Antifa-AG der Uni & Gewerkschaftsforum Hannover:


Zur existenziellen Krise, die der FIAT-Konzern als noch immer größtes italienisches Unternehmen durchmacht und den Rückwirkungen auf die Beschäftigten bzw. die mittelbar davon abhängigen Arbeiterinnen und Arbeiter äußerte sich auch Giorgio Cremaschi. Dies ist insofern von Bedeutung, weil Cremaschi nicht nur der Chef des Regionalverbandes Piemont (wo sich die FIAT-Zentrale und das – diesmal weniger stark betroffene – FIAT-Hauptwerk befindet) der größten italienischen Metallarbeitgewerkschaft FIOM, sondern auch einer der drei führenden Gewerkschaftslinken innerhalb des größten Gewerkschaftsbundes CGIL ist (dem die FIOM angehört). Darüberhinaus ist er auch Mitglied der Nationalen Leitung von Rifondazione Comunista (PRC), in deren Tageszeitung “Liberazione” er am 12.10.2002 das folgende Editorial schrieb. Wobei dieses Editorial mehr der Beitrag des prominentesten PRC-Gewerkschafters ist, während die offizielle Einschätzung und die Vorschläge von Rifondazione Comunista in dem nebenstehend übersetzten Editorial von PRC-Sekretär Fausto Bertinotti vom 8.10.2002 umrissen werden.



Editorial:


Nein zum Ausverkauf


Giorgio Cremaschi


Und so hat der FIAT-Präsident Paolo Fresco am Ende begonnen die Wahrheit zu sagen. Diejenige, die die Arbeiter und die FIOM seit langem sehr gut kennen und bei der viele andere so tun als würden sie sie ignorieren. Die stattfindende Umstrukturierung hat nur ein Ziel: das den günstigsten Verkauf FIAT’s an General Motors sicherzustellen. Hier liegt der Konflikt. Die Amerikaner wollen sowenig wie möglich bezahlen und Fabriken zur Verfügung haben, in denen die “schmutzige Arbeit” bereits getan ist. Der gegenwärtige Eigentümer, die Familie Agnelli, will zusammen mit den zahlreichen nichtstuenden Aktionären versuchen, so wenig wie möglich von den eigenen Reichtümern einzubüßen. Die Banken ihrerseits wollen vermeiden, dazwischen auf der Strecke zu bleiben.


Hier finden die wahren Verhandlungen statt. Über den ganzen Rest sind GM und FIAT absolut einer Meinung und haben nicht die Absicht mit irgendjemandem zu verhandeln. <Die Werke> Termini Imerese und Mailand-Arese sollen sofort schließen und viele andere, Turin-Mirafiori, Cassino und vielleicht Termoli werden dann folgen.


Es stimmt nicht, daß FIAT keinerlei Plan vorgelegt hat. Die Kürzungen, die Schließungen und die mehr oder weniger getarnten Entlassungen sind Teil eines präzisen Projektes, das auf dem Verzicht auf eine eigenständige Automobilproduktion basiert und damit endet, daß dem, was vom FIAT-Konzern übrig bleibt, die Funktion dezentraler Abteilungen von Opel zugewiesen wird.


Allein die bei FIAT bereits ausgiebig ausprobierte parteienübergreifende Unterordnung der Führer der drei piemontesischen Institutionen (Region, Provinz und Kommune) kann sich die Beschleunigung des Abkommens mit General Motors wünschen. Die Wahrheit ist, daß jenes Abkommen den FIAT-Werken in Italien und in Europa dieselbe Rolle zuteil werden läßt, die anderswo die Daewoo-Werke (der jüngst von den Amerikanern absorbierte koreanische Konzern) gehabt haben. Dort hat General Motors die Mehrheit der Fabriken im Namen jener Synergien und Wirtschaftsstufen geschlossen, die als fundamentale Begründung des Abkommens gerühmt wurden. FIAT wird zum Ableger eines Ablegers und der ganze Rest werden Krokodilstränen und Konferenzen sein.


Wiedereinmal bringt die offizielle Politik angesichts der Zerstörung des industriellen Systems unseres Landes reine Resignation zum Ausdruck. Genauso ist es bei der Chemie, der Pharmazeutik, bei der Telekommunikation, bei der Informatik und bei der Luftfahrt gewesen und jetzt ist es auch bei der Automobilindustrie so. Vor einigen Jahren, zu Beginn der Olivetti-Krise erklärte <der Linksdemokraten-Parteichef und Ex-Ministerpräsident> Massimo D’Alema, daß man auf <den Olivetti-Besitzer> De Benedetti vertrauen müsse. Vor weniger als einem Jahr hat <der Führer der “Margerite” und Spitzenkandidat des mitte-linken Olivenbaum-Bündnisses> Francesco Rutelli ähnliches Vertrauen gegenüber den Eigentümern und dem Management von FIAT geäußert. Im Namen des Schreckens wegen der öffentlichen Intervention lassen sich die starken Mächte, die Familien und die multinationalen Konzerne die Freiheit, Schließungen der Fabriken und Entlassungen der Arbeiter sowie großzügige Abfindungen für sich selbst auszuhandeln.


Jetzt rührt sich Silvio Berlusconi und verpflichtet sich, das Mögliche zu tun, damit die Fabriken nicht geschlossen werden. Geschwätz !


Wenn wirklich nicht eingegriffen wird, wird Italien in einigen Jahren <nur> noch einer der wichtigsten Automärkte sein. Mit Autos, die zum Großteil nicht hier bei uns produziert werden. So ist es bei den Handys bereits <jetzt>. Wir sind das Land, in dem man sie am meisten konsumiert und kein einziges davon produziert. Italien ist ein sehr reiches Land und sicherlich wird es nicht in eine Krise wie in Argentinien stürzen, aber das Entwicklungsmodell, das wir dabei sind anzunehmen, ist dasselbe. Keine Forschung, keine Projektentwicklung, keine großen Unternehmen – nur Konsum, kleine, dezentralisierte Produktion, Multis und Finanzspekulation. Solange es läuft !


Die Arbeiter kämpfen, um ein Desaster zu verhindern. Sie wissen, daß es nur zwei Alternativen gibt: Entweder der Ausverkauf an General Motors oder eine öffentliche Intervention (in einer Art und Weise und mit Inhalten, die noch festzulegen sind), die einen weiteren industriellen und sozialen Niedergang verhindert.



Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover