Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

 

Dort wo unterdurchschnittliche Entlohnung und miserable Arbeitsbedingungen zu ernsthaftem Widerstand führen, zieht die Führung des FIAT-Konzerns die Daumenschrauben an und geht zur offenen Repression gegen „die Unruhestifter“ über. Ein weiteres, besonders eklatantes Beispiel dafür ist das FIAT-Tochterunternehmen IVECO in der norditalienischen Industriestadt Brescia. Dort fielen jüngst zwei RSU-Delegierte (spezifische Mischung aus Betriebsrat und Mitglied der organisationsübergreifenden gewerkschaftlichen Vertrauenskörperleitung) der größten Metallarbeitergewerkschaft FIOM-CGIL zum Opfer. Die FIOM Brescia wird genau wie das Ortskartell der CGIL bereits seit Jahren von der Gewerkschaftslinken kontrolliert.

Zum Geschehen und der Reaktion darauf im Folgenden das entsprechende Flugblatt der FIOM Brescia vom 20.12.2004 sowie die Presseerklärung der FIOM vom 23.12.2004 über den Verlauf und das Ergebnis der Protestversammlungen, beides der offiziellen Homepage www.fiom.cgil.it entnommen. Laut der linken Tageszeitung „il manifesto“ vom 22.12.2004 gab es bei IVECO Brescia im Jahre 2004  90 Stunden Streik zur Durchsetzung der gewerkschaftlichen Forderungen, was für den Konzern den Verlust von 1.000 nicht gebauten Fahrzeugen und für jeden Arbeiter eine Einbuße von durchschnittlich 1.200 Euro durch Lohnausfall bedeutete, da es in Italien kein Streikgeld gibt. Der von der FIOM Brescia am Ende des Flugblattes genannte Monatslohn von 1.050 Euro bezieht sich allerdings nur auf die unterste Lohngruppe. Die Mehrheit der Beschäftigten geht mit einigen Hundert Euro mehr nach Hause. Trotzdem sind auch ihre Löhne miserabel. Die (allerdings mit großem Abstand) zweitgrößte Metallergewerkschaft, die christdemokratische FIM-CISL, übt sich bei dieser Auseinandersetzung einmal mehr in ebenso unsolidarischer wie moderner „Äquidistanz“. Das heißt, sie erklärt, es handele sich hier um eine Privatangelegenheit von FIOM und FIAT-IVECO, an der beide Seiten Schuld hätten (Belege dafür: Fehlanzeige!), und sie sei neutral…

 

GEWERKSCHAFTLICHE MITTEILUNG

DER FIOM-CGIL BRESCIA vom 20.DEZEMBER 2004

 

Die Entscheidung des FIAT-Tochterunternehmens IVECO, das heute einen RSU-Delegierten entlassen und einem anderen RSU-Delegierten der FIOM-CGIL der Plastikverarbeitung des Werkes in Brescia eine 3tägige Suspendierung von der Arbeit angedroht hat, ist äußerst gravierend.

 

Seit Monaten fordern die Arbeiter und die FIOM vom Unternehmen Antworten über die Perspektiven des Werkes in Brescia und fordern gemeinsam das seit 1999 abgelaufene betriebliche Abkommen zu erneuern, nachdem die Verhandlungen darüber seit 2001 unterbrochen sind.

 

Um die gewerkschaftlichen Forderungen zu unterstützen, hat die FIOM-CGIL für Freitag, den 10.Dezember einen 8stündigen Streik proklamiert, an dem sich mehr als 75% der IVECO-Arbeiter und der ausgegliederten Unternehmensteile des Werkes beteiligten.

 

FIAT hat wieder einmal nicht das Terrain des Gespräches und der Übereinkunft gewählt, sondern das Terrain der frontalen Auseinandersetzung und dabei den Delegierten der Plastikverarbeitung (Lavorazione Plastica) – einem ausgegliederten Unternehmen in IVECO-Besitz) – angebliche Einschüchterungsaktion und Gewaltakte an den Fabriktoren vorgeworfen sowie einem Arbeiter, der bei den Gewerkschaftskundgebungen nicht einmal anwesend war, dass er zu diesen Gewaltaktionen beigetragen habe.

 

Die Arbeiter der Plastikverarbeitung haben auf die Einschüchterungsaktion der IVECO damit geantwortet, dass sie sich vollständig an dem gemeinsam von der R.S.U. <Einheitliche Gewerkschaftliche Vertretung> und der FIOM-CGIL zur Verteidigung ihrer Delegierten proklamierten Streik vom 15.-17.Dezember beteiligten.

 

Die Reaktion der IVECO bestand darin, 2.600 Arbeiter am 16. und 17. Dezember von der Arbeit freizustellen <also faktisch auszusperren>. Anschließend (noch heute am 20.Dezember) wurden 1.700 Arbeiter freigestellt und bisher hat sie weder der Gewerkschaft noch den Arbeitern ihre Absichten bezüglich der Wiederaufnahme der Produktion in den kommenden Tagen mitgeteilt.

 

In diesen Tagen wurde der Verteidigung der Rechte der Arbeiter (angefangen beim Recht, einen würdigen Lohn zu fordern) ein angebliches Allgemeininteresse gegenübergestellt.

 

Die Arbeiter sind die Ersten (und mit ihnen die Gewerkschaft), die an der Erhaltung des IVECO-Werkes in Brescia interessiert sind. Es ist <allerdings> nicht akzeptabel, dass zusammen mit diesem Interesse keine Antworten auf die Forderungen der Arbeiter gefunden werden.

 

Mit der Entlassung des Delegierten und mit der Suspendierungsmaßnahme gegen einen weiteren Delegierten ist Allen klar, dass die Rechte (angefangen bei den gewerkschaftlichen Rechten) nicht von den Perspektiven des Werkes getrennt werden können.

 

Am Donnerstag, den 23.Dezember 2004, werden wir zusammen mit den Arbeitern, die in diesen Stunden wieder ins Werk müssen, um ihre Arbeit zu verrichten, eine Versammlung abhalten, an der auch Gianni Rinaldini (Generalsekretär der FIOM) teilnehmen wird, um darüber zu entscheiden, wie auf die IVECO zu reagieren und wie in der Auseinandersetzung weiter zu verfahren ist, in deren Mittelpunkt drei Themen stehen:

 

-          Die Notwendigkeit lohnpolitischer Antworten, angefangen bei der Bezahlung der aufgrund der Freistellung verlorenen Stunden, deren Entlohnung die IVECO garantieren muss.

-          Ablehnung der Entlassung und der Disziplinarmaßnahmen, die Arbeiter und gewerkschaftliche Delegierte betreffen.

-          Information über die realen Perspektiven des IVECO-Werkes in Brescia und die Zukunft des Sektors in der äußerst schwierigen Situation, in der sich der gesamte FIAT-Konzern befindet.

 

Wir fordern alle Arbeiterinnen und Arbeiter von IVECO Brescia auf, die Zeit, die wir von heute an bis zur Versammlung, die am Donnerstag, den 23.Dezember <2004> in der Fabrik stattfinden wird, zur Verfügung haben, zu nutzen, um Allen unsere Beweggründe bekanntzumachen.

 

Wir fordern die Arbeiterinnen und Arbeiter von Brescia auf, die IVECO-Arbeiter zu unterstützen. Die Bürger von Brescia fordern wir auf, über die Situation derjenigen nachzudenken, die 40 Stunden die Woche in drei Schichten pro Tag für einen Lohn von 1.050 Euro arbeiten, vom Unternehmen freigestellt <also ausgesperrt> werden und erleben, wie man ihre Delegierten in der Fabrik entlässt.

 

Federazione Impiegati Operai Metalmeccanici – Brescia

(Föderation der Arbeiter und Angestellten der Metallindustrie – Brescia)

 

 

Presseerklärung:

 

IVECO / Brescia. Rinaldini (FIOM):

„Die von FIAT eingeleiteten Disziplinarmaßnahmen sind äußerst gravierend. Neue Kampfaktionen, wenn die Verhandlungen nicht bis zum 20.Januar beginnen.“

 

„In den beiden Versammlungen, die heute bei FIAT-IVECO in Brescia stattgefunden haben, wurde ein Dokument verabschiedet, in dem erklärt wird, dass die Entlassung eines Delegierten der FIOM und die 3tägige Suspendierung eines weiteren Delegierten als unbegründet und äußerst gravierend betrachtet werden. Es handelt sich hierbei um Maßnahmen, die vom Unternehmen mit angeblichen Einschüchterungen gerechtfertigt werden, zu denen es anlässlich des Streiks gekommen sei, der am 10.Dezmeber in dem Werk stattfand. Die Forderung nach Annullierung dieser Disziplinarmaßnahmen wurde daher in den der Betriebsleitung bereits vorgelegten, betrieblichen Forderungskatalog aufgenommen.“ Das erklärte Gianni Rinaldini, Generalsekretär der FIOM-CGIL, der heute in Brescia an zwei überfüllten Versammlungen teilnahm, die bei IVECO (ehemals OM) stattfanden, dem größten Metallbetrieb der Provinz.

 

„In dem heute verabschiedeten Dokument“ – fügte Rinaldini hinzu – „wird dann weiter ausgesagt, dass, wenn bis zum 20.Januar 2005 keine Verhandlungen begonnen werden, in einer neuen (bereits anberaumten) Versammlung weitere Kampfaktionen beschlossen werden. Aktionen, für die FIAT die volle Verantwortung zu tragen haben wird.“

 

„Von der Versammlung wurde“ – hob Rinaldini hervor – „nachdrücklich der Wunsch geäußert, dass die lokalen Institutionen und die politischen Kräfte von FIAT die Bereitschaft fordern, die Verhandlungen zu eröffnen. Eine Bereitschaft, die um so notwendiger erscheint, wenn man berücksichtigt, dass das letzte betriebliche Abkommen auf das Frühjahr 1996 zurückgeht.“

 

Bei IVECO Brescia war heute für jede der drei Schichten eine zweistündige Versammlung zu dem Zweck angesetzt, über die Situation zu diskutieren, die in Zusammenhang mit der in dem Werk anhängigen Auseinandersetzung entstanden ist. Die erste fand morgens von 8 bis 10 Uhr statt, während die zweite von 14 bis 16 Uhr dauerte. In beiden gab es, laut FIOM-Quellen, eine rege Beteiligung. Insbesondere wurden bei beiden Gelegenheiten zahlreiche Wortmeldungen registriert. Eine dritte Versammlung wurde für den heutigen späten Abend einberufen, nach Beginn der Schicht um 22 Uhr.

 

FIOM – CGIL /  Pressestelle

 

Rom, 23.Dezember 2004

 

 

Anmerkung: Die E-Mail-Adresse der FIOM Brescia lautet: fiom@bs.lomb.cgil.it  Über Solidaritätsadressen würde sie sich sicherlich freuen.

 

 

Vorbemerkungen, Übersetzung, Anmerkung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover