Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Dank des
kaum vorhandenen Widerstandes gehen die Herrschenden bei der Umsetzung der Hartz-Gesetze immer dreister und aggressiver zur Sache. Sie
zeigen dabei auch immer weniger Skrupel, ihre eigenen neoliberalen Gesetze zu
übertreten, um die durch Hartz IV in großem Stil
eingeführte Zwangsarbeit noch weiter auszudehnen und zu verschärfen. Der
nachfolgende Artikel aus der Tageszeitung “junge Welt” vom 19.8.2006 schildert neue Schritte in diese Richtung,
bei denen sich der Hamburg Senat einmal mehr als einer der Vorreiter betätigt.
Es
handelt sich bei der entsprechenden Praxis im übrigen
keineswegs um Einzelfälle. Selbst der Bundesrechnungshof kam Ende Mai 2006 in
einer Expertise zu dem Ergebnis, das bei mindestens 25% der 1-Euro-Jobs die
vorgeschriebenen Kriterien der “Zusätzlichkeit” und “Gemeinnützigkeit” nicht
erfüllt seien und es bei
weiteren 50 Prozent erhebliche Zweifel an der Förderungsfähigkeit gebe. Das heißt Hartz
IV wird in der Praxis in vielen Fällen noch einmal überboten und reguläre
Arbeit in großem Stil durch Zwangsarbeiter erledigt. Das Ziel ist klar: Weitere
Einsparungen im Rahmen der forcierten Umverteilung von unten nach oben und die
Verstärkung des Drucks auf alle Lohnabhängigen, um sie mit Hilfe des
Druckmittels Zwangsarbeit noch gefügiger zu machen und (z.B.) bei der nächsten
Tarifrunde im Öffentlichen Dienst die Anfang des Jahres geschlagenen Breschen
zu nutzen und endgültig den “Dammbruch” zu schaffen.
Ein-Euro-Jobber als
Straßenfeger
Hamburgs Senat wegen Mißbrauchs von Billigjobs
in der Kritik
Niels Stecker
Der Mißbrauch von Ein-Euro-Jobs nimmt immer groteskere Formen
an. Jetzt sollen in Hamburg Erwerbslose sogar regelmäßig den Jungfernstieg
schrubben, wie dies zunächst der FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhard Müller Sönksen und dann auch der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete
Klaus-Peter Hesse gefordert hatten. Müller-Sönksen
griff bei einem Fototermin für die Bild-Zeitung selbst zu Schrubber und
Wassereimer und reinigte (für ein paar Minuten) einige Ecken des
Prachtboulevards. Diesem »Druck der
Öffentlichkeit« gab am Freitag die Hamburger Wirtschaftsbehörde teilweise
nach. Behördensprecher Arne von Maydell erklärte
gegenüber junge Welt, daß für konkrete Projekte – wie
zum Beispiel Großveranstaltungen – entsprechende Planungen für den
Jungfernstieg schon erarbeitetet wurden, für die sich Beschäftigungsträger dann
bewerben können.
Doch damit würde der CDU-Senat dem Mißbrauch von
Ein-Euro-Jobs zustimmen, kritisierte dies umgehend DGB-Lokalchef Erhard Pumm. Er forderte, daß die
Kriterien der »Zusätzlichkeit« und
des »öffentlichen Interesses«, wie
sie das Sozialgesetzbuch II (SGB II) vorschreibt, auch eingehalten werden. Mit
diesen Kriterien soll verhindert werden, daß reguläre
Arbeitsplätze, wie in diesem Fall bei der Stadtreinigung, durch die Billigjobs
gefährdet oder verdrängt werden.
Doch die Hemmschwellen liegen immer niedriger. Längst werden in Hamburg
Ein-Euro-Jobber auch für die Reinigung von U-Bahn-Waggons eingesetzt, und in
etlichen Städten wurden Erwerbslose für Straßenreinigungstätigkeiten während
der Fußball-WM zwangsverpflichtet. Im großen Stil und dauerhaft werden Jobber
für Stadtreinigungstätigkeiten schon jetzt in Braunschweig eingesetzt, wo sie
auf 2000 Straßen Müll sammeln, Graffiti wegschrubben und Unkraut jäten müssen.
Im Arbeitsprojekt »Unser sauberes Braunschweig« sind regelmäßig bis zu 280
Billigjobber beschäftigt. Da sich viele Erwerbslose zunächst weigerten, diese
Tätigkeiten auszuüben, hat Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) sogar einen
Vertrag mit der ARGE abgeschlossen, nach dem »Arbeitsverweigerern« Kürzungen bei der Grundsicherung drohen, die »unmittelbar« und »konsequent« greifen sollen. Wenngleich nicht in diesem Ausmaß,
sind Erwerbslose inzwischen auch in Wiesbaden, Essen und Osnabrück – obwohl
dies ein klarer Gesetzesverstoß ist – für Straßenreinigungsarbeiten eingesetzt.
In Dresden hat sich eine Beschäftigungsgesellschaft hingegen auf die
Beseitigung von Hundekot auf den Straßen spezialisiert.
Positive Beispiele gibt es aber auch: In Berlin und im nordniedersächsischen
Buxtehude weigerten sich Stadtreinigungen und Personalräte erfolgreich,
entsprechenden Maßnahmen zuzustimmen. Die Personalräte sind
mitbestimmungsberechtigt, wenn die Jobber direkt in die Stadtreinigung
integriert werden.
Quelle: www.jungewelt.de
Vorbemerkung: Antifa-AG der Uni hannover +
Gewerkschaftsforum Hannover