Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Anläßlich
des EU-Gipfels in Brüssel gab es am 19.März 2005 in der belgischen Hauptstadt am
Sitz der EU-Kommission – anders als früher – zwar eine gemeinsame Demonstration
des EGB, der Antiglobalisierungsbewegung (Europäisches Sozialforum) sowie
belgischer Studentengruppen. Inhaltlich fußte diese Mobilisierung allerdings
auf zwei sehr unterschiedlichen Aufrufen. Mit diesen inneren Problemen befasst
sich die linke und bewegungsorientierte italienische Tageszeitung „il
manifesto“ in dem nachfolgenden Kommentar vom 11.3.2005.
POLITISCHE
ARBEIT:
Italienische und europäische
Gewerkschaften auf dem Prüfstand des 19.März
CARLA CASALINI
Die Verabredung in Brüssel
zur Demonstration am 19.März <2005> besitzt für viele
der Teilnehmer einen präzisen Sinn: die genaue Festlegung des Ortes, auf den
man sich jetzt und in Zukunft ausrichten und an dem man Konflikte ausfechten
muss, weil es von hier aus die „Direktiven“ hagelt, die auf den nationalen
Terrains, auf denen soziale Grundrechte bisher errungen, ausgehandelt und
behauptet wurden, immer stärkeren Einfluss ausüben und hier die europäischen
Abkommen geschlossen werden, die einschneidende Wirkung für die Garantien der
bürgerlichen und politischen Freiheiten entfalten. An jenem Ort haben nämlich
nicht nur die europäischen Institutionen ihren Sitz, sondern dort ist es auch
den nationalen Regierungen gelungen, sich in einer privilegierten Machtsphäre
zu verankern, in der Entscheidungen für alle europäischen „Bürger“ getroffen
werden und die sich dabei der Kontrolle der jeweiligen Parlamente und
nationalen öffentlichen Meinungen entzieht.
Dass der 19.3. nur ein
erster Moment, ein Ausgangspunkt für eine Artikulation mit immer mehr Inhalt
und Qualität ist, bestätigen die Differenzen zwischen den Subjekten, die
Protagonisten der Demonstration sind. Während für die aus der Bewegung und
einigen Gewerkschaften kommenden Teilnehmer Krieg und Wirtschaftsliberalismus
in einem seit langem untersuchten und diskutierten Zusammenhang verknüpft sind,
ist dieser Zusammenhang für den EGB (die Organisation der europäischen Gewerkschaften),
der sich bisher lieber auf die sozialen Themen konzentriert, nicht zwingend.
Unter den italienischen
Gewerkschaften hält <die
größte und der CGIL angehörende Metallarbeitergewerkschaft> FIOM die Entscheidung des EGB am 19.März zu
demonstrieren, für sehr wichtig, „weil die europäischen Gewerkschaften nach
langer Zeit zur Mobilisierung zurückkehren“ und auch weil „die Gegnerschaft
gegen die Beschlüsse der europäischen Regierung“ so „die Dimension eines
allgemeinen Kampfes“ annimmt.
Andererseits – hebt die FIOM
hervor – ist es von großer Bedeutung, “ein Abkommen mit der Bewegung zugunsten
eines einzigen Demonstrationszuges erreicht zu haben, an dessen Spitze Tausende
und Abertausende von Jugendlichen gehen werden“. Eine Betonung, die für eine
Gewerkschaft, die sich seit der Unterzeichnung des Dokumentes des ersten
Weltsozialforums in Porto Alegre an der Bewegung beteiligt und die daher in
Brüssel „gegen den Krieg und den Wirtschaftsliberalismus sowie für ein soziales
und friedliches Europa“ marschiert, fast selbstverständlich ist.
Ziele, die sich gegenwärtig
in dem Dokument niederschlagen, das „den Rückzug der Besatzungstruppen aus dem
Irak (angefangen bei den italienischen)“ sowie die „Freilassung von Giuliana“ <Sgrena> und die – noch nicht vollzogene – Freilassung „von
Florence, von Hussein“ und dem „irakischen Volk“ verlangte, die in die
gemeinsame Lage gezwungen sind, allesamt „Geiseln des Krieges“ zu sein.
Der Zusammenhang von
Wirtschaftsliberalismus und Krieg, die sich gegenseitig nähren, indem sie „Tod,
Unsicherheit und Ungleichheit“ auf planetarer Ebene produzieren, führt zu den
anderen Konfliktthemen, die gegenwärtig vom Kampf gegen die
Bolkestein-Richtlinie und gegen die Arbeitszeit-Richtlinie verkörpert werden.
In Sachen Bolkestein-Richtlinie,
die die Absicht verfolgt, die wesentlichen öffentlichen Dienste zu
privatisieren und der Konkurrenz des „freien Marktes“ anzuvertrauen, haben die
Mobilisierungen bereits ein erstes Ergebnis erzielt: Es scheint, dass
die EU-Kommission bereit ist, das „Ursprungslandprinzip“ zu beseitigen. (Dieses
Prinzip würde es einem privaten Dienstleistungsanbieter erlauben, sich in einem
europäischen Land mit schwächerer Arbeitsgesetzgebung niederzulassen und die
dortigen Normen zu nutzen, um die Arbeitskräfte in irgendein anderes
Mitgliedsland zu exportieren.)
Aber Vorsicht: es scheint.
Weil, wie die CGIL-Branchengewerkschaft für den Öffentlichen Dienst, Funzione
Pubblica (FP), die bislang zusammen mit den europäischen Dienstleistungs- und
Bauarbeitergewerkschaften dagegen gekämpft hat, darauf hinweist, dass der
EU-Binnenmarkt-Kommissar Charlie Mc Creevy die Auffassung vertreten habe, dass
die Bolkestein-Richtlinie „nicht ohne Änderungen durchgehen wird“ und „der
Ausschluss der Wirkung dieser Richtlinie auf das Gesundheitswesen und die
öffentlich finanzierten Dienstleistungen, die von allgemeinem Interesse sind,
bevorsteht“. Letztendlich werde die EU-Kommission nicht über die Verpflichtung
hinausgehen, „eine Lösung zu finden, ohne zu präzisieren, welche das beim ‚Ursprungslandprinzip’
sein wird“.
Deshalb – warnen die
gewerkschaftlichen und sozialen Kräfte, die in dieser Kampagne engagiert sind –
sei es nötig, „die Front, die sich gegen diese Richtlinie zur Wehr setzt“,
auszuweiten und zwar angefangen bei der Demonstration am 19.3. sowie „den Druck
auf das Europaparlament“, das die Direktive derzeit in erster Lesung prüft und
die Änderungsanträge, die eingereicht werden, zu verstärken. Dieselben Kräfte
versuchen die Aufmerksamkeit auch auf die andere Richtlinie zu lenken, die
derzeit unter allgemeiner Nichtbeachtung ausgearbeitet wird und darauf abzielt,
die Grenzen der Arbeitszeit zu ändern. Es genüge daran zu erinnern, dass zu
ihren Zielen die Verlängerung der Arbeitszeit („mit individueller Zustimmung“) bis
auf 65 Stunden pro Woche gehört.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover