sicher verzehn- oder verhundertfachen.


Anstatt sich in exemplarische Gesten und isolierte Aktionen zu flüchten, die sich einzig und allein in ein steriles Bekenntnis verwandeln, müssen sich die Kommunisten in einer harten und schwierigen Arbeit an die Arbeiterklasse in ihrer Gesamtheit wenden - im Rahmen einer Arbeit, die kurzfristig keine offensichtlichen Ergebnisse erzielen wird, aber unabdingbar ist, um jene Alternative zum Kapitalismus vorzubereiten, die heute mehr denn je notwendig ist.


Mailand, 2.Juli 2003



Erläuterung: RSU steht für Rappresentanza Sindacale Unitaria (Einheitliche Gewerkschaftliche Vertretung) und ist in den Betrieben, Behörden, Schulen, Krankenhäusern etc. eine sehr eigene Mischung aus einem Betriebsrat mit geringen Kompetenzen und Privilegien und einem organisationsübergreifendem Vertrauensleutekörper der diversen dort vertretenen Gewerkschaften. Das RSU-Wahlrecht ist allerdings extrem undemokratisch, da sich die drei großen Gewerkschaftsbünde CGIL, CISL und UIL im Rahmen der (mittlerweile weitgehend gescheiterten) Konzertierten Aktion ein Drittel der Sitze reserviert haben, die zwar voll stimmberechtigt sind, aber nicht gewählt, sondern entsprechend ihren Wahlanteilen bei den anderen zwei Dritteln zusätzlich unter ihnen aufgeteilt werden. Angeblich fördere dies den Zusammenhalt der Lohnabhängigen insgesamt, indem es betriebsegoistische Bestrebungen erschwere. Tatsächlich ist es vor allem eine Waffe gegen die eigenständigen linken Basisgewerkschaften (Cobas, CUB, RdB, OrSA, SULT...), die in einzelnen Betrieben sehr stark sind.


Vorbemerkung, Übersetzung, Erläuterung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hanover und Gewerkschaftsforum Hannover