Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Die
undemokratische und z.T. an neoliberales Gebahren erinnernde Vorbereitung des
Europäischen Sozialforums im Oktober 2004 in London durch das britische
Organisationskomitee und insbesondere das skandalöse Verhalten der
Organisatoren während der Abschlussdemonstration hat zu heftigen Reaktionen
geführt, u.a. der Confederazione Cobas und ihres Sprechers Piero
Bernocchi. Daher im Folgenden die Übersetzung dieser Protestnote. Im
Anschluss dokumentieren wir die Einschätzung des Sin Cobas-Sekretärs Luciano
Muhlbauer, die sehr viel moderater ausfällt. Dies dürfte mit der Nähe des
Sin Cobas und des Genossen Muhlbauer zur 4.Internationale zusammenhängen, die
sich bemüht das ESF – dem realen Niedergang zum Trotz – als Erfolg darzustellen.
Ein Ausdruck dessen ist die Jubelberichterstattung von 4.Internationale-Kadern,
wie Salvatore Cannavò, in der Tageszeitung von Rifondazione Comunista, „Liberazione“,
während sich die unabhängige linke Tageszeitung „il manifesto“ durch
eine äußerst kritische ESF-Berichterstattung auszeichnet.
Was
Piero Bernocchis Stellungnahme anbelangt dürfte von Interesse sein, dass die
Wochenzeitung der CPGB „Weekly Worker“, diese in der Ausgabe vom
21.10.04 zustimmend zitiert, allerdings darauf hinweist, dass es auf der
Abschlusskundgebung eine Person auf der Bühne gab, die die Festnahmen der
Polizei kritisierte und die Freilassung der Festgenommenen forderte, nämlich Andrew
Murray von der Communist Party of Britain (CPB / „Morning Star“ –
der rechteren der beiden britischen KP’s). Er handelte dabei aber offenbar als
Einzelperson, denn vom Organisationskomitee ist bis heute keine entsprechende
Stellungnahme bekannt. Die Polizei übernahm während der Demo (selbstverständlich
in autoritärer Weise) weitestgehend die Funktion des nur an der Spitze
vorhandenen Ordnerdienstes und das SWP-Führungsmitglied Alex Callinicos z.B.
schwadroniert bis heute bei jeder Gelegenheit, wider besseres Wissen, von einem
angeblichen Schwarzen Block, der wie in Genua die Demo habe missbrauchen wollen
(und gegen den – so die nahe liegende Schlussfolgerung – auch Polizeieinsätze
okay seien).
Die
Protestnote des Genossen Bernocchi wurde u.a. auf Indymedia Italy
veröffentlicht.
Zum Europäischen Sozialforum
Die Abschlussdemonstration
des Europäischen Sozialforums in London war schwer von dem nicht hinnehmbaren
Verhalten des britischen Organisationskomitees und insbesondere von den darin
dominierenden Kräften, der Socialist Workers Party (SWP), der Socialist Action
(der Gruppe des Londoner Bürgermeisters Ken Livingstone) und einigen
Branchengewerkschaften gekennzeichnet. Mehrere hundert aus den „autonomen
Räumen“ (die ins Programm des Forums einbezogen waren, am Vortag allerdings
scharf, aber ohne Gewalt, gegen die Leitung <des ESF>
protestiert hatten) kommende und sich dem Demonstrationszug anschließende
Jugendliche wurden von der Polizei angegriffen, die vier Leute festnahm (zwei
Italiener und zwei Griechen).
Auf die beharrliche
Forderung des Teiles der italienischen Delegation, der an der Spitze der
Demonstration ging, die Freilassung zu verlangen, gab das britische Komitee
keine Antwort.
Zum Abschluss der
Demonstration mussten wir, bei dem Versuch von der Bühne herunter über das
Geschehene zu informieren, feststellen, dass der Zugang zur Bühne nur dem
britischen Komitee gestattet war und dass es anstelle des vorgesehenen
Konzertes ungefähr 20 von den Engländern monopolisierte Reden geben sollte, von
denen alle europäischen Delegationen ausgeschlossen waren.
An diesem Punkt versuchten
die zuvor von der Polizei angegriffenen Jugendlichen Zugang zur Bühne zu erlangen,
indem sie den Ordnerdienst zur Seite drängten, der daraufhin die Polizei rief
und weitere Festnahmen provozierte (wodurch deren Anzahl auf 9 anstieg),
darunter Xavier Ruiz, der englische Verantwortliche von Indymedia.
Die Cobas klagen die schwere
Verantwortung des britischen Komitees und der oben genannten Organisationen an,
die Demonstration und Kundgebung so leiteten als ob sie „ihre Sache“ wären und
die faktisch die Polizei dazu benutzten, um die Gegensätze innerhalb der
Bewegung zu „lösen“. Womit sie einen schweren Schatten auf ein Forum warfen,
das im Gegensatz dazu die leidenschaftliche Diskussion vieler tausend Leute
erlebt und sehr wichtige Mobilisierungen gegen den Krieg im Irak und in
Palästina, gegen die wirtschaftsliberalen Sozialpolitiken und für die
Verteidigung der Migranten lanciert hat. Und das sich in der abschließenden
Versammlung <der
Europäischen Sozialen Bewegungen> für
eine grundlegende Veränderung seiner Struktur ausgesprochen hat, die
mittlerweile für die Organisation und den anti-wirtschaftsliberalen und
Anti-Kriegs-Konflikt unzureichend geworden ist.
Darüber und über die Frage,
wie die größtmögliche Einbeziehung sicherzustellen und dafür zu sorgen ist,
dass sich Dinge wie die in London geschehenen nie mehr wiederholen, werden wir
auf der nächsten Europäischen Versammlung am 18. und 19.Dezember in Paris
diskutieren.
Rom, 18.Oktober 2004
Piero Bernocchi
Confederazione Cobas
Über die
Position der Basisgewerkschaft Sin.Cobas berichtet „Liberazione“ vom 20.10.2004:
Muhlbauer:
„Fehler Einiger – Erfolg Vieler“
Sozialforum
„Diejenigen, die zu den ca.
1.000 Italienern gehörten, die am Europäischen Sozialforum in London
teilnahmen, haben wahrscheinlich Mühe sich in einigen Versionen
wiederzuerkennen, die heute in Italien darüber verbreitet werden“, erklärt
Luciano Muhlbauer (nationaler Sekretär des Sin.Cobas). „London war ganz anders.
Es hat – allerdings angekündigte – Probleme gegeben, aber auch und vor allem
die Teilnahme von 25.000 Leuten aus ganz Europa und eine intensive
Vernetzungsarbeit der Bewegungen. In London ist es den stärksten politischen
und sozialen Organisationen gelungen, eine gemeinsame Kommunikation zu
schaffen“ – sagt Muhlbauer weiter – „allerdings nicht wirklich die Vielzahl (moltitudine)
weniger strukturierter Bereiche einzubeziehen und die europäische Dimension in
vollem Umfang zur Geltung kommen zu lassen. Darin liegt der Grund für die
Spannungen, die es mit dem autonomen Bereich gab, der dank der politischen
Vorarbeit der italienischen und französischen Delegationen (oftmals aber auch
zusammen mit europäischen Netzwerken und Delegationen) geschaffen und in das
offizielle Programm aufgenommen wurde.“ Muhlbauer zufolge „ist London ein Erfolg
gewesen, angefangen bei der Überlegung, dass zum ersten Mal ein Ereignis dieser
Art und dieser Dimension in England stattgefunden hat. Und dann hat eine
europäische und plurale Versammlung <der Europäischen Sozialen Bewegungen> von über 2.000 Leuten, inklusive vieler Teile des
autonomen Bereiches zum Abschluss des ESF eine Mobilisierungsagenda für ein
anderes Europa, gegen den Krieg, den Wirtschaftsliberalismus und den Rassismus
beschlossen.“
Vorbemerkung,
Übersetzung aus dem Italienischen und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover