Antifa-AG der Uni Hannover:

 

Es wird langsam Zeit, für die zahlreichen Skandal-Interviews von Rifondazione-Comunista-Parteichef Fausto Bertinotti eine eigene Rubrik einzurichten. In dem folgenden Interview für die große, liberale, italienische Tageszeitung „Corriere della Sera“ vom 12.7.2005 erklärte er den Lesern nach den Londoner Anschlägen, dass eine repressive bürgerliche Innenpolitik die Unterstützung der Kommunistinnen und Kommunisten verdient. Gegen „ein bisschen Ausnahmegesetzgebung“ sei nichts einzuwenden, sie müsse nur „im Rahmen des Rechtsstaates geschehen“. Wie das möglich sein soll, erklärt uns der große „Theoretiker“ Bertinotti freilich nicht. Wir dachten bisher immer Ausnahmegesetze, der Ausnahmezustand oder gar eine offene bürgerliche Diktatur seien gerade die teilweise oder vollständige Aufhebung von bürgerlichem Rechtsstaat und parlamentarischer Demokratie. Wie gut, dass Fausto Bertinotti soeben die ‚rechtsstaatliche Willkürherrschaft’ erfunden hat. Da können wir uns bei einer möglichen Mitte-Links-Regierung nach den Wahlen im kommenden Frühjahr mit Bertinotti auf einem bedeutenden Ministerposten (den er erklärtermaßen anstrebt) auf Einiges freuen…

 

DAS INTERVIEW / BERTINOTTI:

 

Ja zur repressiven Politik, aber im Rahmen des Rechtsstaates

 

Von DARIA GORODISKY

 

„Der Krieg erzeugt nicht mechanisch den Terrorismus. Das ist ein eigenständiges Subjekt, das aus einer strategischen Entscheidung heraus entsteht“, sagt Fausto Bertinotti dem „Corriere“. Und um ihn zu bekämpfen ? „Es kann auch repressive Politik und ein bisschen Ausnahmegesetzgebung angewandt werden. Doch das muss im wesentlichen im Rahmen des Rechtsstaates geschehen.“

(Auf Seite 2)

 

 

Das Interview:

 

„Ja zu einigen Ausnahmenormen, ohne die Rechte anzutasten“

 

Bertinotti: Nutzen wir die Erfahrungen mit den Roten Brigaden (BR). Die Aktivität der Geheimagenten (der 007er) zu erhöhen, hat sich als effektiv erwiesen. Nein zur Superstaatsanwaltschaft.

 

ROM – Fausto Bertinotti, was für eine Wirkung hat die Diskussion über Sondergesetze, Ausnahmegesetze… auf Rifondazione Comunista ?

 

„Das ist traurig. Die allgemeine Philosophie, auf der die Idee fußt, sie zu erlassen, ist falsch und in einzelnen Punkten sind sie abwegig. Angesichts der Krieg-Terrorismus-Spirale und der Tatsache, dass die Welt der Gefahr von Aggression und Tod ausgesetzt ist, ist die Antwort ‚Ausnahmegesetze’ ineffizient und ein juristischer Rückschritt.“

 

Die Alternative ?

 

„Mit Sicherheit können die Freiheiten des Rechtsstaates nicht reduziert werden. Und man kann auch nicht auf Instrumente zurückgreifen, die die Bevölkerung dazu verleiten, in ihrer Nachbarschaft die letzten Ausläufer des Terrorismus zu suchen und zur Logik der Verdächtigung führen. Vielmehr müssen Krieg und Terrorismus zusammen bekämpft werden.“

 

Wollen Sie damit sagen, dass der Krieg, das was im Irak passiert, die Ursache für Anschläge wie in London oder Madrid ist ?

 

„Nein, der Krieg erzeugt nicht mechanisch den Terrorismus. Der Terrorismus ist ein eigenständiges politisches Subjekt, das aus einer strategischen Entscheidung heraus entsteht. Es existiert keine Ursache, die ihn erzeugt. Es gibt jedoch Mitursachen, die ihn nähren: Armut, Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Krieg…    insbesondere der unbegründete, brutale und imperiale, der gerade gegen den Irak geführt wird.“

 

Um Armut und Ungerechtigkeit zu bekämpfen, braucht es Zeit. Aber im Herzen der europäischen Städte explodieren die Bomben jetzt. Was tun ?

 

„Man muss vermeiden all das zu tun, was den Terrorismus nähren kann. Wir dürfen ihm nicht das Wasser liefern, in dem er schwimmen kann. Deshalb: kein Krieg und kein neues Unrecht gegenüber den islamischen Bevölkerungen.“

 

Glauben Sie, dass das ausreicht ?

 

„Der Terrorismus muss politisch besiegt werden. Ich habe die italienische Erfahrung der Brigate Rosse (BR) miterlebt, die sicherlich ganz anders war. Ich glaube, dass man – genau wie damals – die Natur dieses Phänomens sehr genau begreifen und es isolieren muss. Nutzen wir das aus, was wir gelernt haben. Denken wir an einen Massenkampf um die Nährlösung des Terrorismus zu reduzieren. Es kann auch repressive Politik und ein bisschen Ausnahmegesetzgebung angewandt werden. Doch das muss im wesentlichen im Rahmen des Rechtsstaates geschehen.“

 

Entschuldigen Sie, aber was bedeutet „ein bisschen“ Ausnahmegesetzgebung ? Sind Sie z.B. mit einer Verstärkung der Nachrichtendienste und einer Ausweitung der Telefon-, E-Mail- etc. Überwachung einverstanden ?

 

„Der italienische Nachrichtendienst hat eine gewisse Effektivität demonstriert. Wenn die Regierung <Berlusconi> diese Aktivitäten – immer in den Grenzen des Rechtsstaates – erhöhen will, soll sie das tun… und es wird keinen Bruch geben.“

 

Und die Vergünstigungen, wie die bei den Kronzeugen / Reuigen (pentiti) angewandten ?

 

„Überzeugen mich nicht. Wäre eine Person, die so tief in der Gewaltspirale drinnen steckt, dass sie zum Selbstmord entschlossen ist, wirklich zu Tauschgeschäften dieser Art bereit ?“

 

Die Blockade der finanziellen Kanäle, die die terroristischen Gruppen versorgen ?

 

„Diese Möglichkeit existiert bereits, wenn die Verbindung bewiesen ist.“

 

Leichterte Ausweisungen ?

 

„Nein.“

 

Dann eine Superstaatsanwaltschaft ?

 

„Haben wir bereits erlebt. Und darüber hinaus ist es wirklich widersprüchlich, ein derartiges Gremium vorzuschlagen, gleichzeitig aber eine Regelung zu wollen, die den legitimen beruflichen Aufstieg eines Richters wie Caselli blockiert.“

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügung in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover