Antifa-AG
der Uni Hannover:
Im Leitartikel für die „il manifesto“-Ausgabe
vom 12.August 2006 beschäftigt sich der Mitbegründer und langjährige
Direktor des Organs der italienischen radikalen Linken, Valentino Parlato, mit den vereitelten (mutmaßlichen) Anschlagsplänen
britischer Al Qaeda-Mitglieder auf Transatlantikflüge von US-Gesellschaften und der
Kriegsrhetorik von Bush und Blair, bei der der Texas-Cowboy nun auch den antideutschen
Kampfbegriff vom „Islamfaschismus“ übernommen hat.
Editorial:
Bumerangeffekt
VALENTINO PARLATO
Gestern schlug die gesamte
Presse (zumindest die westliche) wegen eines schrecklichen terroristischen
Anschlages Alarm, der im letzten Moment von den englischen Geheimdiensten
vereitelt wurde. „Terrorismus: Eine Welt im Alarmzustand“ lautete die
Titelschlagzeile von „Le Figaro“. Dennoch sprachen am selben Tag des
maximalen Alarms Bush und Blair in zwei engagierten Reden davon, dass die
Terroristen seit langem unter Kontrolle gewesen seien. Darauf wies unsere
(gegen den Strom schwimmende) Zeitung bereits im gestrigen Leitartikel hin,
womit sie sich vom einhelligen Chor von Presse und Fernsehen unterschied. Wenn
dem so ist, wenn alles unter Kontrolle war, warum dann der außerordentliche
Alarmruf? Warum die Fluglinien
blockieren und Tausende von Leuten zwingen stundenlang voller Angst in den
Flughäfen zu warten? Warum den Schrecken in der ganzen Welt verbreiten?
Diese Fragen erscheinen mir
mehr als legitim und verlangen eine Antwort auf diese maximale Betonung des
Alarms. Die erste – fast selbstverständliche – Antwort lautet, dass die Angst
vor und der Hass auf die Terroristen (Bushs „Islam-Faschisten“) in der
öffentlichen Meinung angefacht werden sollte. Aber stellt Euch mal vor, was wir
sagen würden, wenn uns von der anderen Seite die Beschuldigung „Christ-Faschisten“ entgegen gehalten würde
? Es verstärkt sich in mir die
Überzeugung, dass Huntingtons Doktrin <vom „Clash der Kulturen“> die fundamentale und fundamentalistische Doktrin der
Bush und Blair ist, die, da sie nicht mehr wissen, was für eine Politik sie
verfolgen sollen, in der selbstmörderischsten aller Ideologien – der der
Terrors – nach einem Ausweg suchen. Ich habe allerdings den Eindruck, dass man
sich eine andere Frage stellen muss: Hat diese maximale Mobilisierung der Angst
die Zustimmung zu Bushs und Blairs Politik gesteigert oder hatte sie einen
Bumerangeffekt? Die Tausenden von
Menschen, die in den Flughäfen warteten und die Millionen von Menschen die von
der Presse und vom Fernsehen eines jeden Landes terrorisiert wurden, werden
sich (und das mit ein bisschen Wut im Bauch) fragen: Warum habt Ihr uns in den
Flughäfen festgehalten und warum habt Ihr uns so erschreckt, wenn alles seit
einigen Monaten unter Kontrolle war?
Die Antwort, die allen in
den verschiedenen Flughäfen Europas und Amerikas festgehaltenen Menschen der
gesunde Menschenverstand gibt, könnte lauten, Bush, Blair und ihren endlosen
Krieg, der ihr einziger Geistesblitz zu sein scheint, um sich an der Macht zu
halten, zum Teufel zu schicken. Hier gäbe es den Bumerang, einen Bumerang des gesunden
Menschenverstandes. Und irgendjemand anders könnte meinen, dass der Einfall des
„Kriegs im Himmel“ ein Versuch sei, um den Krieg im Libanon zu
unterstützen, der – wie immer er enden wird (wenn er denn endet), zwei
relevante Tatsachen verbucht: 1.) die Eigenmächtigkeit dieses Angriffs auf den
Libanon und die Palästinenser; 2.) die politische und auch militärische
Niederlage der gegenwärtigen Führung Israels und ihrer amerikanischen Freunde.
Wenn angefangen wird, die Hisbollah-Kämpfer mit den
Vietcong zu vergleichen, sollte man in den USA und Israel ins Grübeln kommen.
„Der Schlaf der Vernunft
erzeugt die Ungeheuer“, besagt ein alter
Spruch. Der Zweifel, ob sich die Vernunft nicht im Tiefschlaf befindet, ist stark.
Libanon, Irak und Afghanistan sind mittlerweile Kriege ohne Ergebnis, die
gerade deshalb weitere Ungeheuerlichkeiten erzeugen. Die Welt hat sich
grundlegend verändert. Die Kriege mit Siegern und Besiegten, an die wir uns
erinnern und mit denen wir Erfahrung haben, scheinen nicht mehr möglich. Die
Perspektive, wenn die USA diesen Weg weiter gehen, ist die eines weltweiten
Bürgerkrieges. In Erwartung weiterer Ungeheuerlichkeiten, Ängste und Massaker.
Das neue Jahrhundert fängt nicht gut an.
Vorbemerkung, Übersetzung und
Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG
der Uni Hannover