Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Die
erste kritische Stellungnahme einer der am Europäischen Sozialforum in London
beteiligten Organisationen an Verlauf und Vorbereitung der Veranstaltung war
das Statement des internationalen Übersetzerkollektivs Babels. Es wurde am
Donnerstag, den 21.10.2004 auf ihrer Homepage (www.babels.org/)
in englischer Sprache veröffentlicht und bereits am 16.10.2004 vor allen
Nachmittagsveranstaltungen des ESF verlesen. Für alle, die nicht in London
waren und als Beitrag zu der nun angelaufenen, äußerst wichtigen Reflektion
über den zum Teil bedenklichen Zustand des ESF haben wir das Dokument ins
Deutsche übersetzt:
Stellungnahme der
Babels-Koordinatoren beim ESF vom 16.Oktober 2004, 17 Uhr
Die folgende
Stellungnahme wurde von den europäischen Babels-Koordinatoren verfasst, die in
London anwesend waren und zu Beginn der Veranstaltungen verlesen, die am
Samstag, den 16.Oktober von 17 bis 19 Uhr stattfanden. Es sollte ebenso als
Beitrag zur Versammlung der Sozialen Bewegungen gehalten werden.
Babels ist ein
internationales Netzwerk von Freiwilligen, die alle Plenarveranstaltungen und
Seminare des Europäischen Sozialforums übersetzen und dolmetschen. Wir sind ein
Netzwerk von mehr als 7.000 freiwilligen Dolmetschern aus mehr als 30 Ländern,
die in mehr als 50 Sprachen kommunizieren.
Für dieses 3.Europäische
Sozialforum in London hat Babels mehr als 500 Freiwillige versammelt, um in
allen Plenarveranstaltungen und Seminaren zu dolmetschen. <Dort vertretene> Sprecher waren in der Lage, sich in mehr als 15 verschiedenen
Sprachen auszudrücken und Delegierte aus mehr als 60 Ländern waren in der Lage,
diesen Debatten zu folgen und sich an ihnen zu beteiligen.
Wir existieren, um
mehrsprachige Kommunikation in Foren und Prozessen zu erleichtern, die an den
Prinzipien der Porto Alegre-Charter des Weltsozialforums festhalten. Die
wichtigsten dieser Prinzipien sind: (1.) dass die Sozialforen keinen „Ort der
Macht“ bilden, „der unter den Teilnehmern dieser Treffen umkämpft ist“. Und
(2.) „das Sozialforum ist ein pluraler, mannigfaltiger, nicht-konfessioneller,
Nicht-Regierungs- und parteifreier Zusammenhang, der auf dezentralisierte Art
wechselseitige Beziehungen zwischen Organisationen und Bewegungen herstellt,
die sich mit konkreten Aktionen auf <allen> Ebenen
von lokal bis international dafür einsetzen, eine andere Welt zu schaffen“.
Unser Ziel ist es, diese
Prinzipien dadurch mit Leben zu erfüllen, dass wir die größtmögliche Anzahl von
Menschen in die Lage versetzen, an Sozialforen so umfassend wie möglich
teilzunehmen, indem Sprachbarrieren niedergerissen und die Mittel
bereitgestellt werden, um sich in einer mehrsprachigen und multikulturellen
Umgebung gegenseitig zu verstehen. Vielleicht ist unser wichtigstes Prinzip das
der Selbstorganisation. Wir sind bestrebt, die technischen und politischen
Mittel für die Foren zu entwickeln, um sie unabhängig von der kapitalistischen
Sphäre zu organisieren und zu demonstrieren, dass eine andere Welt nicht nur
möglich ist, sondern bereits geschaffen wird.
Bedauerlicherweise wurden
bei der Organisierung dieses Forums viele Gelegenheiten zum Experimentieren und
zur Innovation ausgelassen, was den Ausschluss vieler Leute, Organisationen,
Netzwerke, Gruppen und sogar Länder zur Folge hatte. Stattdessen wurden
klassische neoliberale Organisations-, Management- und Dienstleistungspraktiken
angewandt. Mit dem Ergebnis, dass das Forum vollständig vom Staat abhängig war.
Das steht in völligem Widerspruch zur Porto Alegre-Charter.
Das ESF auf diese Weise zu
organisieren, hatte desaströse Konsequenzen für die selbständige Entwicklung
unserer Bewegungen. Die Einbeziehung von Netzwerken von Aktivisten und
Freiwilligen ermöglicht nicht nur das größtmögliche Kollektiv von Leuten bei
der Schaffung von Alternativen <zu bilden>, sondern ebenso
die Einbeziehung der größtmöglichen Anzahl sozialer und politischer Akteure, um
dadurch eine Dynamik immer stärker werdender Mobilisierungen der sozialen
Bewegungen hervorzurufen. Dieses Forum verfügt über eine quälende Erfahrung <im Sinne von: Geschichte> der Demobilisierung, nicht nur was die Anzahl der
Delegierten anbelangt (weniger als die Hälfte als im vergangenen Jahr), sondern
ebenso einen chronischen Mangel an Freiwilligen, um dabei zu helfen, ein
erfolgreiches Forum zu ermöglichen.
Schließlich und endlich war
eines der Hauptthemen des ESF zu Recht der Kampf gegen Rassismus und Faschismus
in Europa. Betrübt wollen wir Euch darüber informieren, dass einige unserer
freiwilligen Dolmetscher heute nicht hier sein können, weil ihnen die Einreise
ins Vereinigte Königreich nicht erlaubt wurde. Das ist ein direktes Resultat
der rassistischen Asyl- und Einwanderungspolitik der britischen
Labour-Regierung und ein weiteres Beispiel dafür, dass die Festung Europa eine
Realität und keine Parole ist. Insbesondere mehreren Dolmetschern aus der
Türkei, Russland, Rumänien, den Maghreb-Staaten (Tunesien, Algerien, Marokko
und Libyen) sowie dem Mittleren Osten wurden ihre Visa verweigert. Es ist
traurig berichten zu müssen, dass die Art wie das ESF in diesem Jahr organisiert
wurde, in dieser Situation nicht hilfreich war.
Koordinatoren
des Babels International Network of Volunteer Interpreters and Translators
(und nicht der
Sozialforums-Übersetzungsdienst, wie Ihr im offiziellen Programm möglicherweise
gelesen habt)
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover