Antifa-AG
der Uni Hannover:
In einer am Mittwoch, den 22.März 2006
veröffentlichten Videobotschaft kündigte die ETA eine „dauerhafte
Waffenruhe“ an und sprach sich für Verhandlungen über die Zukunft Euskadis (d.h. des Baskenlandes) aus. Das Ergebnis dieses „demokratischen
Prozesses“ müsse dem Votum seiner Bewohner unterzogen werden. Konkret heißt
es in der Mitteilung u.a.: „Die ETA hat
beschlossen vom 24.März 2006 an eine dauerhafte Waffenruhe zu erklären. Das
Ziel dieser Entscheidung ist es einen demokratischen Prozess im Baskenland in Gang
zu setzen, um einen neuen Rahmen zu schaffen, in dem die Rechte, die uns als
Volk zustehen, anerkannt werden und im Hinblick auf die Zukunft die Möglichkeit
der Entfaltung aller politischen Optionen sicher zu stellen. Am Ende dieses
Prozesses müssen die baskischen Bürger die Entscheidung über ihre Zukunft
haben. Der spanische und der französische Staat müssen das Ergebnis dieses
demokratischen Prozesses ohne irgendwelche Einschränkungen anerkennen. Die
Entscheidung, die wir baskischen Bürger über unsere Zukunft treffen, muss
respektiert werden. ETA ruft die Verantwortlichen in Spanien und Frankreich
auf, die Unterdrückung einzustellen. Schließlich richten wir einen Aufruf an
die baskischen Bürger, sich an diesem Prozess zu beteiligen und für die Rechte
zu kämpfen, die uns als Volk zustehen. Die ETA drückt ihren Wunsch und Willen
aus, dass der eingeleitete Prozess bis zu Ende geführt wird, um so eine
wirklich demokratische Situation im Baskenland zu schaffen. Die Beilegung des
Konflikts ist möglich. Dies ist der Wunsch und der Wille der ETA.“ (Auszüge
aus der Erklärung, übersetzt von der Deutschen Presseagentur und veröffentlicht
in der „Süddeutschen Zeitung“ vom
23.3.2006)
Zur neuen Situation, die auch die
Aufhebung des Verbots der linksnationalistischen Partei Herri
Batasuna sowie diverser anderer Organisationen der
baskischen Linken erwarten lässt und die Freilassung der ca. 700 Gefangenen in
spanischen Knästen näher rückt, erschien in der linken italienischen
Tageszeitung „il manifesto“ am 23.3.2006
das folgende Interview mit dem Führungsmitglied von Batasuna,
Asier Arraiz.
„Jetzt ist der Dialog
eröffnet“
Es spricht Asier Arraiz (von der nationalen
Leitung Batasunas)
Wendepunkt: Für die von Aznar verbotene Partei beginnt eine neue Ära, in der über
die Zukunft des Baskenlandes diskutiert wird. Es sollen auch Entscheidungen
über das Schicksal der 700 Gefangenen getroffen werden.
ALBERTO D’ARGENZIO
Asier Arraiz ist Mitglied der
nationalen Leitung von Batasuna, dem von <dem konservativen
Ex-Ministerpräsidenten der PP> Aznar verbotenen politischen Arm der ETA. Gestern war für
ihn und die Anderen aus der Partei ein Tag „de locura“
(des Wahnsinns).
Was bedeutet das
Kommunique der ETA?
„Der ETA-Text schafft neue
Bedingungen für einen Friedensprozess im Baskenland, um einen Dialog zu
beginnen, der eine Lösung des Konflikts ermöglicht, so wie sie von der
baskischen Gesellschaft gefordert wird.“
Welches Ziel verfolgt das
Kommunique?
„Ausgangspunkt ist der vor 1
½ Jahren von Anoeta vorgelegte und von Batasuna unterstützte Vorschlag. Es handelt sich um einen
auf zwei Dialogen beruhenden einfachen Prozess. Der erste zwischen ETA und den
Regierungen Spaniens und Frankreichs über den militärischen Teil und der zweite
in Form von politischen Verhandlungen, an denen alle Parteien und die
Sensibilitäten des Baskenlandes (verstanden als die drei Provinzen, die die
Region bilden, d.h. Alava, Biskaya und Guipozkoa plus Navarra und den drei französischen Provinzen
Unteres Navarra, Labort und Sola;
Anm.d.Red.) teilnehmen. Aufgabe dieser
Verhandlungen wird es sein, ein Projekt auszuarbeiten, das der gesamten baskischen
Gesellschaft innerhalb einer demokratischen Dynamik vorzulegen ist. Die
Sozialistische Partei hat bereits gesagt, dass sie sich daran beteiligen wird.“
Wie beurteilt Ihr dagegen
die Reaktion der Vertreter der Volkspartei (PP)?
„Als die, die man von einer neo-francistischen Partei erwarten kann, die vor allem
Angst bekommt, was nach Demokratie für das baskische Volk aussieht.“
Wird Batasuna
an diesen Verhandlungen teilnehmen?
„Ja, genau wie die übrigen
Parteien.“
Im Augenblick steht Ihr
auf der Schwarzen Liste der EU…
„Diese Frage liegt in der
Hand der spanischen Regierung. Wenn die Bedingung für einen Dialog die
Abwesenheit von Gewalt ist, dann fordern wir, dass die Gewalt auf allen Seiten
unterbleibt. Auch aufseiten des Staates.“
Verurteilt Ihr Eurerseits
die Gewalt der ETA?
„Nein. Das haben wir in 25
Jahren Geschichte nicht getan und werden es auch nicht tun. Deshalb wurden wir
verboten.“
Gestern gab es eine
Gerichtsverhandlung gegen Alvarez, morgen diejenige gegen <den ehemaligen Herri Batasuna-Vorsitzenden> Otegi wegen der
Demonstration am 9.März. Der Oberstaatsanwalt Conde Rumpido behauptet, dass dieser Prozess im Lichte des
Waffenstillstandes nun überdacht wird. Ist das ein erster Schritt?
„Es ist der Augenblick des
Kompromisses gekommen. Die ETA hat gezeigt, dass sie auf der Höhe der Zeit ist.
Jetzt ist es an den anderen Parteien, damit zu beginnen Schritte in diese
Richtung zu unternehmen. Und zu den anderen Parteien zählen wir auch Conde Pumpido und die juristische
Macht, die ein Element sein muss, dass den Dialog nicht behindert.“
Wird das Thema der
Gefangenen bei diesen Verhandlungen zentral sein?
„Es ist wichtig, aber wir
beteiligen uns nicht an diesem Prozess, um sie zu befreien. Es ist ein politischer
Prozess, der in der Weise vorangebracht werden muss, dass das Volk über seine
Zukunft entscheidet. Es müssen Entscheidungen über das Schicksal der 700
politischen Gefangenen getroffen werden, aber das ist Sache der Verhandlungen
zwischen der ETA und den spanischen und französischen Regierungen.“
Seid Ihr optimistisch?
„Wir sind aus einem
einfachen Grund optimistisch: Nach 30 Jahren Kampf ist es uns gelungen, neue
politische Koordinaten zu setzen. Der Dialog über die territoriale Reform des
Staates hat begonnen und in diese Reform wollen wir die Variante der
Selbstbestimmung des baskischen Volkes einbringen. Egal ob die Verhandlungen zu
einem guten Ende gelangen oder ob sie scheitern.“
Wenn sie nicht zu einem
guten Ende gelangen, kehrt man dann zu den Waffen zurück?
„Das hängt von der ETA und
von dem Punkt ab, an dem der Dialog abgebrochen wird.“
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover