Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

 

Seit kurzem hat der wichtigste italienische „Unternehmer“-Verband Confindustria eine neue Führung. Der seit Anfang 2000 amtierende aggressive süditalienische Verpackungsfabrikant D’Amato durfte nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren und der von ihm protegierte Nachfolgekandidat Tognana zog sich aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten kurz vor der Wahl zurück. Neuer Confindustria-Präsident ist nun der eben erst zum FIAT-Präsidenten ernannte ehemalige Ferrari-Chef Montezemolo, der einerseits durch geharnischte Kritik an der Berlusconi-Regierung auffällt, die ihr Geschäft nicht verstehe und dem Land schade und andererseits durch freundliche Worte in Richtung der Gewerkschaftsbünde CGIL-CISL-UIL, die schon lange auf einen solchen Linienschwenk warten. Offenbar erhoffen sich die nun wieder dominierenden Vertreter des alteingesessenen privaten Großkapitals Nordwestitaliens (FIAT, Pirelli etc.) von einer neuerlichen Prodi-Regierung und einer erneuerten Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaftsspitzen bessere Ergebnisse als mit der Strategie des Frontalangriffs, die 4 Jahre lang praktiziert wurde. Neben einigen Erfolgen (Aufweichung des Kündigungsschutzes, Rentenreform, weitere Prekarisierung durch das Gesetz Nr.30 / 2003, Separatabkommen mit deutlichen Reallohnverlusten und massivem Personalabbau im Metallsektor …) hat dies auch erheblichen Widerstand und Unruhe, insbesondere unter den Metallarbeitern und im Transportsektor provoziert.

 

Angesichts dessen befragte die von Rifondazione Comunista herausgegebene kleine Tageszeitung „Liberazione“ das Mitglied des nationalen Sekretariates der CGIL, Carla Cantone, wie die Führung des größten italienischen Gewerkschaftsbundes den Wechsel an der Spitze der Confindustria sieht. Das  Interview erschien am 28.5.2004.

 

Interview mit Carla Cantone vom Nationalen Sekretariat: „Wenn es Rosen sind, werden sie blühen…“

 

„Die CGIL verzichtet nicht auf die Kämpfe in Sachen Löhne und prekäre Beschäftigung“

 

„Wenn es Rosen sind, werden sie blühen… Aber auch die erblühten Rosen haben ihre Dornen.“ Carla Cantone vom Generalsekretariat der CGIL zieht es vor beim Urteil über den neuen Präsidenten der Confindustria, Montezemolo, einen vorsichtigen Ton anzuschlagen. Ja, es gibt Anzeichen für einen Schrittwechsel, aber es gibt noch keine substanziellen Vorschläge. Vor allem in bezug auf zwei wichtige Themen: Löhne und prekäre Beschäftigung.

 

Worin liegt die Substanz von Montezemolos Schrittwechsel ?

 

„In punkto Industriepolitik erkennt er die Stagnation und den Niedergang an und ebenso die grundlegenden und entscheidenden Forderungen, die die Gewerkschaft, insbesondere bezüglich Forschung und Innovation, gestellt hat. Und dann schlägt er bezüglich einiger weiterer interner Themen in der internen Debatte über Ethik und Moral eine neue Seite auf. Gut, das sagen wir seit Jahren.“

 

Montezemolo lanciert erneut die Sozialpartnerschaft…

 

„Er urteilt positiv über <das zentrale Lohnzurückhaltungsabkommen von> `93. Schade, dass die grundlegenden Regeln von den Unternehmerverbänden, die der Confindustria angehören, nicht beachtet werden – um so mehr als die Erneuerung der Tarifverträge mit erschreckenden Verspätungen erfolgt. Ich möchte auch daran erinnern, dass die tarifpolitische Geschichte der letzten Jahre auch aus Separatabkommen bestand. Wobei es sinnvoll wäre, wenn die sich nicht mehr wiederholen würden.

Kurzum, Montezemolos Start ist ein guter Beginn für gute Beziehungen zu den Gewerkschaften. Ich glaube, dass wir darauf drängen und überprüfen sollten, ob die Themen, die er angesprochen hat, in ein Gespräch mit den Gewerkschaften einfließen, das sich von der Vergangenheit unterscheidet. Wenn es Rosen sind, werden sie blühen. Aber auch Rosen, die blühen, haben Dornen. Wir müssen darauf achten, dass die Dornen neutralisiert werden.“

 

Was entnimmst Du seinen Äußerungen, außer den allgemeinen Aufforderungen zum Dialog ?

 

„Er hat die Aufmerksamkeit auf einige Elemente gerichtet, wie die Notwendigkeit, nicht über tarifpolitische Regeln zu reden, sondern über die Zusammenlegung von Tarifverträgen. Das ist für uns in Ordnung. In Sachen Arbeitsmarkt hat die CGIL jedoch nicht darauf verzichtet, die Prekarisierung zu bekämpfen und die Löhne zu verteidigen – angefangen bei der Verteidigung des nationalen Tarifvertrages. Wir sind bereit über alle Punkte zu diskutieren, die er auf die Tagesordnung gesetzt hat. Man muss sich den Inhalt anschauen.“

 

Welche Unterschiede hast Du gegenüber <seinem Amtsvorgänger> D’Amato wahrgenommen ?

 

„Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen ihm und D’Amato, der eine Strategie entworfen hatte, die auf der Reduzierung der Arbeitskosten basierte. Montezemolo geht von der Konkurrenzfähigkeit, der Innovation und Entwicklung und korrekten Beziehungen zu den Gewerkschaften aus.“

 

Montezemolo hat die italienische Krise nicht konkret behandelt.

 

„Was unmittelbar – jenseits dieses Willens – in Angriff zu nehmen ist, sind die Notfälle der Krisensektoren, die ein absolutes Gewicht besitzen. Sie müssen mit Hilfe von Entscheidungen gelöst werden, die im Einklang mit der Innovation und der Konkurrenzfähigkeit stehen. Beginnen wir bei den aktuell anstehenden Fällen, die 200.000 Werktätige betreffen.“

 

Glaubst Du nicht, dass die Confindustria den Geruch des kommenden <Kommunal- und Europa-> Wahlergebnisses wittert ?

 

„Unabhängig davon, wie die Wahlen ausgehen werden, hat die Confindustria die Schäden und Defekte erkannt, die durch den Mangel an Ideen der vorangegangenen Führung und der geringen Beachtung hervorgerufen wurden, die in Europa dem industriellen System dieses Landes geschenkt wird. Sie müssen industrielles Ansehen zurückgewinnen.“

 

Und gegenüber der Regierung ?

 

„Es ist Fakt, dass eine Confindustria, die die Regierungspolitik inspiriert hatte, welche dann zu Rezession, Niedergang und Armut geführt hat… nun dahin kommt zu sagen, dass sie ihre Strategie in voller Autonomie entwickeln müssen. Ich glaube nicht, dass, wenn sie bei der Regierung mehr erreicht hätte, die Seite von D’Amato <die Neuwahl des Confindustria-Chefs> hätte gewinnen können. Sie haben ein Fiasko angerichtet. Sie standen einer arroganten und inkompetenten Regierung gegenüber.“

 

Montezemolo – ein Mann mit Image…

 

„Er ist einer der daran glaubt, der ehrgeizig ist. Er hat die Herausforderung akzeptiert, weil er einer ist, der gern gewinnt. Ihn haben die großen innovativen und strategischen Sektoren unterstützt, die in ihm eine Figur sahen, die auf den Weltmärkten großen Respekt genießt.“

 

Man spricht viel von einer Rückkehr der öffentlichen Rolle in der Wirtschaft…

 

„Davon spricht er in dem Bericht <zu seiner Amtseinführung> nicht. Das hängt davon ab, wie viele strittige Fragen angegangen werden. Auch die Confindustria begreift, dass es heute einer anderen Rolle des Staates bedarf. Montezemolo sagt, dass er mit denjenigen einverstanden ist, die für eine Rückkehr des Staates in die Wirtschaft eintreten. Er gibt allerdings zu verstehen, dass es in jedem Fall einer direkten Verantwortung des Staates bedarf.“

 

Fabio Sebastiani

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover