Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Wie die vorherigen so ging auch das 4.
Europäische Sozialforum, das Anfang Mai 2006 am Rande Athens stattfand, mit der
Versammlung der Sozialen Bewegungen zu Ende, die traditionell die Orientierung
und die Mobilisierungen bis zum nächsten ESF beschließt. Den zahlreichen Problemen
und dem deutlich sichtbaren Niedergang der Anti-Globalisierungs-Bewegung
entsprechend zeichnete sich diese Versammlung durch einige heftige Polemiken
aus, die es in der Schärfe bislang in diesem Rahmen noch nicht gegeben hatte. Ob
es hilft, ist eher fraglich. In jedem Fall zeigt die reale Teilnehmerzahl der
ESF-Demo (5.000 Leute!), dass mittlerweile nur noch ein Zehntel der Menge
mobilisiert werden konnte, die beim ersten ESF in Florenz 2002 auf die Straße gegangen
war und sich der Umfang auch verglichen mit der Londoner Demo im Oktober 2004
noch einmal halbiert hat. (Das belegt im Übrigen auch ein Vergleich der jeweils
offiziell verbreiteten, maßlos übertriebenen, Zahlen!)
Die linke italienische Tageszeitung „il manifesto“
berichtete am 9.5.2006 über den
Schlussakt des Athener ESF:
„Hände weg vom Iran!“ Der Appell des Sozialforums
Anti-Kriegs-Agenda: Die europäische
Bewegung beschließt eine Aktionswoche im September für den Abzug der Truppen.
65 Festnahmen und zahlreiche Polemiken nach den Auseinandersetzungen am
Samstag.
ANGELO MASTRANDREA – aus Athen
Eine Aktionswoche vom 23.
bis 30. September in ganz Europa, um den Abzug der Truppen aus Afghanistan und
dem Irak zu fordern und einen neuen Krieg im Iran zu verhindern. Auf
italienischer Seite mit dem Prolog einer No
War-Mobilisierung
am 2.Juni, dem Fest der Republik, um Druck auf die künftige Regierung Prodi auszuüben und zu fordern, dass in den ersten 100
Tagen ihrer Amtszeit der Abzug der Truppen aus den Konfliktzonen bestätigt
wird. Das alles mit Blick auf die Parlamentsabstimmung über die weitere
Finanzierung der Militärmissionen im Ausland, die bis zum 30.Juni vorgesehen
ist. Das Europäische Sozialforum ging am Sonntag in Athen mit einer überfüllten
Abschlussveranstaltung sowie zahlreichen Polemiken über die schlechte Organisation
der Demonstration vom Vortag und die Auseinandersetzungen dort zu Ende, bevor
sie eine entscheidende Wende in Anti-Kriegs-Richtung vollzog. Anders konnte es
auch gar nicht sein: Die vier Veranstaltungstage haben gezeigt, dass das Thema
Krieg eine Priorität für die Bewegungen ist und das einzige, über das
Einstimmigkeit erzielt werden kann. Deshalb wird man nicht auf den üblichen
Termin des 20.März (den Jahrestag des Angriffs auf den Irak) warten, um zu
einer internationalen Mobilisierung aufzurufen, sondern sich an einen Aufruf
der amerikanischen Pazifisten anhängen, im September auf die Straße zu gehen. Übrigens
betreffen die anderen Themen, bei den das Forum eine
Synthese erzielte, das Thema Migranten und die
Opposition gegen die Privatisierungen sowie die Verteidigung des öffentlichen
Eigentums. Auch wenn man sich im letzten Fall im Oktober wiedersehen
wird, um über eine gemeinsame Demonstration zu beraten. Keine Entscheidung gab
es hingegen bezüglich Ort und Datum des nächsten Forums. In der Pole Position bleibt Brüssel mit einem
Termin <irgendwann> zwischen Herbst 2007 und Frühjahr 2008.
Beherrscht wurden die Marathon-Versammlung am Samstagabend und zum Teil
auch die Abschlussveranstaltung am Sonntag von den Polemiken über die
Zwischenfälle auf der Demonstration. Zu denen, die am härtesten auf die
griechischen Organisatoren losgingen, gehörten die Italiener, die sich an der Spitze der Demonstration, wo sie liefen, von
den „ganz in schwarz Gekleideten“
umringt sahen. Der Härteste von allen war Piero Bernocchi
von den Cobas: „Es
handelt sich um 500 Parasiten, die einen abgeschmackten Gegengipfel organisiert
haben und ein Massaker in Kauf nahmen, falls die Polizei so vorgegangen wäre
wie in Genua <bei
der Anti-G8-Demo im Juli 2001>. Sie haben sogar versucht, uns da mit hineinzuziehen,
indem sie unsere Fahnen an den Orten der Auseinandersetzungen zurückließen. Man
muss diejenigen aus der Demo schmeißen, die versuchen, sie zu zerstören!“
Die Abschlussbilanz spricht
von 65 Festnahmen, vier in Brand gesteckten Banken,
einem eingeschlagenen Mc Donald-Laden, einem in einen
Polizeiwagen geworfenen Molotow-Cocktail, durch den ein darin sitzender Beamter
verletzt wurde, einem angegriffenen und in Brand gesteckten
Mannschaftswagen, Steinwürfen und Zusammenstößen mit der Polizei entlang der gesamten
Demo-Route und insbesondere vor der US-Botschaft sowie in der Nähe der
englischen Botschaft. Und sie nennt ein ernstes politisches Problem für die
gesamte Bewegung: den Umgang mit den angeschlossenen oder gegenüber dem
Sozialforum sogar offen konfliktbereiten Bereichen. Viele stimmen der Ansicht
zu, dass die Aktion auch gegen die Versammlung der Bewegungen gerichtet war,
wie die Vermehrung der „Autonomen Räume“
und die Spaltungen zwischen „Vertikalen“
und „Horizontalen“ zeigen. Trotzdem
sprechen die Zahlen von mindestens 60.000 Leuten auf der Demonstration und ca. 30.000
Teilnehmern an den Forumsveranstaltungen, die aus ganz Europa kamen, sowie
einer noch immer bemerkenswerten Anziehungskraft des Forums. Das alles scheint
die italienische Presse nicht bemerkt zu haben. Und auch ein Teil der Linken nicht.
Vorbemerkung, Übersetzung
und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover