Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

 

„Man sieht sich im Leben immer zweimal !“  Diese Maxime erfreut sich seit Anfang Mai 2004 in der italienischen Arbeiterbewegung und insbesondere unter den FIAT-Arbeitern neuer Aktualität und Beliebtheit. Fast ein Vierteljahrhundert nach der historischen Niederlage des berühmten 35tägigen Streiks im FIAT-Hauptwerk in Turin-Mirafiori 1980 gibt es eine gelungene Revanche. Nach 21 Tagen wilden Streiks, permanenter Belagerung der Fabrik und mehreren Knüppeleinsätzen der „Ordnungshüter“ musste der FIAT-Vorstand nachgeben und der Belegschaft in Melfi den relativen Sieg zugestehen. (Wobei Melfi gerade eine der vor Jahren auf der „grünen Wiese“ errichteten „neuen Fabriken“ ist, in denen mit kämpferischer Gewerkschaftsarbeit Schluss gemacht werden sollte.) Auch wenn inhaltlich längst nicht alles erreicht wurde, was die Arbeiter und Arbeiterinnen forderten und durchaus mehr möglich war als das, was unter der diskreten Führung der Gewerkschaftschefs letztlich durchgesetzt wurde, ist der psychologische und gewerkschaftspolitische Erfolg nicht hoch genug einzuschätzen. Das beweist auch die Welle spontaner Streiks, die Melfi zur Folge hatte und die z.B. im Fincantieri-Konzern ebenfalls erfolgreich endeten.

Während die Niederlage von 1980 in Italien faktisch das Ende des offensiven und allgemeinen Kampfzyklus bedeutete, der Ende der 60er Jahre begonnen hatte, markiert und befördert der Sieg in Melfi nun einen relativen Neuaufschwung insbesondere der Kämpfe gegen prekäre Arbeitsverhältnisse und Entlohnung – allerdings zunächsteinmal nicht durch allgemeine Aktionen auf breiter Front, sondern partiell, beschränkt auf eine Fabrik und maximal ihre Zulieferbetriebe. Dennoch handelt es um ein historisches Ereignis, dem die Redaktion der Zeitschrift „Falce Martello“ (Hammer & Sichel) am 13.Mai 2004 in Gestalt von Paolo Grassi eine ausführliche Analyse widmete.

 

Die Macher und Anhänger von „Falce Martello“ gehören zum aktivsten und entschiedensten Teil der italienischen Gewerkschaftslinken innerhalb der CGIL und zum linken Flügel von Rifondazione Comunista. Sie sind trotzkistischen Ursprungs und beziehen sich auf die Strömung um Ted Grant und Alan Woods (Committee for a Marxist International), die die von der ehemaligen Militant Tendency entwickelte und nicht ganz unumstrittene Taktik des Langzeit-Entrismus weiterverfolgt. In Österreich und der BRD ist sie jeweils durch „Der Funke“ vertreten.

 

Melfi: Die Arbeiter kehren erhobenen Hauptes in die Fabrik zurück

 

„Ich bin enttäuscht über die Entscheidung von FIAT, das alte Wege einschlagen will anstatt den Versuch zu unternehmen die Unzufriedenheit, die es in Melfi gibt, zu beseitigen. Wenn FIAT alte Wege verfolgt, müssen wir alles tun, damit nicht solch eine Antwort gegeben wird, wie die von 1980. Ich hoffe und wünsche mir – und das liegt auch in der Verantwortung der RSU-Delegierten und der FIOM – zu begreifen, wann und wie diese Kampfform neu auszurichten ist. Es ist klar, dass man nicht unbegrenzte Zeit mit einer Blockade der Produktion fortfahren kann, die sicherlich dazu dient, einen Anstoß zu geben, aber nicht die Form ist, mit der Du Dir vornimmst einen Kampf zu führen, der neue Charakteristika aufweist.“ (Guglielmo Epifani, Generalsekretär der CGIL nach <der Tageszeitung des Kapitalistenverbandes Confindustria> „Il Sole – 24 ore“ vom 25.April 2004)

 

Im Morgengrauen von Sonntag, dem 9.Mai <2004> haben FIAT und Gewerkschaften ein Abkommen über die von den Arbeitern in Melfi aufgeworfenen Fragen unterzeichnet. Das Abkommen enthält nicht alles, was von den Arbeitern gefordert wurde und ist, verglichen mit der Kraft, die die Arbeiter aufzubieten in der Lage waren, mager. Drei Wochen Blockade der Produktion, einer Beteiligung und einem Durchhaltewillen über den gesamten Zeitraum, die fast total waren. Eine Lektion in Klassenkampf in erster Linie für den Generalsekretär der größten Gewerkschaft des Landes. Die hatten sicherlich mehr verdient.

 

von Paolo Grassi

 

Das Abkommen kann nicht als zufrieden stellend bezeichnet werden, weil es – auch wenn es bedeutende Schritte vorwärts aufweist – nicht alles das enthält, was von den Arbeitern gefordert wurde. Und auch wenn es stimmt, dass Verhandeln bedeutet, auch auf etwas von den eigenen Anfangsforderungen zu verzichten, glauben wir, dass die Gewerkschaftsspitzen mehr als notwendig am Verhandlungstisch haben fallen lassen.

 

Dies vorausgeschickt, müssen wir den Arbeitern jedoch Anerkennung zollen und uns bewusst sein, dass die Begeisterung und die sehr hohe Zustimmung der Arbeiter zu dem erreichten Abkommen völlig gerechtfertigt sind. Wir müssen uns allerdings auch der Tatsache bewusst sein, dass ganz einfach eine erste Runde einer Auseinandersetzung zu Ende gegangen ist, in der die Arbeiter in Melfi für eine wirkliche Verbesserung ihrer Lebens- und Lohnsituation erneut zum Kampf schreiten müssen. Die Ausgangsbedingungen für die zukünftigen Kämpfe sind die besten, weil die Arbeiter mit dem erhobenen Haupt desjenigen in die Fabrik zurückgekehrt sind, der sich als Sieger fühlt.

 

Das Abkommen

 

Es wurde eine Lohnerhöhung um 105 Euro erreicht. Diese Erhöhung ist allerdings in drei Tranchen gestaffelt: eine im Juli diesen Jahres, die 50% der vereinbarten Gesamterhöhung entspricht, eine im Juli des kommenden Jahres, die weitere 25% bringt und eine im Juli 2006 mit den restlichen 25%.

 

In den kommenden zwei Monaten gibt es also keine Erhöhung. Dann eine um 52,50 Euro für ein Jahr, die für ein weiteres Jahr zu 79 Euro werden, um in über zwei Jahren 105 Euro auszumachen – selbstverständlich alles Bruttozahlen. Dieses kann man als eine Lohnerhöhung bezeichnen. Man kann allerdings, zumindest für die nächsten 26 Monate, nicht behaupten, eine Gleichstellung mit den Löhnen der Arbeiter der anderen Werke erreicht zu haben. Dasselbe gilt für die Nachtarbeitszuschläge, die mit einem 45%igen Zuschlag bezahlt wird, während man in den anderen Werken 60,5% bezahlt. Auch hier ist die Staffelung eine ähnliche und die Arbeiter in Melfi werden diese Zulage <vollständig> erst in 26 Monaten erhalten.

 

Sicher kann man die Ansicht vertreten, dass man das Abkommen in seiner Gesamtheit betrachten müsse und dass der verhasste „Doppeltakt“ <zwei Wochen Nacht- oder Spätschicht nacheinander> abgeschafft wurde und dies für die Arbeiter keinen Preis hat. Es ist sehr richtig, dass das für die Arbeiter keinen Preis hat. (Aber apropos: Wer hat das Abkommen mit FIAT 1993 eigentlich unterzeichnet, dass diese Schichten und diese Lohnkäfige vorsah ?) Es stimmt jedoch auch, dass das Abkommen es FIAT erlaubt dasselbe Produktivitätsniveau beizubehalten. Daher bleibt, auch wenn sich das Schichtsystem ändert (was nicht wenig ist!) ein grundlegendes Problem: Die Ausbeutungsrhythmen und der Druck, um die vorgesehenen Ziele zu erreichen, werden sich nicht ändern.

 

Bezüglich der dritten und sehr wichtigen Frage der Disziplinarmaßnahmen ist man zu einem Abkommen gelangt, das in Wahrheit keine Garantie für die Lösung des Problems darstellt. Was diese Maßnahmen anbelangt durfte man die Klärung nicht an eine hypothetische Versöhnungskommission verweisen. Man hätte die sofortige Rücknahme aller Entlassungen und <anderen> Maßnahmen verlangen müssen. Weil die Arbeiter in dem Moment <in dem darüber verhandelt wurde> die Produktion auch deshalb blockierten und FIAT jede Minute, die verging, einen beachtlichen Schaden für den eigenen Profit erlitt.

 

Was hat also gefehlt ?

 

Wir fällen nicht deshalb ein derart kritisches Urteil über dieses Abkommen, weil es uns Spaß macht oder noch schlimmer, weil wir irgendjemandem oder gar den Arbeitern eine Lektion in Gewerkschaftsarbeit geben wollen. Man muss die Dinge beim Namen nennen, um zu verhindern, dass sie anders dargestellt werden. Das Abkommen, das in jedem Fall für die Arbeiter einen Schritt vorwärts bedeutet, ist nicht das maximale, das erreichbar war. Und es lag mit Sicherheit nicht an der Unfähigkeit der Arbeiter (die allen eine Lektion in Klassenkampf gegeben haben), dass nicht mehr erreicht wurde oder – besser noch – alles das was man fordern konnte. Sondern es war die Schuld der Gewerkschaftsführer (in erster Linie derjenigen der FIOM), die diesen Arbeitskampf geleitet haben. Niemand kann bestreiten, dass die FIOM in dieser schwierigen Situation, wie in den letzten drei Jahren bereits bei vielen anderen Gelegenheiten, gezeigt hat, dass sie die kämpferischste und den Arbeitern am nächsten stehende Branchengewerkschaft ist. Dies vorausgeschickt, ist jedoch <ebenfalls> unbestreitbar, dass sie in den verschiedenen Phasen des Kampfes und der Verhandlungen nicht die notwendige Standfestigkeit und Kohärenz beibehalten hat.

 

Nach den Polizeieinsätzen gegen die Arbeiter in Melfi am 26. und 27.April waren es über 150 Betriebe, in denen es spontane Streiks mit extrem hoher Beteiligung gab. Da waren alle Bedingungen vorhanden, um den Kampf auszudehnen und das Werk in Melfi nicht isoliert dastehen zu lassen. Die FIOM ruft zu Recht für den 28.April einen 4stündigen landesweiten Streik der im Metallsektor Beschäftigten aus. Es hat allerdings den Anschein, dass der Apparat diesen nicht ernsthaft organisiert hat. Im Gegenteil, in einigen Fällen bekam man den Eindruck, dass alles dafür getan wurde, um die Stimmung der Arbeiter abzukühlen. In Turin wurden innerhalb des Turiner <FIAT-Haupt-> Werkes Mirafiori Kundgebungen mit extrem geringer Beteiligung organisiert. (Die größte am Haupttor zählte 200 Arbeiter.) <Insgesamt sind dort noch etwa 15.000 Menschen beschäftigt !>

 

Trotz des Klimas und trotzdem die Arbeiter mit den spontanen Streiks an den beiden vorangegangenen Tagen die Kampfbereitschaft breit demonstriert hatten, wollte man keine echte Manifestation durchführen. Dasselbe gilt für Brescia <dessen FIOM- und CGIL-Ortskartell seit langem von einem gemäßigten Flügel der Gewerkschaftslinken kontrolliert wird!>, wo die Gewerkschaftsspitze 1.000 Arbeiter auf die Strasse brachte, weil sie faktisch keinen Streik organisiert hatte. Und was soll man zu Mailand sagen, wo alles, wozu die örtliche FIOM-Führung in der Lage war, darin bestand 500 Leute vor dem Alfa Romeo-Werk in Mailand-Arese <noch 3.500 Beschäftigte> zu versammeln. Gott sei dank hat sich der SLAI Cobas bei Alfa <der dort bei den letzten RSU-Wahlen 29% der Stimmen erhielt> darum bemüht, einige Arbeiter zusammenzutrommeln und damit die Untätigkeit der FIOM-Funktionäre weniger eklatant aussehen lassen.

 

Weder in diesem Moment noch in irgendeinem anderen gab es den Willen, den Kampf auszudehnen, was notwendig gewesen wäre, um den Sieg in Melfi zu erleichtern und auch um die Auseinandersetzung um den nationalen Tarifvertrag, den wir noch nicht errungen haben, neu zu eröffnen.

 

In den folgenden Tagen war das gesamte Handeln der FIOM-Spitze darauf ausgerichtet die Stimmung zu dämpfen und die klassische Rolle des „Feuerwehrmannes“ zu spielen.

 

Ist es eine Tatsache, dass <FIOM-Generalsekretär> Rinaldini am Donnerstag, den 29.April, vor den Toren des Werkes in Melfi vorgeschlagen hat, den Streik auszusetzen, um den Beginn echter Verhandlungen mit FIAT zu ermöglichen ?  Stimmt es oder stimmt es nicht, dass er von den Arbeitern hart angegangen wurde, einen Schritt zurück machen und akzeptieren musste, dass der Streik unbefristet weiterging ?  War es vielleicht nicht die unbefristete Fortsetzung des Streiks, die FIAT nachgeben ließ ?  Was wäre geschehen, wenn man wieder angefangen hätte zu arbeiten ?  Mit Sicherheit hätte man nicht einmal das erreicht, was man am 9.Mai erreicht hat. Und wer hätte dafür die Verantwortung getragen ?

 

Und weiter: Warum hat man in der Endphase der Verhandlungen akzeptiert, diese nach Rom zu verlegen anstatt sie in Melfi zu lassen ?  Die Verhandlungen in Melfi erreicht zu haben, war eine Errungenschaft, weil dies die Arbeiter regenerierte, die dadurch noch motivierter und überzeugter waren, dass das Unternehmen nunmehr mit dem Rücken zur Wand stand. Nicht ohne Grund haben die Arbeiter als die Verhandlungen in Melfi zum ersten Mal unterbrochen waren, um den Delegierten zu ermöglichen <der Basis> mitzuteilen, was für Vermittlungsvorschläge FIAT gemacht hatte, diese mit der Antwort zurückgeschickt: „Nach dem Vorschlag des Unternehmens gab es erneut eine Versammlung der Arbeiter, die das Industriegebiet belagern. Die in einem sehr spannungsgeladenen Klima gegebene Antwort war negativ. Im Gegenteil, die Versammlung hat beschlossen einen Gegenvorschlag zu machen, der folgendermaßen formuliert wurde: die sofortige Lohnerhöhung muss zwei Drittel der Differenz zu den Löhnen in den anderen Werken betragen und das restliche Drittel darf nicht an die Unternehmensbilanzen gekoppelt werden. Die Jahresprämie muss ein 14.Monatsgehalt von 300 Euro im Juli vorsehen. Bis heute 14 Uhr, sagen sie, muss uns FIAT eine Antwort geben, sonst werden wir den Kampf intensivieren.“ („la Repubblica“, Samstag 8.Mai 2004)

 

Es ist klar, dass in Melfi nicht nur die padroni, sondern auch die Gewerkschaftsführer den Druck spürten und das etwas gewesen sein muss, was ihnen nicht gefallen hat.

 

Das sind die Gründe, die zu einem endgültigen Abkommen geführt haben, das unter dem lag, was die Arbeiter erwarten konnten, nachdem sie einen Kampf von solcher Tragweite geführt hatten.

 

Nichts wird mehr wie früher sein

 

Die Arbeiter in Melfi sind sich bewusst, dass sie etwas Historisches vollbracht haben. Von heute an können diejenigen, die wirklich für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen kämpfen wollen, nicht anders als sich Melfi zum Beispiel nehmen und dem dort aufgezeigten Weg folgen.

 

Sie sind sich auch bewusst, dass sie nicht alles erreicht haben, was sie wollten und messen den triumphalistischen Tönen keine Bedeutung bei, mit denen das Abkommen von den Gewerkschaftsspitzen präsentiert wurde. Was sie wissen ist, dass sie ihre Kraft gemessen haben und es ihnen gelungen ist, den stärksten und arrogantesten padrone des Landes in die Enge zu treiben. Einen padrone, der – vergessen wir das nicht – zuerst versucht hat, mit den willfährigen Spitzen von FIM-CISL und UILM ein lächerliches Separatabkommen abzuschließen. Dann hat er die Karte der gewalttätigen Repression ausgespielt und die Ordnungskräfte losgeschickt, um sie zusammenzuknüppeln. Beim jedem Versuch, den Widerstand der Arbeiter zu brechen, haben die padroni das entgegengesetzte Ergebnis erzielt. Bei jedem Versuch der Gewerkschaftsspitzen, sie zur Annahme gemäßigter Ratschläge zu bewegen, haben die Arbeiter die Reihen geschlossen und sind gegenüber denjenigen, die sie führen sollten, strenger geworden.

 

Das ist der wirkliche Sieg der Arbeiter. Die „grüne Wiese“ der 9.000 Disziplinarmaßnahmen existiert nicht mehr und die im Dienste der Agnellis stehenden kleinen und großen Chefs werden es sich nicht so einfach erlauben können, sie so zu behandeln wie in der Vergangenheit.

 

Sich auf die Kämpfe von morgen vorbereiten

 

Es gibt allerdings noch sehr viel zu tun. Die Erfordernisse der Produktion werden die padroni früher oder später dazu bringen den Versuch zu unternehmen, die bestehende Ordnung wiederherzustellen. Und während es einerseits ein derart tiefgreifendes Bewusstseinswachstum gegeben hat, dass wir sagen, in Melfi wird nichts mehr wie vorher sein, sagt uns andererseits die Erfahrung, dass – wenn die Arbeiter sich nicht das Ziel setzen, die volle Kontrolle über ihre Gewerkschaft (die FIOM) zu erlangen – die Unternehmerreaktion früher oder später wieder ihr Haupt erheben wird. Ein guter Anfang ist die Tatsache, dass man im Werk dabei ist Unterschriften für die Ablösung der RSU <Einheitliche Gewerkschaftliche Vertretung = die italienische Mischung aus Betriebsrat und organisationsübergreifendem Vertrauensleutekörper, der allerdings nach einem ziemlich undemokratischen und unfairen, die CGIL-CISL-UIL bevorteilenden Wahlrecht gewählt wird> und die Wahl zu einer neuen zu sammeln, da die FIM-CISL 57% der RSU-Delegierten stellt und sich so verhalten hat wie wir es erlebt haben. Das allein ist allerdings nicht ausreichend.

 

Außerdem sind die Beschäftigungsprobleme in der Zulieferindustrie und im FIAT-Konzern insgesamt in keiner Weise gelöst. Das Konsortium der Zulieferbetriebe, die für FIAT in Melfi arbeiten, hat erklärt, dass es dieselben Regelungen, die von FIAT akzeptiert wurden, auch auf die eigenen Arbeiter anwenden wird. Wir wissen allerdings, dass diese Erklärungen jeden Augenblick zurückgenommen werden können. Außerdem gibt es in der Zulieferindustrie ein gravierendes Beschäftigungsproblem: Von ca. 3.000 Arbeitern in Melfi befinden sich 400 in der cassa integrazione <d.h. in schlecht bezahlter Kurzarbeit Null> und es ist nicht auszuschließen, dass sie in den nächsten Monaten zu überschüssigem Personal erklärt werden. Wir können nicht a priori ausschließen, dass nach dem Schlag, den der padrone Agnelli eingesteckt hat, sie nicht morgen, um die Arbeiter in Melfi zu erpressen und wieder zu zähmen, mit der Idee ankommen, einen Teil der Produktion zu verlagern.

 

Die Beschäftigten aller Werke der FIAT-Gruppe und der Zulieferindustrie haben nur und ausschließlich gemeinsame Interessen. Das Problem der Arbeitsrhythmen und der Löhne in Melfi sowie die Gefahr der Schließung von Turin-Mirafiori oder die Aufgabe von Arese sind ein Problem aller Beschäftigten aller Werke. Der genannten ebenso wie der von Termini Imerese, Pratola Serra, Val di Sangro, Termoli, Cassino und Iveco.

 

Man kann eine ernsthafte Diskussion darüber, wie man sich auf die Zukunft vorbereitet, nicht länger aufschieben. Alle Gewerkschaftsführer diskutieren die Probleme von FIAT in endlosen Seminaren in bequemen Sesseln, aber niemand von ihnen ergreift die Initiative, um uns auf diese entscheidende Schlacht vorzubereiten.

 

Der einzige Weg, dafür zu sorgen, dass wir auf diese Auseinandersetzung vorbereitet sind, ist einen Forderungskatalog zu entwickeln, der die Arbeitszeit bei gleichem Lohn reduziert und so die Umverteilung der Arbeit in allen Werken sowie eine Reihe von Neueinstellungen ermöglicht.

 

Um das allerdings zu tun, um zu ermöglichen, dass FIAT zu einem Industriebetrieb wird, der die eigenen Ressourcen den Arbeitern und dem Land zur Verfügung stellt, ist es in letzter Konsequenz notwendig, seine Enteignung unter der Kontrolle der Arbeiter zu fordern.

 

Nur so werden wir den Weg zu einer endgültigen Lösung des Beschäftigungsproblems von FIAT und der Zulieferindustrie einschlagen können.

 

<CGIL-Generalsekretär> Epifani hatte zu Beginn des Arbeitskampfes an die Gefahren bestimmter Kampfformen erinnert und dabei den glorreichen Kampf der FIAT-Arbeiter in Mirafiori erwähnt, die 1980 die Fabriktore 35 Tage lang besetzt hielten, um sich 27.000 Entlassungen zu widersetzen. Der Kampf ging verloren und seit damals wurde das immer als die Niederlage betrachtet, die der Unternehmerreaktion den Weg ebnete, die uns in die heutige Situation geführt hat. Epifani vergaß zu sagen, wer die Verantwortlichen für jene Niederlage waren. Die Gewerkschaftsführer von CGIL, CISL und UIL, die in Rom über die Köpfe der Arbeiter hinweg die bedingungslose Kapitulation unterzeichneten, während der Kampf geschlossen und vereint fortgeführt wurde. Dann ließen sie eine Abstimmung durchführen, die eine Farce war und beendeten die Angelegenheit.

 

Nun tritt, unter dem Zwang der objektiven Bedingungen, im gewerkschaftlichen Kampf eine neue Generation von Arbeitern in Erscheinung und wendet die traditionellen und natürlichen Methoden an, die in vielen Jahren die einzigen waren, die Siege ermöglichten. Wir haben gegenüber der vergangenen Generation einen Vorteil. Wir können aus ihrer Erfahrung schöpfen, um nicht verraten zu werden, wie es bei ihnen der Fall war.

 

Schließ’ Dich uns an, damit dieser Schatz nicht vergeudet wird und damit – ausgehend von Melfi – tatsächlich eine neue Seite aufgeschlagen wird.

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover