Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Nicht
nur in der Bundesrepublik findet derzeit eine harte Tarifauseinandersetzung im
Öffentlichen Dienst (gegen die Versuche der Bundesländer eine Verlängerung der
Arbeitszeit durchzusetzen etc.) statt. Auch im Öffentlichen Dienst Italiens (einschließlich
des öffentlichen Gesundheitswesens) weht den Beschäftigten ein ziemlich rauer
Wind entgegen. Dort ist der Tarifvertrag mittlerweile seit 16 Monaten
abgelaufen, trotzdem hat die Berlusconi-Regierung bis zu den Regionalwahlen
Anfang April alle gewerkschaftlichen Forderungen an sich abprallen lassen und
es – wie schon bei anderen Gelegenheiten (Renten, Haushaltspolitik etc.) –
nicht einmal für nötig befunden, halbwegs ernsthafte Gespräche mit den
Gewerkschaften zu führen. Selbst den voll auf Sozialpartnerschaft
ausgerichteten Bünden CISL (christdemokratisch) und UIL (ehemals PSI-nah, heute
ihrem Selbstverständnis zufolge eine „Bürgergewerkschaft“) wurde insbesondere
von Berlusconis Partei Forza Italia und der rechtspopulistischen Lega Nord
diese „Partnerschaft“ einseitig aufgekündigt, während die ehemaligen
Neofaschisten der Alleanza Nazionale (AN) und die rechten Christdemokraten der
UDC mehrheitlich für einen softeren Kurs eintreten, sich damit bis zur schweren
Niederlage der Rechtsbündnisses bei den Regionalwahlen, allerdings nicht
durchsetzen konnten. Zur Lage kurz vor dem landesweiten Streik Mitte März
befragte die linksunabhängige italienische Tageszeitung „il manifesto“
für die Ausgabe vom 17.3.2005 den Chef der Branchengewerkschaft des
Gewerkschaftsbundes CGIL, Carlo Podda. Zum Verlauf des Streiks und der neuesten
Entwicklung findet Ihr nebenstehend zwei weitere Übersetzungen.
ÖFFENTLICHER
DIENST:
Carlo Podda (CGIL): „Ich erkläre
Euch die kleinen Tricks der Regierung bei der Erneuerung des Tarifvertrages“
PAOLO ANDRUCCIOLI
Carlo Podda (Generalsekretär
der CGIL-Branchengewerkschaft Funzione Pubblica – FP) war einer der ersten
Gewerkschafter, die am Dienstagabend den Streik und die Demonstration, die
morgen stattfinden werden, bestätigten. Wir baten ihn, den Krimi der Zahlen in
Sachen Lohnerhöhungen im Öffentlichen Dienst und die politische
Auseinandersetzung zu erklären, die innerhalb der Regierung stattfinden.
Podda, was ist im Palazzo
Chigi <dem
italienischen Regierungssitz>
geschehen? Gab es eine Intervention Berlusconis, um alles abzukühlen?
„Bei dem Gipfeltreffen
gestern Abend war kein Minister von Alleanza Nazionale (AN) vertreten, während
Brunetta <Forza
Italia> und Maroni <Lega Nord>, die die harte Linie gegen die Staatsbeschäftigten
repräsentieren, anwesend waren. Ehrlich gesagt haben wir den Grund für die
Einberufung <dieser
Runde> wenige Stunden vor dem Streik
und ohne einen wirklich neuen Vorschlag nicht verstanden. Um sich aus der
Verlegenheit zu befreien, haben sie uns technische Verhandlungen vorgeschlagen,
was im Allgemeinen dazu dient, bei den Verhandlungen Zeit zu gewinnen. Wir
haben jedoch keinen Bedarf an
technischen Verhandlungen, sondern am Beginn echter Verhandlungen.“
Worüber kann man,
angesichts der mitgeteilten Zahlen, denn verhandeln?
„Zuallererst ist der
Schwindel bei den Zahlen zu klären. Die Regierung spricht von
durchschnittlichen Erhöhungen um 210 Euro. Das ist allerdings eine völlig
verzerrte Berechnung auf der Grundlage eines nicht existenten gewichteten
Durchschnitts. Sie haben, um ein Beispiel zu geben, das Gesundheitswesen nicht
mit eingerechnet. In Wahrheit müssten die im halbstaatlichen Bereich
Beschäftigten, wenn man die Zahlen nimmt, die sie uns gegeben haben, viermal so
hohe Lohn- und Gehaltssteigerungen bekommen wie die angegebenen, um den
genannten Durchschnitt zu erreichen. Unsere Berechnungen besagen vielmehr, dass
die in den Ministerien Beschäftigten in dem Zwei-Jahres-Zeitraum eine
Gehaltserhöhung von 86 Euro bekämen, die Lehrer an den Schulen 89 Euro, die im
halbstaatlichen Bereich Beschäftigten 103 Euro und alle Beschäftigten der
lokalen Einrichtungen und Behörden 76 Euro. Das sind diejenigen, auf denen
praktisch die gesamte konkrete sozialstaatliche Versorgung beruht. Urteilt selbst,
ob diese Zahlen akzeptabel sind!“
Kannst Du uns, da nur von
Differenzen bei den Prozentsätzen zwischen Euch und der Regierung gesprochen
wurde, die Distanz in absoluten Zahlen erläutern?
„Das ist einfach. Wir
fordern – nur um bei dem Beispiel der Ministeriumsangestellten zu bleiben –
eine Erhöhung um 130 Euro. Die Regierung will uns davon 86 Euro gewähren.“
Es gibt jedoch –
selbstverständlich – nicht nur die technischen Aspekte. Ist es nicht das
Interesse der Regierung zuerst die Regionalwahlen hinter sich zu bringen?
„Zu guter letzt bekräftige
ich, dass es absolut nicht stimmt, dass die Positionen nahe beieinander liegen,
wie der Minister Baccini erklärt hat. Und dann denke ich, dass wir unsere
Analysen aktualisieren könnten. Es stimmt, dass es einen Teil der Regierung
gibt, der einen positiven Abschluss bei den Staatsangestellten in Wählerstimmen
ummünzen möchte. Es gibt aber auch einen Teil, der darauf drängt, nicht
abzuschließen. Es gibt einen Teil der Parlamentsmehrheit, der meint, von uns
bei den Wahlen zu profitieren, wenn er gegen die ‚verhassten’
Staatsangestellten Muskeln zeigt und keinen Tarifvertrag abschließt.“
Wie kommt man da raus?
„Ich hoffe, dass die Stärke
des Streiks und der Demonstration, die wir morgen in Rom machen werden, die
Regierung zur Einsicht bringt. Und dass sie uns nach dem Streik andere
Vorschläge machen, über die man reden kann.“
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover