Am 23.Oktober 2004 will die
neonazistische NPD ("Nationaldemokratische Partei Deutschlands")
unter dem Motto "Sozialabbau, Rentenklau, Korruption - Nicht mit
uns!" in Hannover aufmarschieren. Hierzu rufen sowohl die NPD als auch so genannte "freie Kameradschaften"
auf. Bereits vor anderthalb Jahren versuchten sie, in
Hannover ihre Ideologie zu verbreiten.
Naziaufmärsche
wie dieser sind bei weitem keine Seltenheit mehr. An nahezu jedem Wochenende
zeigen sich Neofaschisten im ganzen Bundesgebiet bei Aufmärschen und
Kundgebungen. Leider geht dabei vielerorts kein Aufschrei mehr durch die
Gesellschaft, vielmehr treffen die Nazis auf Ignoranz oder gar Akzeptanz. Die
stumpfe Wiederholung ihrer menschenverachtenden Parolen beginnt zu wirken:
Parteien wie NPD oder DVU stoßen auf immer mehr Sympathie und verzeichnen
wieder bessere Wahlergebnisse - wie zuletzt bei den Landtagswahlen in
Brandenburg und Sachsen. Bei den Landtagswahlen im Saarland erreichte die NPD
4 % und bei den dortigen Kommunalwahlen lag ihr Anteil in der Stadt
Völklingen sogar bei knapp 10 %.
Um
ihren Rückhalt in der Bevölkerung noch zu verstärken, versuchen die Faschisten
nun auch die Protestbewegung gegen die "Agenda 2010" populistisch zu
nutzen. Die NPD Niedersachsen hat u. a. den Protest gegen "Hartz
IV" zum Thema ihres Aufmarsches erklärt. Das ist durchaus nichts
Neues. Ein wichtiges Merkmal rechtspopulistischer und faschistischer Parteien
und Gruppierungen ist seit jeher ihre soziale Volksverhetzung unter Benutzung linker
Begriffe und Symbole, die dann ins reaktionäre und rassistische verkehrt
werden. Der Griff der NSDAP auf die rote Fahne und ihre Selbstbetitelung als
"sozialistisch" und "Arbeiterpartei" sind nur die
bekanntesten Beispiele dafür. Rechtspopulismus und Neofaschismus sind - bei
allen Unterschieden in der Qualität - die reaktionäre und unmenschliche Antwort
auf dieselben Missstände und auf dieselbe soziale Krise, auf die die Linke
fortschrittliche und humane Antworten gibt.
Die rot-grüne "Agenda 2010" im Allgemeinen
und das von einer Großen Koalition aus SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP
beschlossene Gesetzespaket "Hartz IV" im Besonderen bedeuten
- massive Kürzungen beim Lebensunterhalt der Erwerbslosen, von denen ein Großteil (dank ALG 2) sofort auf Sozialhilfeniveau zurückgeworfen wird und der "Rest", die BezieherInnen von ALG 1, nach einem Jahr; 400.000 Erwerbslose werden gar keine Unterstützung mehr bekommen,
- ein Erpressungs- und Zwangsinstrument, um alle
Lohnabhängigen zur Annahme auch der unzumutbarsten, weit entfernten,
stumpfsinnigsten und miserabel entlohnten Jobs zu zwingen. Allein 600.000 Jobs
für 1 oder 2 Euro Stundenlohn sollen im Zuge von "Hartz IV"
geschaffen werden,
- ein allgemeines Lohnsenkungsprogramm, da diese
Dumpinglöhne und dieser Arbeitszwang massiven Druck auf den gesamten
Arbeitsmarkt ausüben werden,
- ein Bespitzelungs- und Kontrollkonzept. Die Pflicht
der künftigen BezieherInnen von ALG 2 (bei Strafandrohung!) weitgehende
Einblicke in ihr Privatleben zu geben, die Konzentration dieser Informationen
in einer Hand und der verstärkte Einsatz von "Sozialdetektiven"
führen zum "gläsernen Arbeitslosen";
- ein massives Umverteilungsprogramm von unten nach oben;
dazu gehört die geplante Senkung des Spitzensteuersatzes der Einkommenssteuer
von 45 auf 42%, Steuergeschenke für Großkonzerne und die zunehmende
"Befreiung" der Unternehmer von der Finanzierung der
Sozialversicherung.
Da sie
so tiefgreifend und umfassend sind, stellen die "Agenda 2010" und
"Hartz IV" einen drastischen Sprung in Richtung Neoliberalismus dar.
Die zentrale NPD-Propaganda zu "Hartz IV" basiert auf fünf grundlegenden Elementen:
1. nationalistische Parolen und Verbreitung entsprechender
Illusionen ("Grenzen dicht" und Autarkie)
2. rassistische Hetze und Spaltungsversuche in
"Deutsche" und "Ausländer"
3. Kapitalismus, Kapital, Profit,
"Unternehmer"-interessen etc. werden mit keinem Wort erwähnt,
stattdessen wird
4. banaler Populismus gegen "die gut bezahlten
etablierten Politiker" und "gut bezahlte Beamte" betrieben.
5. Positive Bezugspunkte sind hingegen "Deutsches
Volk", "noch intakte Familien" und "Familienväter" -
also Nationalismus und die patriarchale Heim-und-Herd-"Idylle".
Geht es nach den NPD-Faschisten soll "Politik für Deutsche" gemacht
und "Deutsches Geld endlich für deutsche Ausgaben" verwendet werden
"statt" zur "Finanzierung von (...) Holocaust-Denkmälern".
Das ist
vordergründig die Forderung nach Umverteilung von Finanzen – jedoch auf der
Basis einer nationalistischen Weltanschauung. Zugleich wird antisemitische
Hetze betrieben und – für manche erst auf den zweiten Blick erkennbar –
verleugnet die NPD damit die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Für den
Fall einer Machtübernahme kündigt die NPD unverhohlen die Vertreibung aller
seit Jahrzehnten hier lebenden und arbeitenden ausländischen
KollegInnen an. Sie fordert als Sofortmaßnahme "den sofortigen Stopp von
Kindergeldzahlungen an ausländische Familien“. Dies wäre ein Raub ihrer durch
gezahlte Sozialbeiträge und Steuern erworbenen Ansprüche und Rechte.
Der
heutige Weg der NPD deckt sich mit dem damaligen Vorgehen der NSDAP: Dem
Kapital und seinen wichtigsten Forderungen den Weg zu Extraprofiten zu ebnen
und eine noch unsozialere und gewalttätigere Politik zu betreiben als die
bürgerlichen Parteien. (durch Zerschlagung der Arbeiterbewegung, Eroberungskrieg,
Billiglöhne für deutsche ArbeiterInnen). Noch ist dieses Angebot für das
Kapital nicht attraktiv. Rassismus wird zum Grundprinzip erhoben und die von
Kürzungsmaßnahmen Betroffenen in die Entsolidarisierung gehetzt. Gewinner ist
der Kapitalismus, der auf Kosten eines Teils der Ausgebeuteten
"saniert" wird.
Unsere Antwort darauf kann nicht sein, Themen und Begriffe zu meiden, nur weil sie auch von Rechten aufgegriffen werden. Es kommt vielmehr darauf an, festzustellen was der Kern der Sache ist, welche Interessen verfolgt werden und die Gegensätze zwischen rechts und links, zwischen rassistischer und antirassistischer, nationalistischer und internationalistischer, patriarchaler und antipatriarchaler Politik klar und konkret zu machen. Wir müssen jeder Spaltung der von „Agenda 2010“ und „Hartz IV“ Betroffenen entgegen treten und dabei eine deutliche Trennungslinie nach rechts ziehen.
Antifaschistisches
Bündnis Hannover
(weitere Infos unter www.antifa-action.de)
Antifa
3000; AntiFa AG der Uni Hannover; Antifaschistische Aktion Hannover [AAH]; Antifa
Barsinghausen (DeisterGeister); Antifa Wenningsen; FDJ Hannover; Gewerkschaftsforum
Hannover; KPD Hannover; Linksruck; MC Kuhle Wampe, Hannover; Gruppe Ohm 365;
PDS Hannover; Projektgruppe Agenda 2010-kippen; Red Linden; SDAJ Hannover;
SJD Die Falken; Solid Niedersachsen; VVN Kreisvereinigung Hannover; VVN
Landesvereinigung Niedersachsen.