Antifa-AG
der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Der
Streik der linken Basisgewerkschaft SULT bei den Flugbegleitern der Alitalia
vom 6. und 7.September 2005 gegen den Versuch des Unternehmens, sie künftig,
wegen mangelnder Untertänigkeit, von allen Verhandlungen auszuschließen, ist im
wesentlichen gelungen. Bahnbrechende Wirkung konnte er allerdings nicht
entfalten. Hauptgründe dafür sind die mangelnde Solidarität der Ableger der
drei großen Gewerkschaftszentralen CGIL-CISL-UIL und der massive Einsatz von
Streikbrechern. Zum teilweise skandalösen (und gelben) Verhalten von CGIL, CISL
und UIL ist in den nebenstehenden Übersetzungen bereits einiges gesagt worden. Den
gezielten Einsatz von Streikbrechern behandelt das nachfolgende Interview, das
die unabhängige linke Tageszeitung „il manifesto“ mit einem der –
unfreiwilligen – Streikbrecher führte. Es erschien am 7.9.2005 und zeigt
die Erpressungsmöglichkeiten dank prekärer Beschäftigungsverhältnisse, die
ohnmächtige Wut der Betroffenen und die Wirkung, die der Streik dennoch
entfalten konnte.
Anti-Streik-Teams
Es spricht einer der Prekären, der
gerufen wurde, um die Stewardessen zu ersetzen.
LUCA DOMENICHINI
„Anti-Streik“-Teams im
Angriff. Alitalia hat seine aus Tausenden Stewards und Stewardessen ohne festen
Arbeitsvertrag bestehende machtvolle Prekären-Maschine eingesetzt. Nicht alle
wurden angerufen, „aber viele schon“ – sagt einer von ihnen – „und das ist
unsere Arbeit: Wir ersetzen die streikenden Beschäftigten.“ Mit einem haben wir
gesprochen. Er wird <hier> Lorenzo genannt, ist 35 Jahre alt, ist noch jung –
wie er selbst gern sagt – „hat“ aber Familie. „Deshalb ist es besser, das ich
Dir meinen Namen nicht sage, sonst rufen sie mich nicht wieder an, wenn der
Vertrag ausläuft.“ Die Arbeit ist ein „Haufen Mist. Ich lebe seit den 90er
Jahren mit einem befristeten Vertrag von zwei bis sechs Monaten Dauer, die sich
abwechseln, wobei auch schon mal ein halbes Jahr dazwischen liegt, wo ich nicht
wieder angerufen und auch nicht bezahlt
werde. Du verdienst nur, wenn Du ‚Reservist’ bist, d.h. in den Zeiträumen, in
denen Du einen Vertrag hast. Wenn Du den nicht hast, bist Du draußen. Solange
sie Dich nicht zurückrufen, bezahlen sie Dich auch nicht.“ Lorenzo macht diesen
Turn-over <diese
Fluktuation> seit mehr als 5 Jahren
mit. Zahl der Arbeitsverträge seit damals: mehr als 10.
Lorenzo, warum hast Du
nicht protestiert ? Wenn Du kein Recht
auf Streik hast, dann…
„Ich kann nicht oder sie
erneuern mir den Vertrag nicht. Das Unternehmen gibt den Reservisten gegenüber
keine Erklärungen ab. Wenn der Vertrag ausläuft, ist Ende. Und sie erneuern ihn
Dir nicht mehr, wenn Du Dich ‚aufgeplustert’ hast.“
Aber bist Du mit dem
Kampf des SULT nicht einverstanden ?
„Doch, sicher. Ich befinde
mich in der unangenehmen Position, einer derjenigen zu sein, die (mit meiner
Arbeit) versuchen müssen, den Streik dieser beiden Tage scheitern zu lassen.
Der Streik ist jedoch richtig. Wann übernehmen sie mich in einem Unternehmen,
wenn es keine Gewerkschaft mehr gibt ? Sie wollen uns die Stimme nehmen.“
Was sollt Ihr in diesen
zwei Tagen machen ?
„Das Übliche, was die
Reservisten so tun. Wir nehmen die Plätze der kämpfenden ‚älteren’ Kollegen
ein. Der Kampf ist einer um Zahlen: Je mehr Prekäre in diesen zwei Tagen
arbeiten, desto mehr Flüge finden statt. Und so hat das Unternehmen die
Gelegenheit zu sagen, dass der Streik gescheitert ist und dass es Recht hatte.“
Und war es so ? Ist der
Streik bislang gescheitert ?
„Absolut nicht. Probleme
gibt es, aber die sind – mehr als alles andere – organisatorischer Art. Die
Fluggäste haben die Gewerkschaft verstanden und viele von ihnen haben den Flug
verschoben. Die ‚No-Show’ erreichte am Vormittag eine Quote von 30% bis 40% der
geplanten Starts. Starts, die jedoch nicht stattgefunden haben, weil die Reisenden
nicht erschienen. Und dann betrifft es die Verspätungen (bis zu einer Stunde)
und die 30 Flüge, die gestrichen wurden. Das Unternehmen sagt: aus ‚technischen
Gründen’. Aber wenn dem so wäre, würde das bedeuten, dass ein Drittel der
Flotte Wartungsprobleme hat.“
Stimmen Deine Kollegen
mit Dir überein ? Was sagen die zum Streik ?
„Dass er richtig ist. Alle
oder fast Alle. Hier handelt es sich nicht um ‚Ideologie’ oder um eine
parteiische Einstellung. Wir leben in einer entwaffnenden Situation. Wir
arbeiten, wenn es sich ergibt und immer an den Streiktagen, wenn auch wir das
Unsere dazu zu sagen hätten. Es ist nicht gerecht, wie wir behandelt werden und
denk’ nur an die Solidaritätsverträge <faktisch unbezahlte Kurzarbeit Null für alle 4.000
Beschäftigten jeweils 6 Tage in diesem und im nächsten Jahr>. Die letzte ‚Erfindung’ des Unternehmens ist, dass
sie uns innerhalb von zwei Jahren 1.000 Euro bezahlen lassen. Geld, das für
einen Prekären den Unterschied ausmacht. Ich habe einige Kollegen weinen sehen,
während sie ins Flugzeug stiegen. Sie hatten Tränen der ‚Wut’ in den Augen.“
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover