Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Wir
haben bereits an anderer Stelle betont, dass der 4stündige Generalstreik der
drei großen italienischen Gewerkschaftszentralen CGIL-CISL-UIL gegen den
Haushalt der Regierung Berlusconi am 25.November 2005 eine sehr zahnlose und
sozialpartnerschaftliche Veranstaltung war. Das war bereits unmittelbar nach
Ausrufung des Streiks Mitte Oktober auch die Meinung der selbstorganisierten
Nationalen Koordination von RSU-Delegierten aus den
einzelnen Verwaltungen und Betrieben. Der Coordinamento
Nazionale RSU ist der basisorientierteste
und kritischste Teil der CGIL-Linken. Seit der erneuten Spaltung von Lavoro Società, der
Assoziation des linken CGIL-Flügels, bedingt durch die weitgehende Anpassung
des von Gianpaolo Patta
(PdCI) geführten Teils, arbeitet der Coordinamento Nazionale RSU sehr
eng mit dem von der Nr.2 der CGIL-Metallergewerkschaft Giorgio Cremaschi, dem Altfunktionär Francesco Danini (beide Rifondazione Comunista) und anderen gegründeten Netzwerk „Rete 28 Aprile“ zusammen, das allerdings kräftemäßig
nicht in der Lage war – wie seit Ende der 70er Jahre üblich – für den kommenden
Gewerkschaftskongress im Frühjahr 2006 einen alternativen Leitantrag vorzulegen
bzw. die notwendigen Unterstützerunterschriften zusammenzubringen. Das Netzwerk
schloss sich daraufhin den vom Generalsekretär der CGIL-Metallarbeitergewerkschaft
FIOM, Gianni Rinaldini, vorgelegten
beiden Alternativthesen 8 und 9 für eine nicht-sozialpartnerschaftliche
Lohnpolitik und die Ausweitung gewerkschaftlicher Demokratie an. (Wir werden
versuchen demnächst eine Übersetzung davon zu veröffentlichen.) Der Coordinamento ist auch insofern bedeutend als seine
Website (www.ecn.org/coord.rsu)
faktisch das „Labournet Italy“ darstellt. Von dort
stammt auch der nachfolgende Text.
CGIL,
CISL und UIL haben beschlossen…
„vierstündige, territoriale Streiks am 25.November 2005“
Und das
soll ein Generalstreik sein???
Wie vorhergesagt haben sich
die intern gespaltenen CGIL, CISL und UIL (die Mühe haben, vor allem die UIL
davon zu überzeugen) für einen Mittelweg entschieden. So proklamieren die
Gewerkschaftsbünde schüchterne 4stündige territoriale Streiks ohne einen echten
Forderungskatalog, auf den Bezug genommen wird, während Regierung und <der gewichtige
Industriellenverband> Confindustria ihre gesamte wirtschaftsliberale Strategie
zur Entfaltung bringen.
Die Gewerkschaften werden
erst in den kommenden Tagen ein Dokument zum Haushaltsgesetz vorbereiten,
dessen Überschriften, den aktuellen Erklärungen zufolge, sehr allgemein
gehalten erscheinen: Sozialer Notstand, Mezzogiorno <= Süditalien>, hohe Lebenshaltungskosten, Verteidigung der
Einkommen. Selbstverständliche und vorgezeichnete Titel, die, was die konkreten
Zahlen anbelangt, allerdings nicht konkretisiert werden und denen vor allem ein
Obertitel fehlt, ohne den sie Gefahr laufen, sich weiter zu verdünnen. Wenn
dieses Haushaltsgesetz nämlich, wie von Allen zu Recht kritisiert, vor allem
ein Plan zur Reduzierung des Schutzes und der Sicherheiten ist, der auf der
Wiederbelebung der Politik des Sozialabbaus und den Transfer weiteren Reichtums
von den Löhnen zu den Profiten und Renditen ist, müsste das Hauptziel der
gewerkschaftlichen Mobilisierung das sofortige Aus-dem-Amt-Jagen
dieser Regierung sein. Ein Ziel, das in den Erklärungen der Gewerkschaftsbünde
fehlt, ohne dass aber auch die wütendsten Erklärungen
sofort dazu verdammt scheinen, sich in einem Eintreten für
Ausbesserungsarbeiten selbst zu entwaffnen.
Wenn man die Dinge aus der
Nähe betrachtet, erscheint der ganze gewerkschaftliche Beschluss den sog.
Mobilisierungsplan der Arbeit gegen das Haushaltsgesetz einzuleiten als etwas,
das man tut, weil man nichts anderes machen kann, allerdings absolut nicht in
der Lage ist, die Form von präzisen Zielen anzunehmen.
Wie kann man von Kampf gegen
die Ausgrenzung und für Beschäftigung sprechen, ohne sich dem Problem der
sofortigen Abschaffung des Gesetzes Nr.30/2003 zu stellen <das die Prekarisierung
massiv ausgeweitet hat>. Wie kann man
von Kampf gegen die hohen Lebenshaltungskosten und für die Verteidigung der
Einkommen sprechen, ohne jede zukünftige Möglichkeit eines Sozialpaktes
zurückzuweisen und ohne die Beseitigung jedweder Befreiung der Unternehmen von
Sozialabgaben, Steuern und Rentenbeiträgen zu fordern. Allgemeiner formuliert:
Wie kann man sich Sorgen über die Schwäche der jungen Generation und die
Verarmung der älteren machen, ohne die Frage einer soliden öffentlichen
Daseinsvorsorge neu zu lancieren, die in der Lage ist, würdige Einkommen zu sichern?
Gegen die Regierung
Berlusconi zu schießen, die Ungerechtigkeit zu beklagen etc. etc. ist das
Simpelste, was man tun kann, aber es reicht nicht. Ein x’ter
Proteststreik, um irgendeinem Gewerkschaftsführer die Möglichkeit zu geben, auf
die Bühne zu steigen und Beifall zu erheischen, indem er die üblichen und
vorher absehbaren Selbstverständlichkeiten gegen die Mitte-Rechts-Regierung
erzählt, bringt gar nichts und genügt nicht. Von den Gewerkschaftsbünden durfte
man mehr erwarten. Von ihnen erwartete man einen Katalog von Kampfforderungen,
um den Haushalt und seine Philosophie insgesamt abzulehnen, um die Regierung
Berlusconi sofort aus dem Amt zu jagen, um von der Regierung zu fordern, dass
eine Politik der Lohnerhöhungen, der stärkeren Besteuerung der Profite und
Renditen und der Stützung der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie neuer Gesetze
zugunsten der Arbeit betrieben wird, die sich auf eine andere Arbeitszeit- und
Arbeitsmarktpolitik gründet.
Die geringe Glaubwürdigkeit
und somit die Schwäche der gewerkschaftlichen Ankündigung wurde danach durch
das buchhalterische Verhalten deutlich, mit der man den Haushalt kritisierte.
Der Generalsekretär der CGIL, Guglielmo Epifani,
betont in seiner Kritik am Haushaltsgesetz, dass „es nicht gelingt, die
öffentlichen Haushalte in Ordnung zu bringen“, wie er sich ausdrückt. Das
ist so als ob man alles und nichts sagt. Epifani geht
nicht näher darauf ein, wie die öffentlichen Haushalte sonst in Ordnung
gebracht werden könnten. Angesichts der Tatsache, dass die von dieser Regierung
hervorgerufenen Haushaltslöcher offensichtlich und beträchtlich sind, wollen
wir zumindest feststellen, dass das, was die Unternehmen, dank der Erhöhung der
Arbeitsintensität und der Ausbeutung, dank der enormen Steuer- und Beitragsentlastung
der letzten Jahre eingesteckt haben, durch eine stärkere Besteuerung von
Profiten und Finanzrenditen wieder hereingeholt werden muss. Wollen wir
zumindest feststellen, dass man aufhören muss, auf der privaten Altersvorsorge
zu bestehen, die den Werktätigen nichts bringt, sie <vielmehr> eines Teils ihres Lohnes beraubt (den Abfindungen /
TFR) und die den Staat weitere Milliarden Euro kosten wird, um die
gewinnsüchtigen Forderungen der Confindustria zu
erfüllen. Nichts davon zu erwähnen, lässt die Gewerkschaften sofort auf die
alte und zu Niederlagen führende Linie einer Sozialpartnerschaft der Opfer
abrutschen.
Verlangt bitte nicht von
uns, diesen Streik durchzuführen (der von sich behauptet, ein Generalstreik zu
sein), um die Forderung zu erheben, dass die Gewerkschaften zu Verhandlungen
eingeladen werden, um über Wer-weiß-nicht-was
sozialpartnerschaftlich zu beraten (wir sind beim letzten Loch des Gürtels
angelangt), sondern allenfalls um das Haushaltsgesetz an den Absender
zurückzuschicken und um das vorzeitige Ende dieser Regierung herbeizuführen.
Und schließlich verblüfft
die Tatsache, dass Epifani sich in dieser ganzen
Argumentation wünschte, dass „mit der Confindustria
über dieses <Haushalts-> Manöver ein Gespräch möglich ist, da es in ihren Einschätzungen,
angesichts der mit uns getroffenen Vereinbarungen, einige Widersprüche gibt“.
Das hört sich fast so an als wolle man beruhigend feststellen, dass wir es
nicht mit der Confindustria haben, aber… Beurteilen
CGIL, CISL und UIL etwa (als wäre es ihr Alternativvorschlag zum Haushalt) die Neulancierung der mit der Confindustria, anlässlich des jüngsten Abkommens über den
„Pakt für die Entwicklung des Mezzogiorno“, vereinbarten Ziele und
Verpflichtungen positiv? Einem Pakt, der Erleichterungen für die Unternehmen
vorsieht (und der damit, durch die Reduzierung von Geldmitteln, mit denen
andere Dinge gemacht werden können, auf unsere Kosten geht), die sowohl Steuer-
als auch Beitragserleichterungen sind, der sich der prekären Beschäftigung
bemächtigt (Zeitverträge, Lehrlingsstatus etc.), der bürokratische Verschlankungen für die Unternehmen vorsieht und so eine
Lockerung der Kontrollen bei Neuansiedlungen und den
Arbeitssicherheitsbedingungen erlaubt.
Das alles zeigt uns wie die
gewerkschaftliche Auseinandersetzung heute leider nicht zwischen einer
wirtschaftsliberalen Regierung, die das soziale Massaker will, und einem
gewerkschaftlichen Forderungskatalog zur Emanzipation der Arbeit stattfindet,
der <auch> einen Vorschlag für eine alternative Wirtschaftspolitik
darstellt, sondern zwischen einem wilden und einem sozialpartnerschaftlichen
Wirtschaftsliberalismus.
Es gibt also viel zu tun, um
unsere Gewerkschaft zu verändern. Deshalb müssen wir anfangen zu sagen, dass
die Plattform / der Forderungskatalog für den nächsten Streik anders aussehen
muss als das, was heute vorgelegt wird.
Wie wir bereits in unserer
vorangegangenen Mitteilung gesagt haben: Beim Haushaltsgesetz und der Antwort
auf das Papier der Confindustria zum Thema
Tarifmodelle und Beziehungen zu den Gewerkschaften gesagt haben, beginnt auch
der Kampf um eine echte gewerkschaftliche Wende.
RSU-Delegierte aus der CGIL, die der Bewegung „Für eine Nationale
Koordination der RSU’en“ angehören
11.10.2005
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover