Antifa-AG der Uni
Hannover:
Eine
Nachricht sorgte vor einigen Wochen in der britischen Linken für eine negative
Überraschung. Die neofaschistische British National Party (BNP), das britische
Pendant zur deutschen NPD enthüllte selbst (http://www.bnp.org.uk/articles/left_infiltration.htm),
dass zwei ihrer Mitglieder ein Jahr lang in Manchester die trotzkistische
Socialist Workers Party (SWP), die Mutterorganisation von Linksruck in der BRD
und Linkswende in Österreich, infiltriert hatten. Ziel war es, neben der SWP,
so viele linke Zusammenhänge wie möglich auszuspionieren. Wobei die beiden dank
der mehr als unvorsichtigen Vorgehensweise der SWP sehr schnell verantwortliche
Funktionen auf regionaler und nationaler Ebene übertragen bekamen. Dadurch
gelang es ihnen, außer in die SWP, auch Einblick in die Gruppierungen
„Manchester against Racism“, Respect, die „Stop the War-Coalition“ und die
Antiglobalisierungsorganisation „Globalise Resistance“ zu bekommen.
Wir
bringen zu diesem Vorfall hier die Übersetzung des entsprechenden Artikels aus
der linken Wochenzeitung „Weekly Worker“ Nr.542 vom 2.9.2004.
Nicht um eine wenig erfreuliche Anekdote zu erzählen oder um den innerlinken
Klatsch mit Nahrung zu versorgen, sondern weil „Anti-Antifa“-Aktivitäten von
neofaschistischer Seite auch hierzulande zu beobachten sind und es notwendig
ist aus dem SWP-Fall seine Lehren zu ziehen. Andererseits ist die SWP die
größte Organisation der radikalen Linken auf der Insel und zusammen mit der
Socialist Action (SA) eine der beiden britischen Organisationen, die die
Vorbereitung des Europäischen Sozialforums in London vom 15.-17.10.2004
weitgehend an sich gezogen (um nicht zu sagen monopolisiert) haben. Vor diesem
Hintergrund gewinnt die problematische Arbeitsweise der SWP eine besondere
Bedeutung und verdient eine kritische politische Auseinandersetzung. Zumal die
Führung der Partei und des von ihr zusammen mit der Muslim Association of
Britain (MAB), einigen linken Kleingruppen und dem aus der Labour-Party
ausgetretenen Abgeordneten George Galloway sowie dem bekannten linken Regisseur
Ken Loach gegründeten Wahlbündnisses „Respect – The Unity Coalition“
offenbar nicht bereit ist, ernsthafte Schlussfolgerungen aus diesem Vorfall zu
ziehen. Der führende Kopf der SWP und Sekretär von Respect, John Rees,
jedenfalls bemüht sich nach Kräften die Sache zu bagatellisieren und
schönzureden (Motto: „Alles kein Problem. Die beiden haben uns viel mehr
genützt als geschadet.“)
Der „Weekly
Worker“, der mit seiner Berichterstattung über diesen Fall noch zu den
zurückhaltenderen Stimmen gehört, wird im übrigen von der Communist Party of
Great Britain (CPGB) herausgegeben, ist aber alles andere als das
Verlautbarungsorgan einer bestimmten Partei. Er wird in weiten Teilen der
britischen Linken gerade wegen seiner offenen, kritischen und kompetenten
Berichterstattung geschätzt und findet sich im Internet unter: www.cpgb.org.uk/worker/
BNP infiltriert SWP
Zwei führende Mitglieder der
Jugendorganisation der Socialist Workers Party (SWP) in Manchester haben sich
selbst als Mitglieder der rechtsradikalen British National Party (BNP) geoutet,
die darauf angesetzt waren, Informationen über die britische Linke zu sammeln.
Joe Finnon (21) und Diane Stoker (19), die beide ursprünglich aus
Nordost-England, schlossen sich der SWP im letzten September bei der
Erstsemester-Einführungswoche an der Universität Manchester einzig zu dem Zweck
an, irreführende Informationen über rechtsradikale Aktivitäten in Burnley zu
liefern und Informationen an die BNP weiterzugeben. Das kam im letzten Monat
heraus.
Dies, so scheint es, war
keine besonders schwierige Aufgabe. Nur einen Monat nachdem sie Kontakt mit der
SWP aufgenommen hatten, wurden beide nominiert, an der nationalen
Parteikonferenz teilzunehmen und offensichtlich als „führende Aktivisten“ in
die Studentenbewegung gedrängt. Im doppelten Eilmarschtempo fand sich Stoker im
Finanzausschuss der Stop the War-Coalition wieder, während Finnon zum
regionalen Kassenwart von Respect in Nordwest-England ernannt wurde –
beide auf die Empfehlung ihrer nichtsahnenden „Genossen“ hin. Die SWP setzte
sogar in bürokratischer Manier die Führung der Socialist Worker Student
Society in Manchester ab, nur um sie durch die beiden hervorragenden, hart
arbeitenden Aktivisten zu ersetzen, die erst seit weit weniger als einem Jahr
Mitglied waren. Zur Verteidigung der SWP muss jedoch gesagt werden, dass es, in
Ermangelung eines umfassenden Nachrichtendienstes, schwierig ist zu sagen, ob
ein Neugeworbener echt ist oder nicht und natürlich sind solche faschistischen
‚Maulwürfe’ in der britischen Linken an diesem historischen Tiefpunkt des
Klassenkampfes nichts Alltägliches. Junge Leute beginnen häufig an der
Universität mit politischen Aktivitäten und Leute ohne vorherige politische
Erfahrung in der Erstsemester-Einführungswoche zu werben, ist üblich. Wir
müssen uns jedoch ernsthaft fragen, wie zwei neue ‚Genossen’ offensichtlich
ohne irgendeine reale linke politische Überzeugung egal welcher Art (und
folglich – würde man denken – ohne die Fähigkeit, ihre Vorstellungen ernsthaft
zu entwickeln oder zu überdenken) in einem solch kurzen Zeitraum auf der
SWP-Leiter soweit aufsteigen konnten.
Die Antwort, magst Du
denken, könnte in der Methode liegen, mit der die SWP diese ‚Rekrutierung’
durchführt. Tatsächlich wird jeder und jede, dem die Partei begegnet,
aufgefordert sofort Vollmitglied zu werden, ungeachtet ihres politischen
Entwicklungsniveaus. Selbstverständlich wäre es lächerlich zu empfehlen, dass
Genossen erst ein Examen ablegen oder demonstrieren sollten, dass sie Lenins
Gesammelte Werke in- und auswendig kennen, bevor sie in die revolutionäre Linke
aufgenommen werden. Genossen mit Verantwortung aber allein auf der Grundlage
von Aktivismus zu fördern und zu belohnen, verlagert die Betonung weg von der
Politik. Zukünftige Führer unserer Klasse werden von den Arbeitern nicht danach
beurteilt, wie viele Flugblätter sie in einer Stunde verteilen können oder an
wie vielen Demonstrationen sie teilgenommen haben, sondern nach ihren
programmatischen Vorstellungen und der Zustimmung zu ihrer Politik. Die
Betonung mehr auf das Erstere als auf das Letztere zu legen, macht es nicht nur
einfacher, unsere Organisationen durch Agenten der extremen Rechten (oder des
Staates) zu infiltrieren, sondern lenkt auch von der Aufgabe ab, eine
politische Avantgarde der Arbeiterklasse zu schaffen.
Ein sehr viel rätselhafterer
Aspekt des ganzen Fiaskos ist jedoch, was die BNP genau glaubt, mit ihrem
‚Infiltrations’-Unternehmen erreicht zu haben. Wenn man die online verfügbare
Literatur der Organisation durchsieht, scheint es, dass die beiden keinerlei
schmutzige Angelegenheiten aufdecken konnten oder irgendetwas, dass die SWP
nicht ohnehin schon in der öffentlichen Domäne verbreiten würde. Auch ihr
Einsatz auf der landesweiten Konferenz scheint nicht sehr viel erbracht zu
haben und nach dem, was führende Genossen der SWP sagen, erhielten die beiden
Faschisten keinen Zugang zu bedeutenden Kontaktlisten oder Datensätzen. In der
Tat hat das Paar, entgegen der lächerlichen Behauptung der BNP, durchaus nicht
jede „prominentere linke Gruppe in diesem Land“ infiltriert, sondern eher eine
Auswahl der verschiedenen Frontorganisationen der SWP. Organisationen, bei
denen die reale Politik der SWP hinter dem jeweiligen Thema verborgen und
selten zu Kritik ermutigt oder diese auch nur geduldet wird. Es scheint, dass
die Haupterrungenschaft der BNP in einem Propaganda-Coup bestand.
Nichts davon bedeutet, dass
die Linke gegenüber Infiltration durch die extreme Rechte oder den Staat nicht
auf der Hut sein muss. Ebenso wie die Faschisten in Veranstaltungen und auf den
Straßen diskreditiert werden, müssen wir eine ernsthafte Anstrengung
unternehmen, um dafür zu sorgen, dass diese Art von Verletzung nicht wieder
vorkommt. Durch die Förderung einer gesunden revolutionären Kultur, in der
Meinungsverschiedenheiten offen diskutiert werden und die Debatte über die
große Politik zur Pflicht wird und nicht zu etwas, das einer Elite übertragen
wird, machen wir es für Alle, außer den entschiedensten und hingebungsvollsten
Akteuren, zweifellos schwieriger sich als Führer der Arbeiterklasse hinzustellen.
Trotz der Tatsache, dass die
missliche Lage der SWP etwas von einem Unglücksfall hat, sind da vielleicht
einige Lektionen, die es zu lernen gilt.
Sam Davies
Vorbemerkung und
Übersetzung:
Antifa-AG der Uni
Hannover