Antifa-AG der Uni Hannover:
Wenige Stunden nach Bekanntwerden der vorläufigen amtlichen Endergebnisse
der Wahlen zur italienischen Abgeordnetenkammer und zum Senat gab der Sekretär
von Rifondazione Comunista, Fausto Bertinotti, der zum FIAT-Konzern gehörenden
liberalen Tageszeitung “La Stampa” das folgende Interview, das faktisch
die erste Stellungnahme Rifondaziones zum Wahlausgang darstellt. Es erschien
in der Ausgabe vom 15.5.2001.
Bertinotti an D’Alema: Treffen wir uns
!
“Es bedarf einer gemeinsamen Perspektive
der Linken.”
Guido Ruotolo - Rom
Am Tag des Sieges des Hauses der Freiheiten <d.h. von Berlusconis rechtem
Parteienbündnis> sieht Fausto Bertinotti “den Anfang des Niedergangs
der Linksdemokraten (DS)” und die “Niederlage der verschiedenen internen
Hypothesen innerhalb der Linksdemokraten ( DS). Der Sekretär von Rifondazione
diktiert seine Bedingungen, damit das “Tauwetter” auf der Linken beginnt:
“Die Mitte-Linke ist ein Gefängnis. Das ist es für die gemäßigte
Linke und für die Bewegungen. Wenn diese Linke so bleibt, wie sie ist,
ist ihre Niederlage absehbar. Wir müssen ausgehend von der Analyse der
Gesellschaft und von dem Programm neu beginnen, mit dem sich diese plurale
Linke ausstatten sollte, und dabei das Problem der politischen Bündnisse
zurückstellen.” Es versteht sich von selbst, daß der Sekretär
von Rifondazione Comunista nicht an einer Erwiderung auf die Klagen über
die verpaßte Mehrheit des Olivenbaum-Bündnisses im Senat interessiert
ist <die möglich gewesen wäre>, wenn Rifondazione nicht angetreten
wäre. Er ist allenfalls über das mögliche Mißverständnis
verärgert, das aus einer Antwort von ihm auf eine Frage der Nachrichtensendung
des <öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders> RAI 3 entstanden ist:
“Ich bin nicht daran interessiert”, stellt Bertinotti klar, “den Dialog,
die Auseinandersetzung zu personalisieren. Der Eindruck, daß wir uns
einen Gesprächspartner wählen, daß wir D’Alema einem anderen
Führer der Linken vorziehen, ist falsch. Ich habe einfach auf die Frage
geantwortet und D’Alema bezüglich der Notwendigkeit zugestimmt, sehr
viel Geduld und Toleranz für das Wiederanknüpfen der Fäden
einer Auseinandersetzung in der Linken, zwischen den Linken aufzubringen
und mich zu einem Treffen in den nächsten Tagen bereit erklärt.”
Ist es nach den Unverständnissen, den Polemiken und den Spaltungen
heute, wo Berlusconi die Wahlen gewonnen hat, möglich eine Auseinandersetzung,
einen Dialog zwischen Olivenbaum-Bündnis und Rifondazione neu zu eröffnen?
“Ich bin bereit, D’Alema in den nächsten Tagen wo auch immer zu treffen.
Dies vorausgeschickt, hat die Wahl vom Sonntag die Niederlage der beiden
Optionen gezeigt, die innerhalb der DS miteinander ringen. Diejenige der
liberalen Linken, die ihre Karten auf die privilegierte Beziehung zur demokratischen
Mitte setzt ...”
...und diese Mitte, Herr Sekretär, ist am Sonntag bestätigt
worden. Die Margerite <die das Emblem der liberalen und christdemokratischen
Kleinparteien-Koalition der “mittleren Mitte” innerhalb des Olivenbaum-Bündnisses
ist> von Rutelli kommt auf weit über 10% und landet knapp hinter
den DS. Die beiden Beine der Koalition sind jetzt gut sichtbar.
“Es ist kein Zufall, daß diese beiden Beine, die eine Hypothese der
linksliberalen Mitte bilden, in der Niederlage entstehen. Und sie signalisieren
den Beginn eines Niedergangs der Linksdemokraten (DS).”
Niedergang der DS ?
“... einen Niedergang der DS, der nicht nur einer Regierungspraxis zuzuschreiben
ist, sondern auch einer politischen Kultur, die ihre Wurzeln in der Wende
des Parteitages von Bologna hat <auf dem im Februar 1990 der PCI aufgelöst
wurde und zunächst die Partei der demokratischen Linken - PDS - entstand,
aus der später die Linksdemokraten wurden>. Aber die Wahl vom Sonntag
bringt auch D’Alemas und Amatos Vorhaben einer gewichtigen Linken in die
Krise, die man sich im Unterschied zur liberalen Linken als konsistente organisierte
politische Struktur denkt und mit einem sozialen Block, auf den man sich
bezieht. Nur daß - im Unterschied zu dem, was D’Alema und Amato behaupten
- diese Linke durchaus nicht sozialdemokratisch ist, weil das soziale Bezugssubjekt
nicht das sozialdemokratische (die Welt der Arbeit) ist, sondern das Unternehmen,
dem eine rettende Innovationsrolle zugeschrieben wird.”
Herr Sekretär, wie kann eine Auseinandersetzung angeregt werden, wenn
sie den DS nichts zugestehen ?
“Es geht nicht darum, mit klassischen Schablonen zu argumentieren. Wir müssen
wieder anfangen, die Gesellschaft zu analysieren, um ein Programm herum zu
argumentieren. Wenn sich die Auseinandersetzung im Gegensatz dazu um die
politischen Beziehungen dreht, gelangt man nirgendwohin. Ich würde notwendigerweise
das Zerbrechen der Mitte-Linken vorschlagen und von der anderen Seite des
Tisches würde man mir den Weg der Kooptierung in die Mitte-Linke nahelegen.”
Und dann ?
“...beginnen wir bei der Tatsache, daß wir verschieden sind, daß
diese Linken nicht zu vereinigen sind, daß sie aber einen fruchtbaren
Dialog offenhalten können, ausgehend von der Analyse der Gesellschaft
und den Auseinandersetzungen.”
Aber Sie fordern schlicht die Kapitulation der DS’ler...
“Ich verstehe, daß ich nicht verlangen kann, daß sie den Gang
nach Canossa antreten. Ich halte es für eine bleibende Tatsache, daß
wir zwei Linke sind, die unterschiedliche Sichtweisen der grundlegenden Tendenzen
der Gesellschaft haben, die zwei Ideologien haben, zwei Vorstellungen von
der Welt, die so verschieden sind, wie sie es seit der Zeit nach dem 2.Weltkrieg
bis heute noch niemals waren. Dennoch muß die Niederlage zur Wiederherstellung
einer gemeinsamen Perspektive der Linken veranlassen. Berlusconi hat gewonnen,
weil die Mitte-Linke verloren hat.”
Kurz, von wo aus müssen die Linken in Italien neu beginnen ?
“Von der Gesellschaft aus und damit vom Lohn aus. Brutal gesagt, von der
Neubewertung des Lohnes aus. Berlusconi hat versprochen, die Mindestrenten
um eine Million Lire <= 511,30 Euro> zu erhöhen ?
Gut. Wir, die wir doch in der Opposition sein werden, kündigen
hiermit an, daß wir für diese Maßnahme stimmen werden.”
Vorspann, Übersetzung und Anmerkungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover