Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Bereits Ende letzten Jahres kam in Italien die Forderung nach einem europaweiten Generalstreik gegen einen neuerlichen Irak-Krieg der USA und ihrer Verbündeten auf. Die Antiglobalisierungsbewegung nahm sie am 10.November 2002 an herausgehobener Stelle in das Abschlußdokument des Europäischen Sozialforums in Florenz auf. Doch erst nachdem die landesweiten Großdemonstrationen gegen den Krieg am 15.Februar 2003 ein - in diesem Umfang unerwarteter - Erfolg wurden (in Rom waren es zwar nicht 1 bis 2 Millionen, wie von den Veranstaltern behauptet wurde, aber mit real 130 - 150 000 doch soviele wie selten !), konnte sich auch die europäische Gewerkschaftsbürokratie diesem Ansinnen nicht mehr ganz entziehen. Der nachfolgende Artikel aus der links-unabhängigen italienischen Tageszeitung “il manifesto” vom 19.2.2003 gibt einen Eindruck vom Verlauf der Debatte in Italien unmittelbar nach der Großdemo in Rom:



Europäischer Generalstreik gegen den Krieg ? Ja, äh, vielleicht.


Die FIOM hat ihn bereits beschlossen, <aber> das CGIL-Sekretariat gerät nicht aus dem Gleichgewicht. Am Freitag Treffen mit den Bewegungen, dann mit den europäischen Gewerkschaften.


Angelo Mastrandrea - Rom


Ein Generalstreik - gar ein europäischer - im Falle eines Krieges gegen den Irak ? Diese Idee zirkuliert seit Monaten in den Versammlungen der Bewegung und in den Gewerkschaftssekretariaten (vornehmlich der CGIL und der COBAS) und hat zum Abschluß des Europäischen Sozialforums in Florenz auch die Zustimmung der Versammlung der sozialen Bewegung erhalten. Dann hatte sich jedoch nichts getan. Sei es wegen der mit den unterschiedlichen nationalen Gesetzeslagen verbundenen organisatorischen Schwierigkeiten, sei es weil der Krieg de facto noch nicht begonnen hat und man daher dachte, daß es angebracht sei einen weltweiten Aktionstag anzustreben. Nun aber, nach dem über allen Erwartungen liegenden Erfolg der Demonstration vom Samstag ist das Thema wieder in der Diskussion. Am Rande erwähnt beim gestrigen Treffen <der CGIL-Spitze> mit den Bewegungen in der nationalen CGIL-Zentrale wird es hingegen am Freitag <den 21.2.2003> detaillierter behandelt werden, wenn der Möglichkeit eines Generalstreiks, angesichts eines weiteren Treffens mit den europäischen Gewerkschaften, eine eigens dafür vorgesehene Versammlung gewidmet wird. Wenn sich der Streik als undurchführbar erweisen sollte, könnte immerhin ein Kampftag auf europäischer Ebene beschlossen werden. Gestern Morgen hat das Mitglied des konföderalen <d.h. nationalen> Sekretariates der CGIL, Marigia Maulucci, während der Rede auf einem Konvent der Rentnergewerkschaft (SPI-CGIL) angekündigt, daß die CGIL im Falle eines Krieges gegen den Irak einen Generalstreik aller Arbeitenden proklamieren könnte und dabei präzisiert, daß die Entscheidung auch in dem Falle getroffen wird, daß die UNO grünes Licht für den Angriff gibt. “Es scheint schwerlich möglich, daß die CGIL, angesichts eines Angriffes auf den Irak, keinen Generalstreik gegen den Krieg proklamiert. Wir haben im Sekretariat darüber gesprochen und wir stimmen darin überein. Wir müssen der Demonstration vom Samstag Rechnung tragen”, erklärte sie und zwang damit den Generalsekretär Guglielmo Epifani klarzustellen, daß “das Sekretariat der CGIL nichts beschlossen hat, auch weil wir uns mit der notwendigen Kraft dafür einsetzen, daß der Krieg nicht stattfindet”.


In der Tat lautet die Argumentation, die <in der CGIL-Zentrale> am Corso d’Italia geführt wird: Das aktuelle Szenario ist noch das der Gefahr, daß ein Konflikt ausbricht und es ist vorrangig auf die Tatsache zu vertrauen, daß der Krieg noch abgewendet werden und aus dem Ergebnis <der weltweiten Friedensdemos> des 15.Februar Kapital geschlagen werden kann. Wie ? “Indem weiter an allen sozialen Treffpunkten die Argumente vorgebracht werden, aufgrund derer man den Krieg nicht führen darf und auf die Konsequenzen im Mittleren Osten hingewiesen wird”, erklärt Titti Salvo (Verantwortliche für die internationalen Beziehungen der Gewerkschaft). Und noch unmittelbarer, indem der Druck auf das Parlament intensiviert wird, “das das, was vergangenen Samstag geschehen ist, nicht ignorieren kann”. Auch wenn - räumt sie ein - “wir niemals irgendeine Mobilisierungsform ausgeschlossen haben, wenn der Krieg wirklich ausbrechen sollte”.


Wer offiziell dazu bereit ist, einen Generalstreik zu proklamieren, ist hingegen die FIOM. Davon hat bereits vor einigen Tages ihr Generalsekretär Gianni Rinaldini gesprochen, der auf der Generalversammlung der RSU-Delegierten <d.h. der “Betriebsräte” bzw. “Vertrauensleute” seiner Organisation> erklärte, wie die Gewerkschaft der Metallarbeiter <innerhalb der CGIL> im Kriegsfall bereit sei, in den Streik zu treten. Rinaldini sagte auch, daß er die anderen europäischen Matellarbeitergewerkschaften aufgefordert habe, an einen europäischen Streik der Berufsgruppe gegen den Krieg zu denken - vorläufig ohne bemerkenswerte Antworten. “Es steht die Möglichkeit eines europäischen Streikes der Metallarbeiter im Raum. Wir werden sehen, was am Ende dabei herauskommt. Wir stehen mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) in Kontakt, um eine gemeinsame Position der gesamten europäischen Gewerkschaftsbewegung gegen den Krieg und für den Frieden zu erreichen. Ich habe aber bereits gesagt und wiederhole es, daß - was uns anbelangt - wir die Mehrheit der Bürger vertreten müssen, die ohne Einschränkungen gegen den Krieg ist und das mit Vorgehensweisen, die alle ansprechen.” Dies der Kommentar von <CGIL-Generalsekretär> Epifani dazu.


Zu einem europäischen Streik drängen auch (und das seit langem) die COBAS, die sich bereit erklären, auf die CGIL zu warten und sogar auf die <christdemokratische und - nach der CGIL - zweitgrößte italienische Gewerkschaftszentrale> CISL, die am vergangenen Samstag auf der Straße präsent war und deren Generalsekretär Savino Pezzotta am Abend zuvor an einer Mahnwache für den Frieden teilgenommen hat, die von einigen katholischen Vereinigungen organisiert worden war. Gestern habe man im Generalrat der CISL auch darüber diskutiert.



Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover