Antifa-AG der Uni
Hannover:
Während
der Abstimmung in der Leitung von Rifondazione Comunista über die
kommissarische Verwaltung des einzigen von der parteiinternen Linken geführten
Regionalverbandes, d.h. desjenigen von Kalabrien, gab Claudio Grassi die
folgende Erklärung ab. Er ist der Kopf der eher traditionalistisch
ausgerichteten Strömung um die Zeitschrift „l’Ernesto“, die auf dem
letzten Parteitag 28% der Mitglieder vertrat, dort zwar noch formell der
Mehrheit von Parteisekretär Bertinotti angehörte, allerdings bereits mit
zahlreichen Abänderungsanträgen zum Leitantrag auftrat und sich seitdem bei
entscheidenden Abstimmungen, wie derjenigen über den Beitritt zur Partei der
europäischen Linken oder in der Frage eines Bündnisses mit der Mitte-Linken
(Olivenbaum) und einer möglichen Regierungsbeteiligung noch stärker
linksoppositionell positioniert hat. Grassi ist daher im Nationalen Sekretariat
von Rifondazione der einzige Vertreter der zersplitterten Parteilinken und
hatte im Zusammenhang mit dem Handstreich gegen die Führung in Kalabrien
kurzzeitig erwogen, von diesem Amt zurückzutreten, was er dann aber doch nicht
tat.
Abstimmungserklärung von Claudio
Grassi (Nationales Sekretariat) in der außerordentlichen Sitzung der Leitung
vom 15.7.2004
Zur
kommissarischen Verwaltung von Kalabrien:
Die kommissarische
Verwaltung des Regionalverbandes Kalabrien ist eine schwerwiegende Tatsache.
Niemals in der Geschichte von Rifondazione Comunista hatte man einen gesamten
Regionalverband unter kommissarische Verwaltung gestellt. Dies schafft einen
gravierenden Präzedenzfall. Damit wird die parteiinterne Demokratie
angegriffen. Keine der spezifischen Anschuldigungen, die erhoben wurden, um die
kommissarische Verwaltung zu begründen, betrifft die Arbeit des
Regionalsekretärs, der durch diese kommissarische Verwaltung abgesetzt wird
oder die Aktivität des Regionalkomitees. Es handelt sich um Anschuldigungen,
die einzelne Föderationen <d.h. Kreisverbände> oder
einzelne Zirkel <=
Betriebs- bzw. Wohngebietsgruppen>
betreffen, die deshalb und so wie es unser Statut vorsieht behandelt werden müssen.
Unter anderem sind die spezifischen Elemente, mit denen hier argumentiert wird
(Rauflust, Probleme der Rechtmäßigkeit der Mitgliedschaft etc.) leider in
derselben Weise auch in anderen Föderationen anderer Regionalverbände
vorhanden. Man hat jedoch niemals daran gedacht, einen ganzen Regionalverband
unter kommissarische Verwaltung zu stellen.
Die Wahrheit ist, dass wir
vor einer politisch bedingten kommissarischen Verwaltung stehen, die im Vorfeld
des eingeleiteten nationalen Parteitages stattfindet und nachdem in jener
Region vor zwei Monaten in Anwesenheit des Genossen Francesco Ferrara vom
Regionalkomitee rechtmäßig ein Regionalsekretär (der Genosse Rocco Tassone)
gewählt wurde, der auf dem letzten Parteitag für die Änderungsanträge <der „l’Ernesto“-Strömung
um Grassi, Burgio, Sorini und Lossurdo>
gestimmt hatte. Somit wird mitten in der Vorbereitungsphase des Parteitages ein
Regionalverband unter kommissarische Verwaltung gestellt, in dem die Minderheit
der <Partei-> Mehrheit die Mehrheit ist. Das ist so als ob zwei
Monate vor dem Stattfinden des letzten Parteitages die Linksdemokraten (DS) den
Regionalverband Kalabrien, wo der Correntone <d.h. die breite Strömung
der unterschiedlichen DS-Linken> die
Mehrheit hatte, unter kommissarische Verwaltung gestellt hätten. Wie hätten wir
eine derartige Entscheidung beurteilt, wenn nicht als Tatsache, dass man eine
parteiinterne Minderheit abstrafen wollte ?
Es ist gesagt worden, dass
der Partito della Rifondazione Comunista (PRC) in Kalabrien kein demokratischer
Schutz mehr sei. In diesem Fall sind die Worte wie Steine.
Ich bin in den letzten
Jahren – lange vor dem letzten Parteitag – viele Male in Kalabrien gewesen.
Also lange vor der politischen Differenzierung der gegenwärtigen Mehrheit.
Meine starke Verbindung zu jenen Genossen entstand 1998 als wir in der Praxis
einer von den Tripodi, von Brunetti und De Paola vollzogenen, sehr harten
Spaltung entgegentraten <siehe
Anmerkung 1>, die den Anschein
erweckte als wenn sie unsere Partei hinwegfegen sollte. Das war nicht der Fall.
Dank jener Genossen, die heute kein demokratischer Schutz mehr sein sollen.
Ich bestreite
Schwierigkeiten, Probleme und Fehler nicht. Auch ich habe sie erlebt als ich
häufig in Kalabrien war, aber die löst man nicht mit einem autoritären und
repressiven Akt, wie dem der kommissarischen Verwaltung. Die kommissarische
Verwaltung verschärft sie nur.
Andererseits, wenn wir ehrlich sind: Probleme
gibt es auch in anderen Situationen und ich könnte da eine lange Liste
zusammenstellen.
Ich muss allerdings sagen,
dass ich bei meinen häufigen Besuchen in Kalabrien, zusammen mit den
Schwierigkeiten, auch eine Partei erlebt habe, die kämpft, die aktiv und in
tausend Kämpfe involviert ist und die das oftmals gegen die starken
Machtzentren (i poteri forti), gegen die Mafia und gegen die
Neofaschisten tut – unter sehr schwierigen Bedingungen und mit unzulänglichen
Mitteln.
Rifondazione Comunista ist
in Kalabrien ein großer demokratischer Schutz.
Schließlich
zu meinem Rücktritt aus dem Nationalen Sekretariat:
Die Genossinnen und
Genossen, die auf dem letzten Parteitag die Bedingungen dafür geschaffen haben,
dass ich jenen Posten übernahm, bitten mich zu bleiben und ich werde es tun.
Ich danke ihnen für das, was sie in diesen für mich schwierigen Tagen gesagt
und getan haben. Mir wurde gesagt, ich solle nicht aufhören und ich werde nicht
aufhören. Ich möchte allerdings sagen, dass mein Rücktritt kein spontaner
Einfall und auch keine Erpressung war. Ich bin seit 9 Jahren im nationalen
Sekretariat und habe – auch in sehr schwierigen Passagen – niemals diese Frage
gestellt. Ich habe es <jetzt> getan, weil ich diese Entscheidung als eine
gravierende Entscheidung erlebt habe und erlebe, die unsere innerparteiliche
Demokratie verletzt. Ich erlebe sie als eine Ungerechtigkeit, einen Übergriff,
eine Schikane. Als eine von den Dingen, die Dich dazu drängen – zumindest geht
es mir so – instinktiv aufzubegehren. Die Entscheidung, die heute vollzogen
wird, ist ein schwerer Fehler. Es gibt in Kalabrien genauso wie in anderen
Regionalverbänden Probleme. Aber die autoritären Eingriffe können sie nicht nur
nicht lösen, sondern verschärfen sie noch.
Anmerkung 1:
Hier wird
auf die Abspaltung der rechten Minderheit unter Cossutta, Diliberto und Rizzo angespielt,
die nach dem Ende der Tolerierung der Regierung Prodi durch Rifondazione im
Oktober 1998 den kleineren und opportunistischen PdCI gründeten und sich mit
diesem (auch während des von der Prodi & Co. mitgeführten NATO-Krieges
gegen Jugoslawien) weiterhin an der Regierung beteiligten.
Vorbemerkung,
Übersetzung, Anmerkung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover