Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Bevor
sich in den letzten Tagen der Gesundheitszustand Yasser Arafats zuspitzte, war
die Parlamentsabstimmung über Sharons sogenannten Rückzugsplan aus Gaza das
bestimmende Thema der Israel/Palästina-Berichterstattung. Der
Nahost-Korrespondent der linken italienischen Tageszeitung „il manifesto“
interviewte dazu für die Ausgabe vom 27.10.2004 den bekanntesten
palästinensischen Abgeordneten im israelischen Parlament, Azmi Bishara, dessen
Urteil zu diesem Manöver sehr eindeutig ausfällt.
„Ich als israelischer Araber stimme
gegen diese Farce“
Azmi Bishara, palästinensischer Knesset-Abgeordneter:
Der Rückzug aus Gaza dient dazu, Cisjordanien zu annektieren.
Michele Giorgio aus Jerusalem
Die israelisch-arabischen
Abgeordneten haben, außer den beiden Vertretern der islamischen Bewegung
(Vereinigte Arabische Liste), gegen den Rückzugsplan aus Gaza gestimmt. Eine
Entscheidung, die dem Anschein nach im Gegensatz zur fortwährenden Forderung
der arabischen politischen Kräfte nach Räumung der von Israel 1967 besetzten
palästinensischen Gebiete steht. Wir diskutierten darüber mit dem bekanntesten
der israelisch-arabischen Parlamentarier, Azmi Bishara (Führer der progressiven
Partei Tajammo-Balad sowie einer der herausragenden Intellektuellen der
palästinensischen Minderheit in Israel).
Die Entscheidung der
arabischen Abgeordneten gegen den Sharon-Plan zu stimmen, hat starke Polemiken
hervorgerufen. Sie haben Euch beschuldigt, den Interessen der Palästinenser
entgegenzuarbeiten.
„Das ist eine lächerliche
Anschuldigung. Unser ‚Nein’ kommt gerade den Interessen der Palästinenser, die
in Gaza und Cisjordanien unter der Besatzung leben, entgegen. Wir haben den
Beginn der Räumung der jüdischen Siedlungen und des Rückzuges aus den besetzten
Gebieten seit vielen Jahren herbeigesehnt. Wir stehen hier allerdings vor dem
klaren Versuch, nicht nur die Palästinenser, sondern die gesamte internationale
Gemeinschaft zu täuschen. Der Sharon-Plan sieht nämlich eine Verstärkung der
Siedlungen in Cisjordanien und damit der Besatzung im Gefolge des Rückzuges von
einem kleinen Stückchen Land vor.“
Hat Euch auch das jüngste
Interview davon überzeugt, in dem Sharons Berater Dov Weissglas erklärt hat,
dass der Rückzugsplan das Ziel hat, die Israel unangenehme ‚Road Map’ auf Eis
zu legen ?
„Zweifellos, aber uns hat
vor allem die Rede davon überzeugt, die Sharon gestern (am Montag <den 25.10.2004> Anm.d.Red.) im Parlament verlesen hat. Der
Ministerpräsident hat erklärt, dass sein Plan Israel in den sehr viel
wichtigeren Gebieten stärkt, womit er Cisjordanien meinte, und es vermieden,
den Urteilsspruch der <internationalen> Richter von Aja über die ‚Trennungsmauer’ innerhalb
der palästinensischen Gebiete <auch nur> in Betracht zu
ziehen. Die Wahrheit ist, dass Sharon – wenn er sein politisches Projekt
beschreibt – nicht die Sicherheit der Israelis am Herzen liegt. In Wirklichkeit
hat er bereits 1988 theoretische Überlegungen über die einseitige Trennung und
die Schaffung autonomer Zonen in den Besetzten Gebieten angestellt, um das
Entstehen eines souveränen Staates Palästina zu verhindern.“
Wie erklären Sie sich das
plötzliche Feeling, das zwischen den arabisch-islamistischen
Abgeordneten und dem Ministerpräsidenten ausgebrochen ist ?
„Ich könnte behaupten, dass
unter diesen Umständen alle Opportunisten hervorkommen. Ich will mich
allerdings eines so respektlosen Urteils über den Willen der Kollegen der
Vereinigten Arabischen Liste enthalten. Ich glaube, dass die Islamisten die
Gelegenheit wahrnehmen wollten, um zu demonstrieren, dass sie gemäßigt sind und
Sharon, der in den vergangenen Monaten die eiserne Faust gegen die islamische
Bewegung gebraucht und die Verhaftung einiger ihrer wichtigsten Führer
angeordnet hat, eine Hand reichen. Wenn dies ihr Ziel ist, dann werden sie bald
den Rückmarsch antreten müssen.“
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover