Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Im April
/ Mai 2004 fand im neuesten FIAT-Automobilwerk in Melfi (Süditalien) der
wichtigste Arbeitskampf seit Jahren statt. Dieser dreiwöchige wilde Streik samt
Blockade der Werkstore wurde für die Angleichung der Löhne und Zulagen an die
anderen FIAT-Werke, die Veränderung des ruinösen Schichtsystems und ein Ende
der massiven innerbetrieblichen Repression geführt und war im wesentlichen
erfolgreich, was weitere Arbeitskämpfe, z.B. beim Fincantieri-Konzern, zur
Folge hatte. Nun bahnt sich eine ähnliche Entwicklung im seit Jahren sehr
profitablen Automobilwerk des Joint Venture-Unternehmens Sevel (FIAT + Citroen
+ Peugeot) in Chieti (Region Abruzzen) an, wo Kleintransporter der Marke Ducato
produziert werden und die Belegschaft ähnliche Forderungen wie in Melfi erhebt.
(Auch hier sollte von den Lesern bedacht
werden, dass es in Italien keinerlei Streikgeld gibt, jeder Streik also 100%
Lohnausfall bedeutet und das bei ohnehin nicht sehr üppigen Löhnen !) Über das Geschehen in Sevel berichtete die
linke Tageszeitung „il manifesto“ vom 8.1.2005. Auf den dort
erwähnten Streik folgten allerdings schon kurze Zeit später weitere Aktionen.
Am 12.Januar wurde die wichtigste Schnellstrasse bei Val de Sangro besetzt, am
13.Januar folgte eine allgemeine Arbeitsniederlegung mit einem 2.000 Personen
umfassenden Demonstrationszug durch die Werkshallen (unter Beteiligung
führender Gewerkschaftsfunktionäre der nationalen Ebene) und damit endet die
Geschichte nicht…
Sevel Chieti: Die Revolte der Kleintransporter
Ducato-Arbeiter im Streik: „Wir
wollen dieselbe Entlohnung wie die anderen FIAT-Arbeiter.“
Antonio Sciotto
Harter Kampf bei Sevel. In
dem Ducato- und Fiorino-Werk, wo die Streikbeteiligung normalerweise nicht über
40% liegt, sind die Arbeiter <jetzt> alle im Streik. 15
Stunden Streik gab es im letzten Monat, die für FIAT 2.000 Kleintransporter weniger
bedeuten. Gestern fanden zweistündige Arbeitsniederlegungen pro Schicht statt,
mit 90% Beteiligung. Die Firma Sevel (Ergebnis einer Allianz von FIAT, Citroen
und Peugeot) produziert 200.000 Kleintransporter im Jahr, gibt 5.000 Menschen
Arbeit (4.500 im Werk plus 500 in den ausgegliederten Unternehmensteilen),
darunter ungefähr 1.000 prekär Beschäftigte. Eine industrielle Kleinstadt in
Val di Sangro (Chieti), ähnlich dem Bezirk Melfi. Und sehr rentabel: Immer in
der Gewinnzone, produziert das Unternehmen Sevel seit gut 4 Jahren 40.000
Transporter mehr als vom Budget vorgesehen. „Wir sind die Bank des
FIAT-Konzerns. Die <hier
erzielten> Profite werden dazu
verwandt, um die Defizite zu decken“, erklärt Marco Di Rocco (FIOM-Sekretär von
Chieti). „Wenn es nach uns geht, kann das auch so bleiben. Uns liegt das
Schicksal des Konzerns am Herzen, aber es ist nicht gerecht, dass die Arbeiter
hier in den Abruzzen <einer
wirtschaftlich wenig entwickelten Region im südöstlichen Teil Mittelitaliens> anders entlohnt werden als die FIAT-Arbeiter im
übrigen Italien.“
Und das ist so, weil die
Entlohnung der Arbeiter bei Sevel, genau wie es in Melfi vor der mittlerweile
gefeierten Revolte des vergangenen Frühjahres der Fall war, (auf das gesamte Jahr
berechnet) 10% niedriger ausfällt als im restlichen Konzern. Das ist, wie Di
Rocco erläutert, das Ergebnis „der Zuschläge für die Spät- und die
Nachtschicht, die bei Sevel 24% bzw. 50% betragen, gegenüber 27% und 60% im
restlichen FIAT-Konzern. Außerdem gibt es nicht gewährte Vergünstigungen. Nach
20jähriger Unternehmenszugehörigkeit zahlt FIAT als Prämie ein ganzes
Monatsgehalt. Das geschieht hier nicht. Um von der Tatsache, dass man bei uns,
aufgrund der besonderen Metrik der Schichten, eine halbe Stunde mehr am Tag
arbeitet, gar nicht zu reden. Und auch in diesem Fall fordern wir eine
Gleichstellung mit den anderen Werken.“
Die gemeinsame
Tarifforderung von FIM-CISL, FIOM-CGIL, UILM und der <eher gelben> FISMIC verlangt daher die Angleichung an die
FIAT-Arbeiter im Rest des Landes sowie eine Ergebnisprämie von 960 Euro brutto
jährlich. Notwendige Erhöhungen, da ein Arbeiter der <niedrigen> Lohngruppe 3 plus Zuschlägen für eine 5jährige
Unternehmenszugehörigkeit monatlich 960 Euro netto bezieht – zu wenig, um beim
Teuro (il caroeuro) zu überleben.
Es gibt allerdings noch
andere wichtige Punkte, wie Lello Raffo (nationaler FIOM-Verantwortlicher für
den FIAT-Konzern) erinnert. Es gibt die große Anzahl an Prekären, Leiharbeitern
und mit Zeitverträgen Beschäftigten, die in vielen Fällen bis zu 4 Jahre lang
in diesem Status gehalten werden. Das ist nicht zu rechtfertigen, wenn man
bedenkt, dass Sevel nicht mit Produktionsspitzen arbeitet, sondern mittlerweile
seit Jahren strukturell mehr Transporter produziert als die normalen Budgets
vorsahen. Für sie wird der Übergang zu unbefristeter Beschäftigung gefordert.
Und dann das Ende der Disziplinarmaßnahmen. Jüngst wurde ein RSU-Delegierter
der <christdemokratischen> FIM-CISL entlassen, während den Frauen, die
streiken, mit dem Entzug der flexiblen Arbeitszeiten gedroht wird. Insbesondere
geht es um rund 90 Arbeiterinnen, die Teilzeit in Anspruch nahmen, weil sie
kleine oder behinderte Kinder haben – eine Abweichung, die in der Praxis
zugestanden wurde. Aber FIAT hat die harte Linie gewählt: ‚Wenn Ihr streikt,
müsst Ihr wieder Vollzeit arbeiten !’
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
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