Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Berlusconi
befindet sich im Niedergang und das ihn unterstützende rechte Parteienbündnis
Casa delle Libertà (Haus der Freiheiten) in einer Zerreißprobe, auch wenn es
ihm Ende Juli 2004 gelang die fast einen Monat andauernde Regierungskrise
vorerst beizulegen. Das Interessante an dieser, durch die Niederlagen insbesondere
der Berlusconi-Partei Forza Italia bei den Europa-, Kommunal- und Europawahlen
ausgelösten Krise ist, dass die christdemokratische Kleinpartei UDC (nur rund
6% landesweit, aber unterstützt vom wichtigsten Kapitalistenverband, der
Confindustria, und der italienischen Zentralbank) – anfangs zusammen mit der
sich sozial gebenden Alleanza Nazionale (AN) – der treibende Faktor dieser
Krise war und nicht die Linke oder die, im Olivenbaum-Bündnis versammelte
Mitte-Linke.
Diesem
Phänomen widmete sich die ehemalige PCI-Linke, spätere Mitbegründerin der
kommunistischen Gruppe und langjährige Chefredakteurin der Zeitung „il
manifesto“ und auch im deutsch-sprachigen bekannte linke Publizistin Rossana
Rossanda (70) in einem Kommentar für die Ausgabe von „il manifesto“ vom 10.7.2004:
Die Mitte sorgt für Bewegung
Bei dem im Casa delle
Libertà (CdL) stattfindenden Tauziehen war sofort der Wille von <AN-Parteichef> Fini und <UDC-Sekretär>
Follini erkennbar, von dem Schlag zu profitieren, der dem Ministerpräsidenten
(und nur ihm) von den Wählern versetzt wurde. Aber kaum dass <Forza
Italia-Wirtschaftsminister> Tremonti
zurückgetreten war, wurde deutlich, dass sie unterschiedliche Absichten verfolgten.
Fini hörte schlagartig auf. Nicht weil er bereits viel erreicht hätte, sondern
weil sein Schicksal als Regierungspolitiker mit Forza Italia verbunden ist.
Follini macht weiter, weil er die Bildung einer anderen Regierung anstrebt.
Einer Regierung der Mitte. Die Bossi <Lega Nord> und
Fini beiseite schieben, sich vielleicht einen Teil von Forza Italia greifen und
sich durch die Sammlung der verstreuten Teile der Democrazia Cristiana (DC)
auszeichnen würde, die sich nicht nur in der UDC befinden, sondern auch in der
ehemaligen und gegenwärtigen UDEUR, bei <dem ehemaligen Chef des christdemokratischen
Gewerkschaftsbundes CISL> D’Antoni,
in der CISL und unter den nicht Wenigen, die nach der <durch den Schmiergeldskandal
Tangentopoli 1992 ausgelösten> Sintflut
zu Forza Italia gegangen sind. Und sofort hat ihm die Margerite <d.h. der Zusammenschluss
liberaler und christdemokratischer Politiker und Kleinparteien innerhalb der
Olivenbaum-Bündnisses> auffällige
Zeichen der Aufmerksamkeit gesendet, während bekannt ist, dass sowohl Fazios
Banca d’Italia als auch Montezemolos Confindustria ihm wohlgesonnen wären. Sie
haben ihr Misstrauen gegenüber Berlusconis Quadriga (Vierergespann) niemals
verhehlt. Man kann nicht sagen, ob, in welchem Zeitraum und auf welche Art die
Operation gelingt, aber sie hat Umrisse angenommen und ist nunmehr eine
politische Karte auf dem Tisch. Die u.a. die Krise des Bipolarismus
signalisiert. Berlusconi wird wie ein Löwe darum kämpfen, sie im Keim zu
ersticken. Er hat bereits zu viele Schläge eingesteckt: von der Wahl bis zum
Stoppzeichen für seine unbefristete, interimsweise Übernahme auch des
Wirtschaftsressorts. Er ist allerdings kein Mann, der aufgibt. Er wird die drei
Verhandlungen mit eiserner Hand führen und alles, außer dem Wesentlichen,
zugestehen, das in seiner Führung und seiner Linie besteht, der italienischen
Version der reaganomics. Und die reaganomics sind in Mode. Er
wird bis zum Letzten die einzige große Karte ausspielen, über die er verfügt
(die Senkung der Steuern). Wenn Follini allerdings nicht zurückkommt, wird er
ihn in der äußeren Regierungsmehrheit <in einer Tolerierungsrolle> hängen lassen und sich vornehmen die UDC bei
irgendeiner der nächsten Wahlen zu beseitigen. Das hatte er bereits bei den
Europawahlen versucht.
Das größte Herzflimmern gibt
es allerdings im reformistischen Lager. Prodi strebte eine Zusammenkunft mit
den Linksdemokraten (DS) an (Scoppola sagt: einen neuen historischen
Kompromiss), um sie dem CdL in dem bipolaren Schema, das ihm teuer ist, entgegenzusetzen.
<DS-Parteipräsident> D’Alema strebte dasselbe Ziel an. Und trotzdem sie
31% der Stimmen erreicht haben, war es kein begeisterndes Ergebnis. Es hätte
genügt um weiterzumachen, wenn Rutelli und Marini nicht, gestützt auf eine bei
den Wahlen gedemütigte Margerite, flugs Follinis Zug wahrgenommen hätten, um
die reformistische Partei über den Haufen zu werfen. Auch die DS-Basis weint
nicht über die Beerdigung dieses Projektes <d.h. des sog. Triciclo (Dreirad), des Bündnisses
aus DS, Margerite und SDI als vereinigter Mitte innerhalb des
Olivenbaum-Bündnisses>, die Linke,
weil so die Auseinandersetzung verschoben ist und die Gewählten aller Art, weil
es ohne die schwache Margerite mehr Posten zu verteilen gibt. Kurz, Follini hat
ins Tor getroffen, wie es einst Beckham und Zidane taten und die Linken, die in
dieser Angelegenheit keine Rolle spielten, spalten sich in begeisterte Moderate
und besorgte Radikale.
In Wirklichkeit gibt es
nicht viel zu feiern. Dass Berlusconi den Horizont verlässt, ist nicht egal. Er
hat die materielle und formelle Verfassung verändert, war das politische Ufer
der kulturellen Veränderung, die auf 1989 folgte, hat die übelsten Launen der
Rechten aufgesogen und die Idee persönlicher und politischer Macht korrumpiert.
Aber wie könnte man sich nicht die Frage stellen, warum es der Opposition weder
gelungen ist, ihn zu stürzen noch ihn in Schwierigkeiten zu bringen? Warum die mögliche Veränderung das Markenzeichen
der herrschenden Klasse trägt und darüber hinaus mit altertümlichen
christdemokratischen Färbungen? Ich verstehe nicht, warum sich <die DS-Tageszeitung> „l’Unità“ für die Warnung der Ratingagentur
Standard & Poor begeistert. Genau wie bei <Zentralbank-Gouverneur> Fazio und <EU-Wettbewerbskommissar> Monti ist das, was man möchte, ein weniger
unanständiges Land, einen weniger kompromittierten Führer, eine gegenüber der
Gewerkschaft weniger rüpelhafte Regierung und für die Industriellen eine
Waffenruhe in einer zu harten sozialen Auseinandersetzung. Aber auch eine
weniger peinliche Haushaltsführung und somit jene Strukturreformen, die laut
OECD, Fazio und den Ratingagenturen einen ernsthaften Schlag gegen die Renten
und morgen gegen die bereits angegriffene Bastion Gesundheitswesen bedeuten. Kurz
gesagt, einen harten, aber sauberen Wirtschaftsliberalismus.
Das sind legitime Ziele der
herrschenden Klasse. Es geht nicht darum Trauer zu tragen und <CGIL-Generalsekretär> Epifani auf Schritt und Tritt des Verrates zu
verdächtigen <weil
er sich mit Confindustria-Präsident und FIAT-Chef Montezemolo traf, um über eine
Neuauflage der Sozialpartnerschaft zu reden>. Man muss sich allerdings für ein ganz unvorhergesehenes Szenario rüsten.
Lunghini schrieb gestern, dass das Programm fertig und gut sei. Es ist die
Verfassung. Ja, sicher. Aber wer hat sie (Zweikammerbeschlüsse inklusive,
Föderalismus inklusive, Treu-Paket <d.h. wirtschaftsliberale Arbeitsmarktgesetze> inklusive) auf den Weg gebracht, wenn nicht die
Regierung der Linken ? Wer würde sie mit
welchem sozialen Block (weil er sich sicherlich verändert hat) <im Rücken> und mit welchen Etappen heute gegen die Winde und
Gezeiten vorschlagen ? Ein Programm ist
ein „Was“ und „Wie“. Aber in dieser Hinsicht exponiert sich – außer der FIOM –
niemand (es sei denn durch sehr allgemein gehaltene Erklärungen). Deren <d.h. der
CGIL-Metallarbeitergewerkschaft FIOM>
Aufgabe es nicht wäre und die es allein nicht leisten kann. Wir werden nicht
aufhören darauf zu bestehen, dass man sich einen Ruck gibt.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover