Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Wie es
seine Art ist, nutzte Israels Ministerpräsident Ariel Sharon eine
Häufung antisemitischer Akte in Frankreich im Juli flugs zur Aufforderung an
die Franzosen jüdischen Ursprungs umgehend nach Israel auszuwandern. Der Zweck
seines Vorstoßes liegt auf der Hand: Zum einen geht es darum weiteres Kanonenfutter
für seine Besatzungs- und Annektionspolitik im Speziellen und das zionistische
Projekt im Allgemeinen zu gewinnen, da die bisher jährlich aus Frankreich
einwandernden 2.500 Juden nicht annähernd in der Lage sind die demographische
Entwicklung zugunsten der arabischen Bevölkerung umzukehren. Und zum Anderen
sind diese Vorfälle für die Sharon-Regierung eine willkommene Gelegenheit von
der massiven internationalen Kritik am eigenen Vorgehen und zuletzt der
Niederlage vor dem Internationalen Gerichtshof in Sachen Mauerbau abzulenken.
Der Kampf gegen die antisemitischen Tendenzen (in diesem Fall in Frankreich)
bleibt dabei nicht zufällig auf der Strecke.
Das ist
auch der Grund für den Offenen Brief, den Jean-Claude Meyer, Aktivist
der französischen Sektion der European Jews for a Just Peace (EJJP), an Sharon
schrieb und der u.a. in der linken italienischen Tageszeitung „il manifesto“
vom 23.7.2004 veröffentlicht wurde.
Die EJJP
sind ein Zusammenschluss von 18 jüdischen Gruppen aus 10 europäischen Ländern
mit antizionistischer Ausrichtung, die die auf dem ersten Kongress der EJJP im
September 2002 in der "Deklaration von Amsterdam" zusammengefassten
Prinzipien teilen. Diese tritt für einen unabhängigen und lebensfähigen
palästinensischen Staat, die Auflösung aller Siedlungen in den besetzten
Gebieten, die Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt sowohl für Israel als
auch für einen palästinensischen Staat sowie die prinzipielle Anerkennung des
Rückkehrrechtes aller palästinensischen Flüchtlinge ein. (Wobei eine
praktikable Lösung Gegenstand von Verhandlungen zwischen Israel und einem
palästinensischen Staat sein soll.)
„Ich werde nicht nach Israel
emigrieren !“
Brief eines französischen Juden, der
das geheime Einverständnis von Zionismus und Antisemitismus anklagt.
Jean Claude Meyer (EJJP)
Nein Mr. Sharon. Ich werde nicht
nach Israel emigrieren. Um diejenigen, die sie die „Juden Frankreichs“ nennen,
zur Emigration nach Israel zu drängen, haben Sie den Tag gewählt, an dem
Frankreich der Winter-Velodrom-Razzia gedenkt. <siehe Anm. 1>
Ich werde niemals
emigrieren. Frankreich ist das Land, in dem ich geboren wurde und seit vielen
Generationen dasjenige meiner Familien väterlicher- und mütterlicherseits, die
aus dem Elsass stammen. Ich bin ein Mündel der Nation, da mein Vater von den
Nazis und ihren französischen Kollaborateuren erschossen wurde. Aber das war
1944. Heute befinden wir uns im Jahr 2004. „Glücklich wie Gott in Frankreich“,
sagten die Juden aus Mitteleuropa und aus Russland als sie hier ankamen. Ich
bin französischer Staatsbürger.
Nein, ich werde nicht
emigrieren. Frankreich ist nicht antisemitisch, auch wenn in letzter Zeit Akte
gegen Juden, aber auch gegen die Araber und Islamophoben <sic !> verübt wurden. Die Urheber solcher Taten sind
unterschiedlich: Geistesschwache, Neonazis, die meinen, dass ihr Augenblick
gekommen sei, weil sich viele Wähler im Votum für die extreme Rechte wieder
erkennen, sowie verirrte Jugendliche. und Franzosen arabischer Abstammung, die
sich im Feind irren und glauben, dass sie das palästinensische Volk dort
unterstützen, wenn sie sich hier mit den Juden anlegen. Sie hören nicht Leila
Shahids Stimme, die ihnen immer wieder erklärt, das sie das Ziel verwechseln.
Nein, ich werde nicht
emigrieren. Der zionistische Ansatz war und bleibt derjenige, die Juden der
Welt in Israel zu vereinen – einem Staat, den man als jüdisch bezeichnet.
Während der politischen und Wirtschaftskrise in Argentinien haben Sie sich an
die argentinischen Juden gewandt und sie aufgefordert, ihre „alyah“ zu
vollziehen. Heute sind die Franzosen an der Reihe. Von neuem manifestiert sich
die objektive Kollusion (heimliches Einverständnis) zwischen Zionismus und
Antisemitismus. Jeder kann aber sehen, dass Israel eines der Länder auf der
Welt ist, in dem die Juden weniger sicher sind – wegen der praktizierten
Unterdrückung des palästinensischen Volkes.
Nein, ich werde nicht
emigrieren. Ihre unverantwortlichen Äußerungen möchten die jüdischen Franzosen
in einen Gegensatz zu den arabisch-moslemischen Franzosen bringen. Das wird
Ihnen nicht gelingen. Im Gegenteil, wir werden dem Beispiel der Juden der
Französischen Jüdischen Union für den Frieden (UJFP) und der Maghrebiner der
Vereinigung maghrebinischer Arbeiter in Frankreich folgen, die gemeinsam daran
gegangen sind das palästinensische Volk und Israelis zu unterstützen, die gegen
die verbrecherische Politik Ihrer Regierung sind. Das was in Frankreich wie im
Mittleren Osten nötig ist, ist die Mauern einzureißen und Brücken zu bauen.
Ich werde niemals
emigrieren. Ich weigere mich von dem sogenannten „Gesetz über die Rückkehr“ in
ein Land zu profitieren, das niemals meines gewesen ist. Ein Land, in dem
Regierungen internationales Recht verletzen, eine illegale Mauer errichten,
illegalerweise die besetzten Gebiete in Cisjordanien und Gaza kolonisieren,
Häuser, Oliven- und Orangenhaine zerstören und dabei Männer, Frauen und Kinder
töten. Es sind die 1948, 1967 und heute verjagten Palästinenser, die das Recht
auf Rückkehr in ihre Heimat haben.
Ich werde niemals
emigrieren. Mr. Sharon, es ist Ihnen bei Ihrem Unternehmen gelungen, auch den
CRIF (Repräsentativrat der jüdischen Institutionen in Frankreich; Anm. des Übersetzers)
dazu zu zwingen, sich von Ihrem Vorhaben zu distanzieren. Jener CRIF, der den
Anspruch erhebt, alle französischen Juden zu vertreten und der mit seiner
Untertänigkeit <gegenüber
der israelischen Regierung normalerweise> zur Vermengung von Israelis, Zionisten und Juden und zur Verschärfung
der Spannungen beiträgt. Zumindest dafür: Danke!
Ich werde nicht emigrieren.
Ich werde hier in meinem Land, in Europa, alle Rassismen und auch Ihre Politik
solange bekämpfen bis das palästinensische Volk endlich in seinem eigenen Staat
(in Palästina) an der Seite des israelischen Volkes mit allen seinen
Bestandteilen (in Israel) in Frieden leben kann.
Anmerkung 1: Im Juli 1942 wurde eine Mega-Razzia gegen die
Juden in vielen europäischen Ländern organisiert, die „Frühlingswind“ genannt
wurde. Am 16.Juli um 4 Uhr morgens wurden 12.884 Juden verhaftet. Ungefähr
7.000 von ihnen wurden jedoch ins Winter-Velodrom deportiert. Fünf Tage lang
überlebten sie ohne Nahrung und mit nur einer Stelle, an der es Wasser gab. Wer
zu fliehen versuchte, wurde standrechtlich erschossen. Circa 100 (einhundert)
Gefangene begingen Selbstmord.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover