Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

 

Auf der großen Diskussionsveranstaltung (real 350 Teilnehmer/innen) über die gewerkschaftliche Situation und die Perspektiven der europäischen Gewerkschaftslinken auf beim Europäischen Sozialforum Mitte Oktober 2004 in London wurde von einem Redner aus dem Publikum vorgeschlagen, einen elektronischen Bulletin herauszugeben, um regelmäßig über die Ereignisse, Erfahrungen und Debatten in den einzelnen Ländern zu informieren und so enger zusammenzuwachsen. Das hätte auch den Vorteil, bei künftigen Treffen auf zeitraubende und dennoch notgedrungen verkürzte Länderberichte verzichten und sich auf die Diskussion über Konsequenzen daraus konzentrieren zu können. Der Chairman der Veranstaltung (ein SWP-Genosse) griff diesen Vorschlag insofern auf als er zum Ende seine Kladde auslegte und die Anwesenden aufforderte, dort ihre Namen und E-Mail-Adressen einzutragen. Folgen hatte das bislang allerdings keine. Zumindest haben wir bis heute keine einzige Mail über diesen Verteiler bekommen und von der Schaffung eines entsprechenden Bulletins auf europäischer Ebene ist uns ebenfalls nichts bekannt. Die italienische ASLO (Operai Contro – Associazione per la Liberazione degli Operai / Arbeiter dagegen – Vereinigung für die Befreiung der Arbeiter) unternimmt allerdings seit einiger Zeit Versuche in diese Richtung. Die aus der linkskommunistischen Tradition (Amadeo Bordiga) kommende Organisation, die über Gruppen in Mailand, Turin, Parma, Modena, Rom, Neapel und Bari verfügt, zeichnet sich durch eine intensive linksoppositionelle Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit aus. Ihre Website (http://www.asloperaicontro.org/) enthält auch Texte in englischer Sprache. Ihre nachfolgenden Berichte über z.T. bereits seit langem andauernde betriebliche Kämpfe in Belgien entnahmen wir der umfangreichen Homepage des linken Flügels von Rifondazione Comunista Padua (www.pane-rose.it). Er datiert vom 17.2.2005.

Der unten dargestellte Arbeitskampf beim Windschutzscheiben-Hersteller AGC in Fleurus ist nach einer Meldung der Deutschen Presseagentur (dpa) vom 15.3.2005 nach 103 Tage dauerndem Streik inzwischen ergebnislos abgebrochen worden. Auf Druck des japanischen Eigentümers Asahi Glass votierten in einer Urabstimmung 62% der 720 Beschäftigten für ein Ende des zermürbenden Arbeitskampfes gegen die Umstrukturierung der Glasfabrik, die 280 Arbeitsplätze kosten soll. Am Wochenende des 12./13.März 2005 hatten Streikbrecher das Werk besetzt und gegen den Willen der Gewerkschaften eine Wiederaufnahme der Arbeit gefordert. Zuvor hatte der Streik breite Solidaritätskundgebungen ausgelöst und die belgische Öffentlichkeit monatelang beschäftigt. Fotos von einer Solidaritätsdemonstration von 1.000 Menschen für die Streikenden am 10.März 2005 in Fleurus findet sich bei Indymedia Belgien unter der Adresse: http://www.indymedia.be/news/2005/03/94445.php



Widerstandsbotschaften aus Belgien



Als Arbeiter und Werktätige sind wir der Meinung, dass es in diesen Momenten weiterer Umstrukturierung des industriellen und finanziellen Systems auf internationaler Ebene wichtig, wenn nicht lebenswichtig, ist, das Maximum an Nachrichten und Botschaften zu verbreiten, die von den Arbeiterkämpfen in den anderen Ländern der Welt kommen.

Dies auch deshalb, weil die Arbeiter, die kämpfen (die an einem Ort gegen die Angriffe der Unternehmer und ihrer Regierungen kämpfen), sich nicht allein fühlen, sondern als Teilhaber dessen, was in anderen Teilen <der Welt> passiert und auch aus diesen Kämpfen die Kraft ziehen, den eigenen Bossen Widerstand zu leisten und ihnen die Stirn zu bieten – in dem Bewusstsein, dass in anderen Teilen <ebenfalls> Arbeiter kämpfen, Widerstand leisten und vielleicht sogar siegen.

Einen (auch elektronischen) Bulletin zu schaffen, dem es gelingt, diese Kämpfe periodisch zu übermitteln, kann ein Mittel sein, das – wenn es das Höchstmaß seines Potentials ausschöpft – den Querschnitt einer Realität vermittelt, von der man nichts weiß, die es jedoch gibt und die allen anderen Arbeitern ein Beispiel sein kann.



Belgien: 11.Streikwoche in der AGC-Fabrik (der ehemaligen Splintex) in Fleurus



Die AGC-Arbeiter in Fleurus, der Fabrik, die Windschutzscheiben für Autos produziert, kämpfen seit gut 11 Wochen dafür, ihre Arbeit und ihre Rechte zu behalten. Die Unternehmer und die Regierung tun alles, um die Kampfbewegung zu brechen.

Die im Kampf stehenden Arbeiter wehren sich gegen den Vorstand des japanischen Multis, der ein Drittel der Arbeiter entlassen will. Nach 11 Wochen gibt die Unternehmensleitung den Forderungen der Arbeiter nach einer neuen industriellen Planung <noch immer> nicht nach und hat im Gegenteil die Provokationen gegenüber den Streikenden ausgeweitet: Polizeieinsatz gegen die Streikpostenketten, per Post den Arbeitern zugesandte Unterlagen für eine Urabstimmung über die Umstrukturierung sowie Forderungen nach einem Eingreifen der politischen und Justizbehörden.

Obwohl die Arbeiter des Betriebes Arbeiter sind, die über eine hohe Flexibilität verfügen, hoch qualifiziert sind und auch der Markt hochgradig produktiv ist, beschließt auch dieser multinationale Konzern, dass es im Kampf um die Vorherrschaft auf den Weltmärkten für diese Arbeiter keinen Platz gibt. Es gibt Länder, wie Osteuropa oder China, die lukrativer sind.

Die Arbeiter von AGC Fleurus wollen allerdings das Diktat des Vorstandes absolut nicht akzeptieren – nicht für sich, nicht für ihre Kinder und nicht für Andere. Die Arbeiter sind entschlossen, zu kämpfen und zu widerstehen. Es vergeht kein Tag, an dem sich nicht Hunderte von Arbeitern und Werktätigen von morgens bis abends zu den Streikposten gesellen.

Mit Hilfe dieser konkreten Solidarität leisten die Arbeiter des AGC-Werkes in Fleurus weiterhin Widerstand.



ESB-Stahlwerk in Seraing: Die Arbeiter lehnen die Flexibilisierung ab.



Die Arbeiter des Elektrostahlwerkes von ESB in Seraing befinden sich seit einer Woche im Streik. Der Betriebsleitung gelingt es nicht, die Verhandlungen für ein betriebsinternes Abkommen wieder aufzunehmen, dass – wenn es von den Arbeitern akzeptiert würde – zu einer größeren Flexibilität und auch zu Sonntagsarbeit führen würde. Das Management möchte auch übergangsweise Beschäftigte einstellen, zwar mit unbefristeten Arbeitsverträgen, aber mit der Macht, sie nach ihrem Gutdünken wieder zu entlassen. Gegenwärtig sind bereits 40 der 90 ESB-Arbeiter <nur> übergangsweise Beschäftigte. Die Betriebsleitung weigert sich, den gewerkschaftlichen Delegierten <d.h. den „Betriebsrat“> der Arbeiter zu empfangen. Der Streik begann spontan, erhielt aber sofort die Unterstützung des FGTB. Dieser Umstand führte dazu, dass die Firmenleitung behauptete, die sozialistische Gewerkschaft „tut alles, um zu verhindern, dass der Betrieb normal funktioniert“.

Die Arbeiter setzen ihren Kampf fort und das in einem Land wie Belgien, in dem im Stahlsektor, aufgrund der internationalen Umstrukturierung, 7.000 Arbeitsplätze in Gefahr sind.

Als Arbeiter und Werktätige von Operai Contro – ASLO bringen wir unsere ganze Solidarität mit den kämpfenden belgischen Arbeitern zum Ausdruck!



Rom, 17.Februar 2005

Operai Contro – ASLO Rom

E-Mail-Adresse: operaicontroroma@yahoo.it

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Anmerkungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover