Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Der 4stündige Generalstreik, den die großen Gewerkschaftsbünde CGIL, CISL und UIL (diesmal einträchtig) für den 24.Oktober 2003 zur Abwehr von Berlusconis Rentenreform organisiert hatten, war mit real ca. 6 Millionen Streikenden und real 150-200 000 Demonstranten organisatorisch ein voller Erfolg, auch wenn er einen politischen Durchbruch nicht bewirken konnte. Interessant ist für uns die inhaltliche und taktische Positionierung der italienischen Gewerkschaftslinken dazu. Eine Zusammenfassung findet sich nebenstehend im Vorspann zu den Sin Cobas-Texten zum Renten-Generalstreik.

Hier nun zwei Stellungnahmen der Confederazione Cobas, die aus der Autonomia Operaia-Tradition kommt, eine starke Unterstützung unter den Lehrern genießt (die Cobas Scuola stellt allein 5 000 der real 6 000 Mitglieder), aber auch im Gesundheitswesen sehr aktiv ist. Darüberhinaus verfügt sie über enge Verbindungen zu dem Teil der link(sradikal)en Jugendlichen aus den centri sociali, für die der Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital eine größere Rolle spielt als für die mehr auf allgemeinen zivilen Ungehorsam und einen entsprechenden Aktionismus orientierten Disobbedienti.


Zunächst der Leitartikel der Zeitung “COBAS” – Giornale dei comitati di base della Scuola Nr. 18 (neue Serie) vom Oktober 2003:


Generalstreik


Am 24.Oktober alle nach Rom


Ganztägiger Generalstreik am 24.Oktober 2003 mit einer nationalen Manifestation in Rom. Das ist der Beschluß, den die Nationale Versammlung der Cobas am 5.Oktober gefällt hat, womit sie den Vorschlag der Nationalen Exekutive vom 13./14.September billigte.


Auf den Angriff der Berlusconi-Regierung und der wirtschaftlichen Machthaber auf die Lebensbedingungen der Arbeitenden,der mit dem Haushaltsgesetz der Straferlasse <für Steuersünder und illegale Bauherren> sowie mit der Verschlechterung des Dini-Gesetzes fortgesetzt wird, antworten CGIL, CISL, UIL und die Cobas mit einer schnellen und bedeutenden Kampfaktion.


Die im Dienste der <wichtigsten italienischen Kapitalistenvereinigung> Confindustria stehende Mitte-Rechts-Regierung fährt mit ihrem Programm der sozialen Verwüstung, die von der Mitte-Links-Regierung eingeleitet wurde, fort: Weitere Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, Reduzierung der Löhne und Renten, Privatisierung der essentiellen Dienstleistungen angesichts einer desaströsen wirtschaftlichen Situation, die durch Verringerungen der Produktion und einen zügellosen Anstieg der Konsumentenpreise gekennzeichnet ist.


Die Verlagerung der Mittel von den Löhnen hin zu den Renditen und Profiten, die im Laufe der letzten 20 Jahre stattfand, hat durch die Regierung Berlusconi ebenso eine Beschleunigung erfahren wie die Unterordnung unserer Leben unter die Interessen des Kapitals.


Die Arroganz der Regierung hat die sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften, die aus diesem Anlaß für den 24.Oktober einen Streik von armseligen 4 Stunden Dauer proklamiert haben, wieder zusammengefügt. Wir stehen hier dem harmlosen Versuch desjenigen gegenüber, der <verärgert> mit dem Fuß aufstampft, weil er die Rolle des Co-Managers verloren hat. CGIL-CISL-UIL liegen nur ihre finanziellen Interessen am Herzen: die Rentenfonds, die sie unter sich aufteilen, den Vorsitz der Staatlichen Italienischen Sozialversicherungsanstalt (INPS), den es zu ergattern gibt, die Vermittlung der zu verwaltenden Arbeitskräfte <CGIL, CISL und UIL betreiben auch eigene Leiharbeitsfirmen !> und die Vorstandsposten, um sich subventionieren zu lassen.


Die selbstorganisierten Mobilisierungen der Werktätigen (lavoratori) und ein großer Teil der Gesellschaft, die die sozialen Verzerrungsprozesse gezügelt haben, stellen die einzige Möglichkeit dar, den Unternehmerplan zu stoppen. Dazu ist es jedoch notwendig unserer Aktionsfähigkeit einen beträchtlichen Impuls zu geben, immer mehr Menschen einzubeziehen und uns innerhalb und außerhalb der Arbeitsstätten zu organisieren. Die jüngsten Kämpfe der prekär Beschäftigten des Schulwesens und das gute Gelingen der Mobilisierungen, die in zahlreichen Städten gegen die Moratti-<Bildungs->Reform stattgefunden haben, stellen eine große Ermunterung für das dar, was ein besonders lebhafter Herbst zu werden verspricht.



In der links-unabhängigen Tageszeitung “il manifesto” vom 23.10.2003 erschien das folgende Interview zur Position der Confederazione Cobas mit ihrem führenden Kopf, Piero Bernocchi:


24.Oktober:


“Warum wir mit CGIL, CISL und UIL zusammen streiken, auch wenn wir verschieden sind.”

Interview mit den Cobas


(Das Interview führte Loris Campetti)


Ein “generalisierter und Generalstreik”, “um die gesamte Lohnarbeit, die Schüler, Studenten, Rentner, Arbeitslosen, Migranten, die ‚No global‘-Bewegung und alle Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen, die die Absicht haben für die sozialen Rechte und die Lebensqualität gegen die freiheitsfeindlichen, autoritären und volksfeindlichen Maßnahmen der Regierung Berlusconi zu kämpfen”. Die Cobas packen viel in den morgigen Generalstreik hinein, zeichnen sich allerdings – gegenüber CGIL, CISL und UIL – durch eigene Tageslosungen und durch eine eigene nationale Manifestation in Rom aus, die um 10 Uhr morgens auf der piazza della Repubblica beginnen soll. Für die Confederazione Cobas haben wir Piero Bernocchi interviewt


Welche Überlegungen haben Euch dazu veranlaßt, Euch für den 24.Oktober zu entscheiden ?


“Wir haben uns entschieden den bereits für die Schulen beschlossenen Streik auf den 24. vorzuziehen und einen nationalen Generalstreik daraus zu machen (einen ganztägigen, keinen halbierten !), weil es bei dem, was im Gange ist, keinen Sinn macht die Werktätigen zu spalten. Insbesondere in bezug auf einen solch wichtigen Punkt wie Berlusconis Gegenreform bei den Renten nicht. Das vorausgeschickt, unterschiedet sich unser Forderungskatalog sehr von demjenigen der CGIL, CISL und UIL.”


Wodurch wird der morgige Streik bei Euch gekennzeichnet sein ?


“Natürlich durch die Renten. Wir stehen einem drohenden weiteren Massaker gegenüber. Der <1995> mit der Dini-Reform begonnene Irrsinn wird fortgesetzt und wir können nicht darüber hinwegsehen, daß die Idee das Retributionssystem aufzugeben, um das Beitragssystem einzuführen, ebenso sehr eine rechte wie eine linke ist. Damit sind auch <die führenden Politiker und ex-Ministerpräsidenten der Mitte-Linken> Amato und D’Alema einverstanden. Bereits heute verläßt man den Schuldienst mit einer Rente, die die Hälfte des Gehaltes beträgt. Um von den Jugendlichen, den prekär und wechselnd Beschäftigten, die überhaupt keine Hoffnung für die Zukunft haben, gar nicht zu reden. Hast Du den Eindruck, daß der Weg, den CGIL, CISL und UIL eingeschlagen haben, eine Position garantieren kann, die sich von der herrschenden wirklich unterscheidet ?”


In Wahrheit ist der einzige Grund, aus dem Ihr am 24. zusammen streikt, der die Werktätigen nicht zu spalten...


“Ich will Dir mal eine Frage stellen: Was werden die konföderalen Gewerkschaften <also CGIL-CISL-UIL> nach dem 24. machen, wenn Berlusconi beschließt, seinen Weg nichtsdestotrotz weiterzugehen ? Es wäre notwendig eine Massenaktion anzustreben. Aber wird die Gewerkschaftseinheit auf diesem Weg halten ? Wird die CGIL dem standhalten ?”


Welche Punkte stehen im Mittelpunkt Eures Streiks ?


“Der Kampf gegen die Prekarisierung, ohne zu verdrängen, daß das Gesetz Nr. 30 ein Kind des Treu-Paketes <einer früheren Mitte-Links-Regierung> ist. Wir sind gegen das eine wie das andere. Dann ist da die Schule: Von der Moratti-Reform ist bislang nur das Gerippe verabschiedet worden, während wir die giftigsten Früchte noch stoppen können – angefangen beim Umsetzungsdekret für die Mittelschulen <= 6.-8.Schuljahr>, die Grundschulen und die Vorschulen. Sie wollen die durchgehende und Vollzeitschule beseitigen und streben den Ausverkauf der technischen und beruflichen Bildung an die Privatschulen an. Und schließlich die Teuerung: Wir sehen keine Alternative zur Wiederherstellung der scala mobile <d.h. der gleitenden Anpassung der Löhne an die Inflation>.”


Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover