Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Hier ein ausführlicher Hintergrundartikel der Pariser
Korrespondentin der italienischen Tageszeitung „il manifesto“
zur gewerkschaftlichen Situation in den korsischen Häfen, der Rivalität
zwischen CGT und STC und den wirtschaftlichen Hintergründen der Privatisierung
der französischen Fährgesellschaft SNCM. Diese hatte bekanntlich durch die
spektakuläre Besetzung der Fähre „Pascal Paoli“ und
ihre Überführung nach Bastia auf Korsika durch in der
korsischen Gewerkschaft STC organisierte Seeleute am 27.September 2005 sowie ihre
Enterung durch französische Spezialeinheiten international für Schlagzeilen
gesorgt. Er erschien ebenfalls am 2.10.2005.
STREIKS:
Das Abkommen zwischen den Gewerkschaften ist sicher im Hafen
Die CGT
und der STC (Gewerkschaft der Korsischen Arbeiter) sind heute im Kampf vereint,
führen aber seit Jahren einen Krieg in Korsikas Häfen und um die Schiffe der
SNCM (Société Nationale Corse-Méditerranée).
Der STC, der nach eigenen Angaben 5.000 Mitglieder hat, ist ein Folgeprodukt
der nationalistischen Bewegungen der Insel. Er wurde 1984 gegründet und besitzt
mittlerweile in den korsischen Häfen ein ähnliches Gewicht wie die CGT, ist im
Privatsektor allerdings stärker. 2004 war es der STC, der (nach wochenlangen
Streiks und der Blockade aller Häfen der Insel) das kontroverseste Abkommen
erreichte: die „Wiederherstellung des Gleichgewichtes“ bei der
Einstellungspraxis der SNCM zugunsten der korsischen Einwohner. Eine
„Korsisierung“, die die CGT bekämpft. Die CGT-Branchengewerkschaft der
Hafenarbeiter ist eine Gewerkschaft ähnlich derjenigen <d.h.
radikal linken CGIL-Sektion>, die im Hafen von Genua existiert und beschuldigt wird,
die Neueinstellungen zu kontrollieren. Die vier am Mittwoch verhafteten und
dann am Freitag vom Marseiller Gericht freigelassenen Seeleute, auf denen
allerdings weiterhin die schwere Beschuldigung der Piraterie lastet, weil sie
die Fähre mit dem symbolträchtigen Namen „Pascal Paoli“
(einem korsischen Helden, der an der Spitze der unabhängigen korsischen Republik
im 18.Jahrhundert stand) entführt haben, gehören allesamt dem STC an (drei sind
Brüder). Die STC-Gewerkschafter haben damit eine
Aktion der Rivalen von der CGT aktualisiert, die in der französischen
Gewerkschaftsgeschichte berühmt ist: die Beschlagnahmung / Entführung der
Transatlantik-Fähre „France“ im Hafen von le Havre 1974 (auch damals gegen die
Privatisierung gerichtet).
Die zur
Privatisierung bestimmte Société
Nationale Corse-Méditerranée (SNCM) ist ein
1976 gegründetes öffentliches Unternehmen, das bis 1996 das Monopol der
Seeverbindungen zwischen Korsika und dem kontinentalen Frankreich besaß. Dann
zwangen die Wettbewerbsregeln der EU zur Öffnung des Marktes – auch wenn es
sich um einen öffentlichen Dienst zur Wahrung der „territorialen Kontinuität“
Frankreichs handelt. In diesem Markt wurde die private Corsica
Ferries eingeführt (die italienisch ist). Die SNCM
besitzt 10 Schiffe, darunter aber nur eines mit hoher Geschwindigkeit. Sie hat
2.363 Beschäftigte, wovon 800 Einwohner Korsikas sind. In der ersten Fassung
des Privatisierungsprogramms waren 400 Entlassungen vorgesehen. Diese Zahl
sollte auch beim zeitlich gesehen letzten Vorschlag eingehalten werden. Der „Villepin-Plan“ sieht vor, dass der Investmentfond Butler
Capital Partners, der 1991 von einem ehemaligen, mit der Rechten
verbundenen, franko-amerikanischen Inspektor der
Finanzbehörden, gegründet wurde, 40% des Kapitals der SNCM übernimmt (statt der
100%, wie zunächst vorgesehen war). Daneben sollen 30% an die Veolia Connex, den
Ableger des ehemaligen Vivendi-Konzerns im
Transportsektor, gehen, d.h. Europas größten privaten Anbieter im
Transportgewerbe. (Sie leitet die städtischen
Verkehrsbetriebe in mehr als 4.000 Städten der Welt und verfügt mit
Fährgesellschaften in Holland und Schweden auch über kleinere maritime
Aktivitäten. In Frankreich betreibt sie nur die kleine Schifffahrtslinie La Seyne sur Mer
– Toulon.) Dem „Villepin-Plan“ zufolge würde
der Staat 25% der SNCM behalten, während 5% an die Beschäftigten
gingen. Die SNCM, aber auch die Corsica Ferries, erhalten Subventionen, um die im „öffentlichen
Dienst“ stehenden Verbindungen sicherzustellen. (Bis 1983 wurden Subventionen
für die „territoriale Kontinuität“ nur für die Fährverbindung zwischen dem
Kontinent und Korsika gezahlt und nicht umgekehrt. <Parti Socialiste-Premierminister> Michel Rocard setzt allerdings
einer Situation ein Ende, die die Korsen als Kolonisierung erleben.)
Anna Maria Merlot
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover