Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Bei den
italienischen Regional- und Kommunalwahlen am 3. und 4.April kam es zu einer
erdrutschartigen Niederlage des regierenden Rechts-Bündnisses unter Silvio
Berlusconi. Von den 13 Regionen, in denen gewählt wurde, stellt dieses Bündnis,
das unter der Bezeichnung „Casa delle Libertà“ (Haus der Freiheiten – CDL)
auftritt, künftig nur noch in zweien (der Lombardei und Venetien) die
Regierung. Vor der Wahl gab sie immerhin noch in 8 Regionen den Ton an.
Hauptverursacher der Niederlage war Berlusconis eigene Partei – Forza Italia –
die im Durchschnitt 6,7% verlor. Die Nachfolgepartei des neofaschistischen MSI
– Alleanza Nazionale (AN) – verlor 2% und kommt nun durchschnittlich auf 11%,
während Umberto Bossis rechtspopulistische Lega Nord insgesamt stabil blieb, da
sie die massiven Verluste in ihrem ehemaligen Stammland Lombardei (nach – 6,1%
bleiben ihr dort nur noch 9,3%) anderswo ausgleichen konnte. Die Mitte-Linke
gewann überraschend 8% hinzu und steigerte sich gegenüber den Regionalwahlen
2000 von 44,1% auf 52,1%. Darin eingeschlossen ist Rifondazione Comunista (PRC)
mit einem sehr durchwachsenen Ergebnis (ein Plus von 0,5% bzw. knapp 200.000
Stimmen gegenüber den Regionalwahlen 2000 auf nun 5,6% bzw. 1.366.467 Stimmen,
aber – 0,7% verglichen mit den Europawahlen 2004).
Zu
diesem Aufsehen erregenden Wahlausgang befragte die links-unabhängige
italienische Tageszeitung „il manifesto“ für die Ausgabe vom 6.4.2005
den Generalsekretär der CGIL, d.h. des größten und relativ gesehen
fortschrittlichsten der drei großen sozialpartnerschaftlichen
Gewerkschaftsbünde CGIL, CISL und UIL, Guglielmo Epifani.
„Das Wahlergebnis fordert einen
radikalen Wandel“
Dem Generalsekretär der CGIL,
Guglielmo Epifani, zufolge ergibt sich aus der Auszählung der Stimmen eine
harte Verurteilung der institutionellen und Sozialpolitik der Regierung
Berlusconi. Nun komme der Opposition die Aufgabe zu, das Verhalten der
Wählerschaft mit einer Alternative zu dem gescheiterten Programm des Casa
delle Libertà (Haus der Freiheiten – CDL) aufzugreifen.
LORIS CAMPETTI
„Das Ergebnis der Regional-
und Kommunalwahlen liefert in homogener, deutlicher und von Vielen
unterstützter Weise einen Hinweis auf das Unbehagen und die Unzufriedenheit mit
den politischen Entscheidungen der Regierung und fordert einen radikalen
Wandel.“ Der Generalsekretär der CGIL findet in den von der Wählerschaft
massenhaft in die Urnen geworfenen Kritiken viele der Themen wieder, über die
sich seine Gewerkschaft mit der Regierung Berlusconi auseinandergesetzt hat.
Für Guglielmo Epifani verzeichnet das Votum vom Sonntag und Montag eine
Niederlage des Casa delle Libertà (CDL) und ist daher „ein Gegenvotum“.
Zugleich fordert er jedoch von der politische Opposition, die von der
Niederlage der Mitte-Rechten profitiert hat, eine politische Alternative, die
in der Lage ist, auf die soziale Frage der Bürger zu antworten.
Epifani, beginnen wir bei
der Niederlage der Rechten. Du sprichst von einem homogenen Ergebnis. Aber
wahrscheinlich sind die Motivationen unterschiedlich und summieren sich (von
Nord- bis Süditalien), von den stärker betroffenen Schichten bis hin zu den
durch die Krise verarmten Gruppen, von den Jugendlichen bis zu den Rentnern.
„Ich spreche von Homogenität,
weil das in starkem Maße kritische Urteil über die Regierung sowohl dort
auftritt, wo die Rechte verloren hat als auch dort, wo sie in der Mehrheit
bleibt, wie in der Lombardei und in Venetien, sich der Abstand zwischen beiden
Lagern aber spürbar verringert. In dem Wahlergebnis lese ich die Ablehnung
einer Logik der sozialen und institutionellen Spaltung. Im Mezzogiorno <d.h. Süditalien> hat sich sowohl die sog. Verfassungsreform als auch
die Verschlechterung der Lebensqualität bei Fehlen eines wirtschaftlichen und
sozialen Projektes ausgewirkt, um aus der schweren Krise herauszukommen, in die
das Land und insbesondere der Süden gerät. Es gibt eine überzeugte Ablehnung
des Versuches, den Norden vom Süden, die öffentlich Beschäftigten von den
privat Beschäftigten zu trennen und sogar die Rentner <untereinander> mit einem diskriminierenden Eingriff in Sachen
Mindestrenten <zu
spalten>. Und weiter: In Rom hat sich
die Reduzierung der von der Regierung in der Hauptstadt Rom eingesetzten
Ressourcen ausgewirkt. Zweitens ist da das wirtschaftliche und soziale
Unbehagen, das die Arbeit, aber auch das Unternehmen betrifft. Die Verschärfung
der materiellen Bedingungen, mit der Erhöhung der Lebenshaltungskosten und dem
Verlust an Kaufkraft, betrifft Einkommen aus abhängiger Beschäftigung und
Renten.“
Beziehst Du Dich auf die
sog. „Krise der 4.Woche“, wenn in den Städten Straßen und Geschäfte leer
bleiben ?
„Ganz genau. In den ersten
beiden Monaten der Umsetzung des zweiten Moduls der Steuerreform ist der Konsum
zurückgegangen. Die Regierung hat nicht für die Entwicklung gearbeitet und den
Konsum gestützt. Der Protest kommt von mehreren sozialen Sektoren: von den
Arbeitern und den Rentnern, den prekär beschäftigten oder arbeitslosen
Jugendlichen und von den Älteren sowie von den städtischen Mittelschichten, wie
das Wahlergebnis in Rom, in Turin und in Mailand zeigt. Das sind die
wirtschaftlichen und sozialen Gründe für die Niederlage der Rechten. Hinzufügen
kann ich das Verhalten der Regierung gegenüber den öffentlich Bediensteten, die
unakzeptable und kurzsichtige Entscheidung, die Erneuerung des Tarifvertrages
der Staatsbeschäftigten zu verhindern. Ich will gar nicht erst wiederholen, was
die CGIL jeden Tag in Sachen Niedergang des Landes und in Bezug auf das Fehlen
einer geeigneten Industriepolitik gegenüber den Großkonzernen (mit FIAT an der
Spitze) beklagt. Aber es gibt noch mehr.“
Zum Beispiel ?
„Die unpopulären
außenpolitischen Entscheidungen, die Unterordnung der Regierung unter die
Kriegspolitik Washingtons und das Irak-Abenteuer, die in die entgegen gesetzte
Richtung wie das allgemeine pazifistische Empfinden des italienischen Volkes
gehen.“
Also mehr ein Votum gegen
die Rechte als ein Votum für die Mitte-Linke ?
„Das ist so. Aber aus den
Urnen geht auch ein radikales Verlangen nach Veränderung hervor. Es wäre Sache
der Regierung, daraus die Schlussfolgerungen zu ziehen. Das aber würde die
Umkehrung der bislang verfolgten Politik mit sich bringen: den Stopp der
institutionellen ‚Reformen’, die Wiederbelebung der Investitionen in Forschung
und Entwicklung, eine Steigerung der Löhne und der Renten, die Erneuerung der
Tarifverträge im öffentlichen Sektor, die Erstattung der Steuerdrenage an die
Werktätigen.“
Das ist wie eine
Aufforderung an die Regierung, zurückzutreten…
„Und in der tat hat der
politische und soziale Protest am Ende die Oppositionskräfte belohnt. Die
Mitte-Linke hat sowohl dort gewonnen, wo sie radikale Kandidaten aufgestellt
hat als auch dort, wo sie Vertreter der Unternehmer präsentierte. Das
bestätigt, dass das Ergebnis des Urnengangs die Niederlage Berlusconis ist.
Folglich ist das politische Verlangen nach Veränderung an die Opposition
gerichtet, damit sie die dramatischen Probleme, von denen wir gesprochen haben,
angehen und lösen. Die Opposition muss Regierungsfähigkeit demonstrieren und
vor allem ein Programm für die Parlamentswahlen verfassen.“
Es stimmt, die Opposition
hat sowohl mit radikalen wie mit gemäßigten Kandidaten gewonnen. Aber räumt
nicht der Sieg von Nichi Vendola <Rifondazione Comunista> in Apulien mit den Allgemeinplätzen auf, denen
zufolge man sich in die Mitte bewegen und den Gegner nachäffen muss ?
„In einer schwierigen
Realität hat sich ein Vertreter der radikalen Linken durchgesetzt und somit
kann man auch gewinnen, indem man diesen Weg beschreitet. Vor allem mit einem
intelligenten Wahlkampf, wie ihn Vendola geführt hat, der beschlossen hat mit
Vielen zu reden, der es verstanden hat, die Jugendlichen anzusprechen und die
Mittelschicht / den Mittelstand einbezogen und damit Anschuldigungen und
Polemiken der Rechten umgekehrt hat.“
Gibt es im Votum gegen
die Regierung nicht auch ein näher liegendes Verlagen, das mit dem Territorium <d.h. der Gegend, in der man
lebt> und seiner Qualität
verbunden ist ?
„Dieser Aspekt ist zentral,
weil er die alltäglichen Probleme der Menschen betrifft, von der Umwelt bis zur
Arbeit, von der Gesundheit bis zur Kultur. Es sei mir erlaubt zu sagen, dass
die CGIL in ihrem Verhältnis zu den Bewegungen und den territorialen
Institutionen in gewissem Maße zu diesem Wahlergebnis beigetragen hat und zwar
über die Auflösung des sozialen Blockes, der Berlusconi an die Regierung
gebracht hatte und durch die Wiederherstellung eines einheitlichen und
dialektischen Verhältnisses zu den anderen Gewerkschaftsbünden <d.h. den weiter rechts
angesiedelten CISL und UIL>.“
Können wir sicher sein,
dass die CGIL, wenn es erst einmal gelingt, Berlusconi auch bei den
Parlamentswahlen <im
April 2006> zu besiegen, nicht
erneut zum althergebrachten übermäßig verantwortungsbewussten und respektvollen
Verhältnis zu einer möglichen „befreundeten Regierung“ zurückkehrt ?
„Unser Beitrag zum Wandel
besteht in der Forderung, im Verlangen nach einem Programm, das sich auf der
Höhe einer Krise befindet, die sehr viel gravierender ist als man glaubt. Um
klar und deutlich zu sein, will ich sagen, dass man auf diese Krise und das
radikale Verlangen nach Veränderung nicht mit einer Praxis der
Ausbesserungsarbeiten, der Mäßigung der rechten Politik reagiert, sondern mit
einem starken und alternativen Projekt. Dies ist der offene Punkt im Verhältnis
zur Mitte-Linken.“
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover