* Rosso:
Eine sozialrevolutionäre Guerilla-
und Massenbewegung, die sehr erfolgreich ist und hierzulande trotzdem (oder
gerade deshalb ?) nach wie vor kaum zur Kenntnis
genommen wird… Die Rede ist von der linken Massenbewegung, die in Nepal unter
Führung der maoistischen KP das Feudalregime an den Rand des Exitus getrieben
und hervorragende Ausgangsbedingungen für weitere erfolgreiche Kämpfe
geschaffen hat. Für den „zivilgesellschaftlichen“,
„politisch korrekten“ und „äquidistanten“ westeuropäischen
Durchschnittslinken ist sie aber wohl doch zu sehr „Old School“ und „zu extrem“.
Da übt man sich lieber in Ignoranz.
Nicht, dass hier ein neues „Vaterland des Sozialismus“ oder gar ein
„allgemeingültiges Revolutionsmodell“
propagiert werden soll, aber etwas mehr Aufmerksamkeit und Solidarität für die revolutionäre
Linke auf dem „Dach der Welt“ stände
der hiesigen Linken sicherlich gut an und würde wohl auch ein wenig gegen die grassierende
politische Depression helfen. Ganz nebenbei könnte man dabei auch bemerken,
dass die maoistische KP Nepals so monolithisch und Sendero
Luminoso-mäßig, wie gern geglaubt, gar nicht ist. Aber
dazu haben wir ja noch als Antifa-AG der Uni Hannover
bereits einiges gesagt (http://antifa.unihannover.tripod.com/DW-Interview_Bhattarai.htm)
Einen
wichtigen Beitrag zur Information über den aktuellen Stand der Dinge in Nepal
leistet die „junge Welt“ vom 23.11.2006.
Deren Homepage auch ansonsten immer empfehlenswert ist (www.jungewelt.de)
»Die
Monarchie hat keinen Bestand«
Maoisten haben erfolgreich für Demokratisierung
Nepals gekämpft. Für den entmachteten König Gyanendra
sehen sie keine Zukunft in ihrem Land.
Ein Gespräch mit Dinanath Sharma
Sie verhandeln mit der
Siebenparteienallianz über eine Interimsverfassung für Nepal, im kommenden Jahr
soll eine verfassungsgebende Versammlung einberufen werden. Mit wem können Sie
dabei zusammenarbeiten, wer steht auf Ihrer Seite?
„Außer der Nepalesischen Kongreßpartei und der Demokratischen Nepalesischen Kongreßpartei von Sher Bahadur Deuba wollen alle
politischen Kräfte und die Bevölkerung die 238 Jahre alte feudalistische
Monarchie abschaffen. Sie konnte überhaupt nur so lange überleben, weil sie die
Armee auf ihrer Seite hatte und vom externen Imperialismus unterstützt wurde,
genauer gesagt, vom US-Imperialismus sowie vom indischen Expansionismus.
Ohne diese Einflüsse wäre sie schon längst abgeschafft.“
Wie sieht diese externe Unterstützung
aus?
„Zum Beispiel bilden die
Agenten des US-Imperialismus schon seit langem Soldaten der nepalesischen Armee
und Polizeikräfte aus und beliefern sie mit Waffen, was übrigens auch die
Friedensgespräche spürbar behindert hat. Dies ist derzeit ein wichtiges Thema
in Nepal. Wir hätten gehofft, Sie hätten davon in den Zeitungen lesen können.“
Wie sehen die Prioritäten der
Kommunistischen Partei Nepals (Maoistisch) aus, wenn sie in die Regierung in Kathmandu eingebunden ist?
„Für uns und alle anderen
republikanischen Kräfte steht die Abschaffung der Monarchie an erster Stelle.
Erst wenn wir eine Republik geschaffen haben, wird eine wirtschaftliche,
politische und soziale Transformation im Interesse der Bevölkerung möglich
sein. Wir wollen Ausbeutung und Diskriminierung beenden, gleich, ob sie auf
Klassen, ethnischen Gruppen oder Geschlechtern beruht.“
Wird die künftige Republik ein
Mehrparteiensystem haben?
„Ja, nachdem wir alle
feudalen und kapitalistischen Strukturen zerschlagen haben, wird es ein
Mehrparteiensystem geben – aus allen antifeudalen und antiimperialistischen Kräften.“
Sie haben in den vergangenen zehn
Jahren bewaffneten Kampfes einen Großteil des Himalaja-Landes unter die
Kontrolle der Partei gebracht. Was hat sich in den von der KP-Guerilla
kontrollierten Gebieten zum Besseren verändert?
„80 Prozent Nepals sind unter
unserer Kontrolle. In diesen Gebieten haben wir das Feudalsystem vollständig
zerschlagen. Das ist das Wesentliche. Wir haben Frauenrechte durchgesetzt. Ich
weiß nicht, ob es Ihnen bekannt ist, aber 40 Prozent der Mitglieder unserer
Partei und der Befreiungsarmee sind Frauen. Das sogenannte
Kastenwesen, vor allem das Prinzip der sogenannten
Unberührbarkeit wurden vollständig abgeschafft. Wir haben revolutionäre
Landreformen durchgeführt, den Bauern zu ihren Rechten verholfen. Es gibt keine
Überbleibsel des reaktionären Regimes, alle Einheiten, zum Beispiel der
Polizei, sind geflohen. Das Land wurde in neun
autonome Regionen aufgeteilt. Wir üben nun Demokratie im wahren Sinn des Wortes
aus. Gleichzeitig schreitet die wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Revolution voran. Entwicklungsprojekte sind auf den Weg gebracht, eine neue
Produktionsweise entsteht. Die Infrastruktur wird entwickelt. Wir bauen
Straßen, Krankenhäuser, Schulen, Kleinindustrie und kleine Wasserkraftwerke.“
Ein wichtiger Streitpunkt beim
Friedensabkommen war bis zuletzt die Entwaffnung der Befreiungsarmee. Unter
welchen Bedingungen werden Sie die Waffen abgeben?
„Die nepalesische Armee muß aufgelöst werden. Sie hat die feudalistische Monarchie
unterstützt und ist antidemokratisch. Danach können sich die bewaffneten Kräfte
wiedervereinigen.“
Das heißt letztlich, die Guerilla behält ihre Waffen. Haben Sie in dieser Frage
die Unterstützung der Siebenparteienallianz?
„Außer den royalistischen
Kräften und einigen Personen in royalistischen Parteien wie der Nepalesischen Kongreßpartei erheben alle politischen Kräfte und die
Öffentlichkeit dieselbe Forderung. Nach der Auflösung der Armee und den Wahlen
zur verfassungsgebenden Versammlung soll es eine Neustrukturierung der
nepalesischen Armee geben. Bis dahin werden die bewaffneten Kräfte
neutralisiert. Das heißt, die Soldaten der Armee ziehen sich in die Kasernen
zurück und bleiben dort, während die Kämpfer der Befreiungsarmee sich in vorübergehenden
Lagern niederlassen.“
Nepal ist stark hinduistisch geprägt.
Wie stehen die Maoisten zur Religion?
„Nach unserer Auffassung ist
Religion eine persönliche Angelegenheit. Wir werden die Religion nicht
gewaltsam unterdrücken. Jeder kann sie ausüben oder auch nicht, das ist die
Entscheidung jedes Einzelnen. Wenn die Menschen Kirchen, Tempel oder Moscheen
bauen wollen, können sie das tun. Aber je mehr sie sich den revolutionären
Ideen anschließen, werden sie sich vom »Aberglauben« abwenden.“
Aber Sie haben ca. 85 Prozent Hindus
und ein Kastenwesen in Nepal. Die ganze Gesellschaft muß
doch religiös geprägt sein.
„Diese Zahl ist falsch.
Nepal wurde von der Monarchie zum hinduistischen Staat erklärt, aber das
spiegelt nicht die gesellschaftliche Realität wider. Die indigenen Gemeinden in
Nepal sind nicht hinduistisch, und sie sind in der Mehrheit. Sie wurden vom
Staat zu Hindus erklärt oder wendeten sich dem Hinduismus aufgrund staatlichen
Zwanges zu.“
Welche Zukunft sehen Sie innerhalb
Nepals für König Gyanendra? Wenn er derart von den
USA unterstützt wird, könnte diese Frage von Bedeutung sein.
„Es
ist die Bevölkerung, die Geschichte schreibt. Wenn das nepalesische Volk die
Monarchie nicht will, kann sie trotz aller imperialistischer und
expansionistischer Hilfe keinen Bestand haben.“
Vorbemerkung: * Rosso
Der Name * Rosso steht
für ein Mitglied der Antifa-AG der Uni Hannover und
des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der Vergangenheit den Großteil
der Übersetzungsarbeit beider Gruppen geleistet hat. Nachdem sich die Antifa Uni nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober
2006 aufgelöst hat (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html)
werden die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller
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gewerkschaftsbezogenen Texte erscheinen ab sofort nur noch im Namen und in der
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