Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Ob unter
den italienischen Metallarbeitern in der laufenden Tarifrunde (und darüber
hinaus) Kampfbereitschaft oder relative Lethargie und Resignation vorherrscht,
ist unter den RSU-Delegierten (d.h. „Betriebsräten“
bzw. „Vertrauensleuten“) und den übrigen Aktiven der größten und konfliktbereitesten Metallergewerkschaft des Landes, der
dem Gewerkschaftsbund CGIL angeschlossenen FIOM, heiß umstritten. Da ist es
hilfreich, dass die linke Tageszeitung „il manifesto“
am 1.12.2005 (also einen Tag vor dem landesweiten Streik und der
zentralen Demo für einen akzeptablen neuen Tarifvertrag) eine Stimme aus den
Betrieben zu Wort kommen ließ. Genauer gesagt aus einer der Hochburgen der
FIOM. Was der RSU-Delegierte beim Sportwagenbauer
Lamborghini im „roten Bologna“, Alberto Cocchi, zu
sagen hat oder durchblicken lässt, ist allerdings eher ernüchternd:
Interview:
„Hier erreicht man das Monatsende
nicht“
SARA FAROLFI
„Ganz im Ernst, hier
erreicht man das Monatsende nicht.“ Alberto Cocchi
(45 Jahre) ist gewerkschaftlicher <d.h. RSU->
Delegierter der FIOM bei Lamborghini in Bologna. Eine Kultur der harten Arbeit,
ein gewerkschaftlich gut organisierter Betrieb, wo 60% der Beschäftigten in der
Gewerkschaft sind (90% davon in der FIOM), wo es Tarifverhandlungen auf der
zweiten Ebene <d.h.
der betriebliche Tarifverhandlungen um Jahresprämien etc.> gibt und wo nach dem Separatabkommen <der rechten
Branchengewerkschaften FIM-CISL, UILM-UIL sowie der gelben FISMIC> 2003 <von der linken FIOM> ein Vorvertrag <mit
besseren Konditionen> unterzeichnet
wurde. Der 2.Dezember? „Ist fundamental. Wir brauchen eine landesweite
Demonstration und wollen die Tarifauseinandersetzung abschließen.“
Ein sehr langer
Tarifkampf. Wieviele Streikstunden habt Ihr hinter
Euch und wie viel hat Euch das in der Lohntüte gekostet?
„Etwas weniger als 40
Stunden. Sagen wir ca. 35 Stunden. Das bedeutet quantitativ ungefähr 450 Euro.
Das ist ziemlich viel und dabei sind die Schwierigkeiten, heute
Gewerkschaftsarbeit zu machen, noch nicht mitgerechnet.“
Bei Lamborghini seid Ihr
fast alle Facharbeiter. Der größte Teil in Lohngruppe 5. Wie lebt man mit einem
Gehalt von 1.150 Euro <netto> im Monat, wenn
es gut läuft?
„Man hat Mühe das Monatsende
zu erreichen. Und da helfen Darlehen oder wer weiß was auch nicht. Es genügt
ein Kind und eine Frau zu haben, die ähnlich viel verdient, wie in meinem Fall.
Kurz: Es ist schwer, sich jeden Wunsch zu verwehren, jene Dinge, die Teil der
Lebensqualität sind.“
Gut, sagt die <Industriellenvereinigung> Federmeccanica, ich gebe
Dir mehr Lohn, aber im Austausch dafür will ich mehr Flexibilität und vor allem
will ich sie bestimmen.
„In dieser Form wird darüber
nicht einmal gesprochen. Die Flexibilität muss auf intelligente Weise
gestaltet, muss geplant und vor allem ausgehandelt werden. Sie aufzudrücken,
wie es das Unternehmen möchte, erscheint mir schwachsinnig und auch
kontraproduktiv. Zum Federmeccanica-Vorschlag sagen
wir Nein und wir haben auch die Kraft das zu tun.“
Bei Lamborghini habt Ihr
es immer ausgehandelt…
„Vor einem Jahr zum Beispiel
war eine Redimensionierung nötig und wir haben mit dem Unternehmen ein Abkommen
über die sog. Flexibilität im Negativen geschlossen. Die Beschäftigten bleiben
eine bestimmte Anzahl von Stunden zu Hause, die in jedem Fall bezahlt werden
und das Unternehmen verpflichtet sich dann, mich in die Lage zu versetzen,
diese Stunden nachzuholen und das mit einem Zuschlag. Ein derartiger
Mechanismus kann einen Sinn haben, der eine Strafe für das Unternehmen daraus
macht und den Einsatz der Flexibilität auch unvorteilhaft werden lässt.“
Und das ist immer an
Verhandlungen gebunden?
„Absolut ja. Es muss eine
RSU <Vereinigte
Gewerkschaftliche Vertretung> geben,
die darüber verhandelt. Und diese Vertretung ist es, die sich zunächst einmal
mit dem Unternehmen an einen Tisch setzt, in die <Betriebs-> Versammlung geht, den Beschäftigten das Problem unterbreitet, darüber
redet und nach der Abstimmung ein Mandat erhält.“
Eine Frage der Demokratie
also?
„Ja und das ist wesentlich.
Danach kann man auch daran denken, ein Opfer zu bringen, um einen
wirtschaftlichen Vorteil davon zu haben.“
Lamborghini investiert,
im Unterschied zum größten Teil der Unternehmen der Industrielandschaft
Italiens. Auch hier sind in den letzten Jahren jedoch Leiharbeiter eingestellt
worden.
„Ja, vor zwei Jahren wurden
Leiharbeiter eingestellt, auch in größerer Zahl als vereinbart. Es stimmt
jedoch, dass die Prekarität nicht zur
Lamborghini-Kultur gehört. Auch weil die Produktion eine Zeitspanne umfasst,
die an sich schon fachliche Fähigkeiten erfordert. Wenn Dich der Arbeitsgang
mehr als eine Stunde lang beansprucht und das in unterschiedlichen Phasen des <Produktions-> Zyklus, bedeutet das, dass es Zeit braucht, um zu
lernen wie man diese Arbeit macht. Also fängst Du beim Leiharbeiter an,
überzeugst Dich dann aber <als einsichtiger Kapitalist>,
dass es besser ist, ihn zu behalten.“
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover