Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

Während sich die drei großen sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsbünde Italiens nicht zu einer klaren Verurteilung des imperialistischen Krieges der USA, Großbritanniens und ihrer diversen Verbündeten (z.B. der BRD und Italien) durchringen konnten und schon gar dagegen mobilisierten, waren die verschiedenen linken und linksradikalen Basisgewerkschaften nicht nur in ihren Stellungnahmen eindeutig, sondern bemühten sich auch um die Organisierung praktischen Widerstandes. Die wichtigste Initiative darunter war der ganztägige Generalstreik, zu dem 4 der größten Gruppierungen dieses Spektrums für den 9.November aufriefen. Leider konnte sich die Confederazione COBAS, die vor allem in den Schulen aber auch in Teilen der Telecom Italia und einzelnen anderen Betrieben stark ist) nicht zu einer Beteiligung durchringen. Dafür war die im öffentlichen Dienst aktiven und dort z.T. recht starken Rappresentanze di Base (RdB - Basisvertretungen), die zur Einheitskonföderation der Basis (CUB) gehören dabei federführend. Aus diesem Grunde erschien in der Tageszeitung von Rifondazione Comunista, “Liberazione” vom 9.11.2001 das folgende Interview mit dem nationalen Koordinator der RdB:
 

Interview mit Paolo Leonardi (RdB):

Heute der Generalstreik gegen Haushaltsgesetz und Krieg


Heute werden die in CUB, RdB, SLAI Cobas und USI organisierten Werktätigen wegen des Generalstreiks “Gegen den krieg und das Haushaltsgesetz” auf der Straße sein. In Rom wird es eine Demonstration geben, die um 9.30 Uhr / 10 Uhr von der piazza Esedra losgeht.

Der Streik ist am Tag vor dem Angriff der amerikanischen Bomber auf Kabul proklamiert worden. Natürlich wird er nicht der letzte sein. “Liberazione” hat <dazu> Paolo Leonardi, den nationalen Koordinator der Rappresentanze di Base (Basisvertretungen - RdB) interviewt.

Ihr habt die Rolle des Bulldozers übernommen <der den Weg ebnete>, aber inzwischen werden weitere Wege hin zu Kampfinitiativen eingeschlagen.

“Am Anfang haben wir versucht, den Termin zusammen mit anderen Organisationen hinzubekommen, aber das ist nicht möglich gewesen, weil jemand anderes beschlossen hatte, die Problematiken der verschiedenen Berufsgruppen hervorzuheben. Wir denken nicht, daß dies der Augenblick für branchenspezifische Initiativen ist. Heute bestätigt dieses Klima der Großen Koalition unsere Entscheidung. Es bedarf einer starken und lauten Antwort, die sich vom Donner der Kanonen nicht einschüchtern läßt. Diejenigen, die - wie die Confederazione Cobas - daran denken, sich auf eigene Rechnung zu bewegen, irren sich wirklich. Sie irren sich, weil sie beschlossen haben der Welt der Schule <wo sie besonders stark sind und derzeit eine reaktionäre Schul”reform” durchgesetzt werden soll /d.Ü.> größeres Gewicht zu geben.”

Bis jetzt hat die konföderale Gewerkschaftsbewegung <d.h. CGIL-CISL-UIL> ein bißchen am Fenster gestanden.

“Die Position von CGIL, CISL und UIL ist skandalös. Ihre sanfte Sichtweise der Ereignisse ist skandalös. Sicher, einige Subjekte in ihrem Innern haben eine korrektere Position, aber sie lassen sie nicht nach außen dringen.”

Wie gedenkt Ihr die Perspektiven dieses Kampfes gegen den Krieg anzugehen ?  Mit weiteren Einzelinitiativen ?

“Wir wissen, daß der Weg nicht mit diesem Streik zuende ist. Es wird eine lange und dauerhafte Mobilisierung nötig sein. Wir werden vor beunruhigenden Szenarien stehen. Wir sind zu neuen Kampfmomenten bereit, aber auf der Grundlage klarer Inhalte. Streiks gegen den Krieg und fertig, läuft Gefahr nicht verstanden zu werden. Man muß eine Verbindung zu den realen Inhalten der Arbeitswelt schaffen. Sicher <ist>, den Generalstreik zusammen mit denjenigen, die mit der Sozialpartnerschaft einverstanden sind, werde ich nicht machen.”

Ihr habt eine starke Verbindung zwischen diesem Haushaltsgesetz und diesem Krieg hergestellt. Mit welchen Argumenten ?

“Die prekäre Beschäftigung grassiert in der Arbeitswelt. In der öffentlichen Verwaltung gibt es den Einstellungsstop mit einer starken Benachteiligung für die LSU-Beschäftigten <die italienische Variante der in staatlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Beschäftigten> und inzwischen haben die - für die Werktätigen sicherlich ruinösen Privatisierungen - eine entschiedene Beschleunigung erfahren. Es ist klar, daß die Regierung über das Alibi des Krieges sich in der Lage fühlt soweit zu gehen, wie sie will. Auch in Italien haben wir im übrigen die sogenannte ‚Bush-Front‘: Die, die der amerikanische Präsident der Welt mit dem Ruf ‚Entweder mit uns oder gegen uns‘ aufgezwungen hat.

Ich möchte daran erinnern, daß die Regierung für den Krieg weitere 3 Billionen Lire <3 Mrd.DM / 21 Mrd. Schilling /d.Ü.> bereitgestellt und dafür die Sozialausgaben gekürzt hat. In diesem Rahmen hat sich das Geschehen um die Petrochemie in Porto Marghera <in Venetien> eingefügt, das etwas über einen Profit aussagt, der auch nicht vor Toten und vor Umweltverwüstungen halt macht.”

Wieviele denkt Ihr, daß Ihr heute auf die Straße bringt ?

“Trotz des Black-outs des Informationssektors <der sich im Streik befand> (“Liberazione” konnte dieses Interview bereits vor einigen Tagen machen; Anm.d.Red.) glaube ich, daß wir heute nicht weniger als 50 000 sein werden. Wir werden den genossen der Petrochemie in Marghera, den Beschäftigten der öffentlichen Einrichtungen, die sich auf dem Weg der Privatisierung befinden, <dem von Schließung bedrohten Werk von> Alfa Romeo in Mailand-Arese, dem Gesundheitswesen, den Beschäftigten der kulturellen Güter, die sich ebenfalls im Kampf gegen die Privatisierung befinden und den LSU’lern großen Raum geben. In bezug auf diesen Generalstreik gibt es eine gewisse Aufmerksamkeit, von der ich glaube, daß sie nicht unterschätzt werden sollte. Wir wünschen uns und hoffen, daß viele Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die auch wenn sie nur im Zuge des Streikes von CGIL, CISL und UIL die Arbeit niederlegen, zu unserer Demonstration kommen werden.”

Das Interview führte: Fabio Sebastiani

Vorspann, Übersetzung und Anmerkungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover
 
 

Darüber wie das Ergebnis der Mobilisierung aussah, berichtet die links-unabhängige Tageszeitung “il manifesto” am 10.11.2001:
 

Die Piazza der Basisgewerkschaften

10 000 Werktätige aus CUB, SLAI Cobas und RdB gestern in Rom, um “Nein” zu Krieg und Haushaltsgesetz zu sagen.

Tiziana Barrucci - Rom

“Ich bin hier, um mein Nein zum Angriff auf den Sozialstaat, zur Annahme eines Kriegshaushaltes und zur Beteiligung an einem militärischen Krieg zu sagen. Und auch um gegen die Umstrukturierung des Gesundheitswesens zu demonstrieren.” Fabio Paganini gehört zu den Rappresentanze di Base (Basisvertretungen - RdB) für das Gesundheitswesen von Perugia <der Hauptstadt der mittelitalienischen Region Umbrien> und auch er ist, zusammen mit weiteren 10 000 Leuten gestern in Rom auf die Straße gegangen.

Die nationale Demonstration von CUB, SLAI Cobas und RdB während eines Streiktages des öffentlichen Dienstes hat in der Hauptstadt auf der piazza della Repubblica begonnen und ist entsprechend der üblichen Route durch die Straßen des Zentrums bis zur piazza Santi Apostoli. Eröffnet wurde sie durch ein gelbes Transparent “Nein zum Krieg und zum Haushaltsgesetz” mit drei heiligen Königen, die Berlusconi, Martino und Tremonti darstellten, gefolgt von 3 kleinen Eseln mit weiteren Schriften um den Hals: “Erhöhung der Militärausgaben”, “Entlassungen” und “Ausverkauf des Immobilienvermögens der Behörden”.

Laut den Organisatoren hat der gestrige, von den zu SLAI Cobas, USI, CUB und RdB gehörenden Arbeitern für den ganzen Tag und von denen aus CGIL, CISL und UIL nur für 3 Stunden zum Schichtende angesetzte, Streik ... gehabt. <Angesetzt wurde er ...> Gegen das im Haushaltsgesetz enthaltene Paket der öffentlichen Verwaltung und insbesondere aufgrund der unzureichenden Mittel für die Erneuerung der Tarifverträge.

Die Arbeiter von FIAT Pomigliano <bei Neapel = das ehemalige Alfa Romeo-Süd-Werk> und von Alfa Romeo in Mailand-Arese haben gestern auf der piazza ihr “Nein” neben den Angestellten der Versicherungen, der Post, der INAIL (Nationale Versicherungsanstalt für die Opfer von Arbeitsunfällen), der Steuerbehörden und der Kommune zum Ausdruck gebracht. Und desweiteren zusammen mit den Krankenhausbeschäftigten, den Arbeitern der kulturellen Güter <Museen etc.>, der Telekommunikation, den Feuerwehrleuten, den LSU-Beschäftigten, den selbstorganisierten Schülern und Studenten sowie einigen Stadtteilkomitees. RdB Bologna, Mailand, Florenz, Genua, Turin, Neapel <waren vertreten>. Alle um gegen die Anlage des Haushaltsgesetzes und die Logik des Krieges zu protestieren, der “dem Sozialstaat Mittel entzieht”. Und desweiteren gegen das “niederträchtige” Absolutionsurteil für die Firmenleitung der Petrochemie in Porto Marghera <Venetien>. Weil “wir uns damit nicht abfinden. Als zivile Nebenkläger werden wir das Urteil in der Berufung anfechten, um das recht in Sicherheit zu leben und zu arbeiten zu behaupten”, hat ein Arbeiter aus Marghera versichert.

“D’Alema <DS> und Berlusconi <Forza Italia> setzen sich den Helm auf - das zweipolige Parteiensystem ist jetzt perfekt” und weiter: “Weder eine Lira noch ein Leben für den imperialistischen krieg”, waren die meistskandiertesten Parolen. Und die LSU-Arbeiter: “Sie rauben unsere Zukunft. Wir wollen eine stabile und sichere Arbeit !” Und gegen den Artikel 22 des Haushaltes 2002, jenen Artikel, der die generelle Privatisierung der RdB-Beschäftigten vorsieht: “Sie haben uns eine Lohnerhöhung von 9 800 Lire <9,80 DM bzw. 68,60 Schilling> brutto vorgeschlagen. Das ist” - Domenico und Carla von den RdB der Steuerbehörden zufolge - “ein demütigender Vorschlag und mit der Privatisierung der Agenturen ist nicht klar, was mit uns passiert.” Ein <Personal- /d.Ü.> Abbau ? Wie ? Wann ? “Vielleicht sind wir 40 000”, sagt der nationale Koordinator der CUB, Piergiorgio Tiboni, wobei er jedoch das Fehlen der Antiglobalisierungs-Bewegung hervorhebt. “Morgen gibt es die Landpartie der Kriegstreiber.” <D.h. die landesweite Demo von Forza Italia, Alleanza Nazionale, Lega Nord, CCD und CDU für den imperialistischen Krieg und die aktive Beteiligung Italiens daran ebenfalls in Rom.> “Es werden wiedereinmal die Kinder der Proletarier sein, die ihr Leben für deren Privilegien riskieren. Dies ist eine Regierung der Reichen, die den Volks-Schichten den Krieg erklärt hat.”

Eine Reihe von Demonstranten <ist> mit Berlusconi-Masken <dabei>: “Gegen die Berluscotti-Bande, die den Arbeitern alle Rechte beschneidet !” und mit riesigen Sperrholzbuchstaben, die die Parole “Europäische Löhne !” bilden. Eine Mobilisierung “gegen eine Regierung, die auf die Abschaffung der Garantien des Arbeiter-Statuts in bezug auf die Entlassungen abzielt, um die Arbeit für junge Arbeiter und Arbeitslose prekärer zu machen, sowie auf die Reduzierung der Renten. Wenn nicht jetzt demonstrieren, wann dann ?”

Übersetzung, Anmerkungen in eckigen Klammern und die folgende Nachbemerkung:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover
 

Nachbemerkung:

Was die - nicht unwesentliche - Frage der Beteiligung an der Demonstration (und damit auch am Streik) angeht, neigt “il manifesto” aus - wie wir finden - falsch verstandener Parteilichkeit ohnehin schon dazu die Teilnehmerzahlen linker Demos weit zu übertreiben. Oftmals um das 4 oder 5fache. Dieses Verhalten ist in bezug auf die linken Basisgewerkschaften nicht ganz so ausgeprägt, weil die “il manifesto”-Redaktion eher dem linken Flügel innerhalb der CGIL nahesteht. Daher sind die von der Autorin Tiziana Barrucci genannten 10 000 als die absolute Obergrenze der tatsächlichen Beteiligung anzusehen (wahrscheinlich waren es eher 5 000 Leute) und die Aussage des Kollegen Tiboni von der CUB (“Vielleicht sind wir 40 000.”) leider als maßlose Übertreibung und Zweckpropaganda zu betrachten. Aber selbst diese Zahl liegt ja unterhalb der 50 000, die der führende Kopf der RdB, Paolo Leonardi, in obigem Interview genannt hatte.

Resumee: Trotz z.T. beachtlicher betrieblicher Erfolge bei den RSU-Wahlen und lokalen Konflikten hat die allgemeinpolitische Mobilisierungsfähigkeit der linken italienischen Basisgewerkschaften eher nachgelassen - insbesondere, wenn sie getrennt marschieren (also die Confederazione Cobas eigene Wege geht).