6.6.2005 - Europäische Linkspartei:

 

Wir werden weiter für ein Europa und eine Welt kämpfen, wo Gleichheit und Frieden herrschen
Erklärung des Rates der Parteivorsitzenden

 

Europa hat eine politische Sensation erlebt. Mit der Ablehnung des Vertrages über eine Europäische Verfassung durch Frankreich und die Niederlande, zwei Gründungsmitglieder der EU, wird eine neue Entwicklungsetappe Europas eingeleitet und eine grundsätzliche Debatte über Politik und Ziele der EU eröffnet. Die neue Etappe gibt den Völkern Europas Gelegenheit, sich an der Diskussion zu beteiligen und ein Europa, frei von neoliberalen Institutionen und neoliberaler Politik, zu fordern. Eine linke, populäre pro-europäische Position hat Gestalt angenommen und gesiegt. Das neoliberale Europa, das von der Logik des Verfassungsvertrages inspiriert wird, ist vom französischen Volk in einem Akt der Demokratie zu Fall gebracht worden. Die beeindruckende Wahlbeteiligung, die höchste bei französischen Wahlen in den letzten 15 Jahren, höher noch als beim Referendum über den Vertrag von Maastricht, hat gezeigt, dass es eine tiefe Zuneigung für Europa gibt, wenn eine demokratische Entscheidung möglich ist. Eine Alternative für Europa existiert - das hat die Kampagne für das Nein in Frankreich eindeutig bewiesen.

Wir, die Partei der Europäischen Linken, die einzige Partei unter den demokratischen, progressiven Kräften, die dem Lager des Nein angehört, teilen die Freude der Französischen Kommunistischen Partei und der Linken, die in der Kampagne gegen den Verfassungsvertrag zu einem Zusammenwirken ganz neuer Art gefunden haben. Dass dabei soziale Fragen angesprochen wurden, hat sich als entscheidend herausgestellt. Das Votum des Volkes hat gezeigt, dass diese Fragen in Europa immer dringender werden. Das rührt daher, dass der über zehn Jahre lang verfolgte neoliberale Kurs mit Sozialabbau, Ausbreitung von ungeschützten und unsicheren Arbeitsverhältnissen, Privatisierung von Gemeineigentum und öffentlichen Dienstleistungen gescheitert ist. Das Nein bedeutet nicht nur eine Ablehnung des Vertragstextes, sondern auch der neoliberalen Logik, von der er durchdrungen ist und mit ihr des Mangels an Demokratie. Die Europäische Linke muss gemeinsam mit der sozialen und der Friedensbewegung der Forderung der Völker nach einer Alternative für Europa Ausdruck verleihen. Alle Linkskräfte in Europa müssen daraus die wichtige Lehre ziehen: Ein Sieg ist möglich, wenn die Linke an die Demokratie glaubt und sich dafür einsetzt, das Volk zu beteiligen, wenn sie die Kritik der Massen aufnimmt, die das neoliberale Gesellschaftsmodell mehrheitlich ablehnen. Eine linke pro-europäische Massenposition ist entstanden, die die gegenwärtigen Lebensbedingungen in Europa in Frage stellt. Im Namen eines anderen Europas hat das französische Volk den Versuch abgewehrt, dem Neoliberalismus in Europa Verfassungsrang zu verleihen.

Die europäischen Völker haben jetzt die Gelegenheit, Neoliberalismus und Demokratiedefizit zu überwinden und ein demokratisches, solidarisches, auf Gleichheit beruhendes Europa zu erreichen. Europa braucht eine neue Wirtschafts- und Sozialpolitik. Das haben auch die jüngsten Wahlen in Deutschland gezeigt.

Die Frage nach Demokratie in Europa bedarf dringend einer Antwort. Ohne diese wird sich die Krise der Politik weiter vertiefen. Bei Entscheidungen dürfen die Bürger nicht weiter außen vor bleiben.

Der EU- Verfassungsvertrag wurde als Ersatz für alle bisherigen europäischen Verträge, als Grundgesetz der EU konzipiert. Der vorliegende Vertrag ist nun abgelehnt und politisch tot. Der Europäische Rat muss das Ergebnis des Referendums und die neue Etappe zur Kenntnis nehmen. Grundlagen und Ziele der EU müssen neu definiert werden - ebenso wie ihre 'Wirtschafts-, Sozial-, Umwelt- und Außenpolitik sowie ihre Haltung zu den eigenen Institutionen. Darüber zu debattieren kann nicht den Institutionen und den Regierungen der Mitgliedstaaten überlassen bleiben, die von den Bürgern Europas abgestraft worden sind. Wir fordern, dass die nationalen Parlamente und das Europäische Parlament unverzüglich in den neuen Prozess einbezogen werden. Vor allem aber ist die Debatte für die Völker Europas zu öffnen, die die Hauptakteure der neuen Integration Europas werden müssen.

Die Europäische Linke wird die europäischen Völker weiter mobilisieren. Darüber hinaus hält sie es für wichtig, mit kritischen Verfechtern des Ja in einen Dialog zu treten und für ein neues friedliches Europa zusammenzuarbeiten, das die neoliberale Politik über Bord geworfen hat.

Aus diesen Gründen fordert die EL allen linken und progressiven Kräfte auf, folgende kurzfristigen Ziele zu unterstützen:

Rücknahme der Bolkestein-Direktive, der Arbeitszeit-Direktive und aller anderen

Der erste Kongress der EL findet im Oktober dieses Jahres in Athen statt. Aus diesem Anlass werden wir weiter für ein Europa und eine Welt kämpfen, wo Gleichheit und Frieden herrschen. Der Politik gebührt die Priorität, nicht der Wirtschaft. Das ist heute möglich - mehr denn je.

 

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(Dieses Dokument entnahmen wir der PDS-Homepage http://sozialisten.de/sozialisten/el/dokumente/view_html?zid=27722&bs=1&n=1)