Antifa-AG
der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Die
Hoffnung auf eine „befreundete Regierung“ bzw. die Suche nach „Freunden“ in der
jeweils amtierenden bürgerlichen Regierung steht seit jeher im Zentrum der
politischen „Strategie“ der Gewerkschaftsbürokratie und ist fester Bestandteil
der von ihr angestrebten „Sozialpartnerschaft“. Während in der BRD die „befreundete
Regierung“ gerade ihrem wohlverdienten Abgang entgegen eilt (nachdem sie in
Sachen Sozialabbau, Prekarisierung, Massenverarmung, Kriegsbeteiligung und neuen
Kolonialtruppeneinsätzen im Kosovo und in Afghanistan wahrhaft Bahnbrechendes
geleistet hat) steht Italien eine solche ab dem Frühjahr 2006 ins Haus. Grund
genug für das Führungsmitglied der Metallergewerkschaft FIOM und Kopf der
Gewerkschaftslinken in der CGIL, Giorgio Cremaschi (der politisch Mitglied bei
Rifondazione Comunista ist), sich in einem Editorial für die linke Tageszeitung
„Liberazione“ vom 23.6.2005 mit dem Thema „Befreundete Regierung“
auseinander zu setzen und dabei zu einem sehr eindeutigen Urteil gelangt:
Erinnert Euch, die Gewerkschaft hat
niemals befreundete Regierungen
Giorgio Cremaschi
Heute trifft sich Romano
Prodi mit dem Generalsekretär der CGIL <Guglielmo Epifani> auf dem Fest von Serravalle Pistoiese. Die Voraussetzungen dafür sind
nicht gut.
Vor einem Jahr erhielt der
neu gewählte Präsident der <Industriellenvereinigung> Confindustria
an derselben Stelle Beifall und verteilte Autogramme unter jenen Arbeitern /
Werktätigen (lavoratori), die gegen den, von seinem Vorgänger geführten
brachialen Angriff auf die <sozialen> Rechte und die
CGIL gekämpft hatten. Erleuchtet durch die Erfolge von Ferrari nährte der neue <Unternehmer-> Präsident eine Hoffnung auf wirkliche Veränderung.
Nach einem Jahr kann man sagen, dass diese im Nichts geendet ist.
Während die großen Familien
akkumulieren, die Unternehmen verlagern und entlassen, hat die Confindustria
keines ihrer grundlegenden Ziele geändert. Sie ist immer zur Stelle, um zu
fordern, dass die Krise dadurch überwunden wird, dass die öffentlichen Ausgaben
und die Löhne gesenkt werden und dass man die Leute länger und schlechter arbeiten
lässt. Heute gäbe es jenen Beifall nicht mehr.
Jetzt ist Romano Prodi an
der Reihe. Apropos, die Fairness würde es erfordern, dass sich die CGIL in
derselben Weise mit den anderen Kandidaten bei den Vorwahlen der Linken <u.a. dem in den Umfragen Zweitplatzierten,
Rifondazione Comunista-Sekretär Bertinotti> auseinandersetzte. Es wäre sinnvoll, dass das Treffen kein Laufsteg
ist. Und ebenso wenig die Besiegelung einer neuen innigen Übereinkunft. Ähnlich
derer, die die CGIL-Führung mit den Regierungen des <mitte-linken> Olivenbaum-Bündnisses verband und an die man sich in
den Betrieben noch heute als Quelle großen Ärgers erinnert, vom Treu-Paket über
die Privatisierungen bis hin zur Stagnation der Löhne.
Nun stehen die CGIL und der
Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten vor der von der Regierung
Berlusconi verursachten Katastrophe. Das Land und vor allem die Arbeiter
brauchen grundlegende Veränderungen. Was aber bedeutet ‚verändern’? Auch wenn
sie unabdingbar ist, wird die Beseitigung jenes Konzentrates aus Dummheit,
Arroganz und Missachtung der Verfassung, das die Politik der Regierung der
Rechten ausgezeichnet hat, mit Sicherheit nicht ausreichen.
Die italienische Krise
erfordert sehr viel mehr: Zuallererst soziale Sicherheit und Gerechtigkeit, Erhöhung
der Löhne und der guten Beschäftigung. Von hier aus muss man beginnen, mit
wirklichen Reformen zugunsten der Arbeit und jener drei Viertel der
Gesellschaft, die in den letzten Jahren erlebt haben, wie ihnen Reichtum
entzogen wurde. Das sind die Prioritäten und die stehen im Gegensatz zu den vom
Präsidenten der Confindustria in einer Rede geforderten unpopulären Maßnahmen,
die von Romano Prodi hingegen sehr geschätzt wurde. Von dem die Führung der
Gewerkschaft, die Berlusconis Politik (oftmals allein) mit Zähigkeit
entgegengetreten ist, vor allem verlangen muss, anzuerkennen, dass die
italienische Krise eine lange Vorgeschichte hat. Die mit der Unterordnung unter
den Markt und die wirtschaftsliberale Konkurrenzfähigkeit zu tun hat, die in
Italien auch die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der
Mitte-Links-Regierungen kennzeichneten. Und mit einem Aufbauprozess der
Europäischen Union, der sich auf den Monetarismus, das Maastricht-Abkommen und
den Stabilitätspakt sowie auf die kontinuierliche Erosion der sozialen
Errungenschaften gründet.
Es ist eine wirkliche Wende
und nicht die Rückkehr zu jener Politik der Sozialpartnerschaft und des
Sozialpaktes notwendig, die den Arbeitern / Werktätigen keine Ergebnisse
gebracht hat und für die Entwicklung des Landes kein Stimulus war. Heute
scheint ein breites Spektrum politischer Kräfte und ökonomischer Machtzentren
der Neuen Mitte jene Politik erneut vorzuschlagen. Vielleicht sogar mit der
Rechtfertigung, dass die von Berlusconi hinterlassene Rechnung zu hoch ist,
dass es neuer Opfer und einer neuen Strenge für Alle bedarf. Das heißt für
dieselben wie immer. Man muss stattdessen Nein sagen und zäh eine andere
Wirtschafts- und Sozialpolitik einfordern, ohne den Einflussnahmen und
Schmeicheleien des politisch näher stehenden Lagers zu erliegen.
Es ist der Moment gekommen,
dem Spitzenkandidaten <der
Mitte-Linken, Romano Prodi> zu
erklären, dass die Gewerkschaft Regierungen gegenüber gestanden hat, die ihr
feindlich gesinnt waren, aber keine befreundeten Regierungen haben kann. Von
einer Regierung, die sich auf die Werte der Arbeit und der Demokratie beruft,
wird viel mehr erwartet als von einer Regierung, die auf die Prekarität und die
Schattenwirtschaft vertraut. Gerade deshalb sollte man Prodi gegenüber
ankündigen, dass einer Mitte-Links-Regierung kein Rabatt gewährt wird und mit
ihr keine Tauschgeschäfte gemacht werden, sondern dass man von ihr – wo
notwendig mittels Kampf – grundlegende Veränderung gegenüber der Vergangenheit
fordern wird. Gegenüber der jüngeren Vergangenheit und der etwas länger
zurückliegenden.
Die Unabhängigkeit der
Gewerkschaft dient der Transparenz und der Rigorosität derjenigen, die regieren
wollen und vor allem tut sie den Arbeitern gut und denjenigen, die sie repräsentieren
sollen.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover