Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Am
Freitag, den 2.Dezember 2005 gab es erneut einen 8stündigen landesweiten Streik
der italienischen Metallarbeiter mitsamt einer zentralen Demonstration in Rom.
Ziel: ein neuer Tarifvertrag mit akzeptablen Lohnerhöhungen und ohne weitere Prekarisierung & Flexibilisierung. Den besten uns
bekannten Bericht darüber brachte die größte Tageszeitung des Landes, der
moderat linksliberale „Corriere della Sera“, am 3.12.2005. Wobei
auch dort (wenn auch wesentlich weniger als anderswo) eine gewisse Neigung zu
„italienischen Zahlen“ zu beobachten ist. Real lag die Streikbeteiligung bei
50% und die Teilnehmerzahl bei der Demo in Rom zwischen 10.000 und 12.000.
Beides durchaus Mobilisierungserfolge, vor allem wenn man bedenkt, dass es in
Italien keinerlei Streikgeld gibt und die Arbeiterinnen und Arbeiter der
Metallindustrie zum Großteil bereits mehrere volle Arbeitstage für einen neuen
Arbeitsvertrag (der alte ist seit fast 12 Monaten abgelaufen!) gestreikt haben.
Der Lohnverlust beläuft sich bei Vielen nunmehr auf 500 bis 600 Euro. Trotz
dieser Opferbereitschaft hat allerdings auch der Aktionstag am 2.12. die
Kapitalseite bisher nicht zum Einlegen gezwungen. Im Augenblick blockieren sie
die Verhandlungen mit einer ultimativen Forderung nach Einführung des Samstages
als Regelarbeitstag.
Entgegen
den Mitte der 80er Jahre aufgekommenen Thesen vom Verschwinden des
Industrieproletariats in den Metropolen bilden die Metallarbeiter auch
in Italien weiterhin eine beachtliche Kerngruppe der Arbeiterklasse. Die
etwas weiter links angesiedelte, zweitgrößte Tageszeitung des Landes, „la Repubblica“ nannte diesbezüglich in ihren Berichten am 3.12.2005
folgende Fakten: „Seit mehr als 10 Jahren ist die Zahl der Metallarbeiter im
wesentlichen unverändert. 1990 hatten die Mitgliedsunternehmen der Federmeccanica 1.882.000 Beschäftigte. 2004 ist ihre Zahl
auf 1.815.000 (- 3,6%) zurückgegangen. In absoluten Werten gab es, nach den
schwerwiegenden Umstrukturierungen Anfang der 90er Jahre, keinen Einbruch (`93
gab es das niedrigste Niveau mit 1.649.000). Dann kam ein schüchterner
Aufschwung, allerdings mit einer kontinuierlichen Verlagerung von Arbeitsplätzen
aus den Großunternehmen in die kleinen und mittleren Unternehmen. Heute machen
die Metallarbeiter nicht ganz 9% der Gesamtzahl der Beschäftigten aus, stellen
allerdings ca. 41% der insgesamt in der Industrie Beschäftigten.“
Aus
einem weiteren „la Repubblica“-Artikel, der Stimmen von Metallern
einholt, die an der Demo in Rom teilnahmen, geht hervor, dass sich die Nettolöhne
und -gehälter der Befragten zwischen 940 Euro und 1.400 Euro bewegen, die
Meisten aber ziemlich unisono auf 1.100 oder 1.200 Euro netto monatlich kommen,
wovon, nach Abzug der Mieten, Darlehenszahlungen, Unterhalt von Autos etc. für
die Familien nicht sonderlich viel übrig bleibt.
Hier nun
der Bericht aus „Corriere della Sera“ vom 3.12.2005:
Streik wegen Tarifvertrag
Rom von den Blaumännern überschwemmt
In den Verhandlungen zwischen Federmeccanica und Gewerkschaft zeigen sich die ersten
Lichtblicke.
Paolo Foschi
ROM – Am Dienstag beginnen
die Verhandlungen zur Erneuerung des Tarifvertrages der Metallarbeiter aufs
Neue. Und nach 11 Monaten Stillstand bewegt sich etwas. Gestern streikten die
Blaumänner in ganz Italien und Zehntausende Arbeiter demonstrierten in Rom, um
eine Lohnerhöhung von 130 Euro zu fordern. <Der Metallindustriellenverband> Federmeccanica
bleibt bei 59 Euro. Nun fühlen sich die Gewerkschaften allerdings gestärkt. Was
die Streikbeteiligung anbelangt, gab es das übliche Zahlenballett. Laut den
Gewerkschaftsbünden lag sie bei 80%. Den Unternehmern zufolge bei 33%. Die
Piazza San Giovanni war gestern morgen jedoch voller Arbeiter,
die mit Fahnen, Transparenten und Trillerpfeifen bewaffnet waren.
„Wir sind 150.000“, sagten die Organisatoren. Diese Schätzung ist vielleicht übermäßig
stark nach oben aufgerundet. Aber die Demonstration ist gelungen. Und der
Führer der <sozialdemokratischen> CGIL, Guglielmo Epifani,
ermahnte die Industriellen, „bis
Jahresende den Tarifvertrag abzuschließen“ und zwar ohne „unangemessene
Tauschgeschäfte“. „Und ich hoffe,
dass dies die letzte Kraftprobe ist“, sagte er. Kein Tauschhandel
Flexibilisierung gegen Geld also. Die Gewerkschaften sind jedoch bereit auf
etwas zu verzichten. Das sagte der Generalsekretär der FIOM-CGIL, Gianni Rinaldini. Und auch Savino
Pezzotta (die Nr. 1 der <christdemokratischen> CISL) öffnete einen Spalt: „Diskutieren wir über Flexibilität, aber ohne irgendjemandem freie Hand
zu lassen.“ Das Thema läuft parallel zu den Lohnerhöhungen. Außer den
Verhandlungen über den, vor fast einem Jahr abgelaufenen, Entgeltteil des
Tarifvertrages haben die Organisationen der Metallarbeiter (FIOM, FIM und UILM)
vor Monaten Verhandlungen über den Lehrlingsstatus begonnen. Dort wird nicht
über Geld, sondern über Flexibilität diskutiert. Die beiden Verhandlungen
könnten miteinander verknüpft werden. Die Federmeccanica
wäre, im Austausch für Öffnungen in punkto Flexibilität bereit, den Umfang der
Lohnerhöhung auszuweiten. Kurz gesagt: Zu dem „unangemessenen Tauschgeschäft“, das Epifani
nicht will. Vielleicht kann man aber zu einem Kompromiss gelangen, um bis
Weihnachten einen Abschluss zu erreichen, wie es von allen Gewerkschaftern
gewünscht wird, die gestern auf der Piazza San Giovanni das Wort ergriffen. Der
Präsident der Federmeccanica, Massimo Calearo, antwortete in der Nachrichtensendung von Sky 24 damit, dass er die Bereitschaft erklärte, die <zentralen
sozialpartnerschaftlichen Lohnzurückhaltungs-> Abkommen von 1993 zu revidieren.
„Die Forderung der Gewerkschaften erscheint mir nicht
maximalistisch“, kommentierte Fausto
Bertinotti (der Sekretär von Rifondazione
<Comunista
– PRC>), der gestern auf der
Demonstration zusammen mit verschiedenen Vertretern von Rifondazione
und <ihrer weniger
als halb so großen Rechtsabspaltung aus dem Oktober 1998> PDCI in der ersten Reihe mitmarschierte. Die Linksdemokraten
(DS) waren wenig vertreten. „Die sind
alle in Florenz, aber es ist als seien sie hier“, erklärte <DS-Mitglied> Epifani kurz und
bündig.
Vorbemerkung,
Übersetzung, Hervorhebungen und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover